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Neues BMBF-Projekt: Zelltodblocker gegen Neurodegeneration und Demenz

  • 14. November 2017
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Mit dem Programm VIP+ möchte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Lücke zwischen Grundlagenforschung und möglichen Anwendungen schließen. Im November 2017 startet auch ein Projekt am Helmholtz Zentrum München: Für ihre Arbeit im Kampf gegen neurodegenerative Erkrankungen erhalten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den kommenden zwei Jahren insgesamt 1,5 Millionen Euro.

Altersbedingte neurodegenerative Erkrankungen gelten als eine der wichtigsten medizinischen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Allein in Deutschland leben gegenwärtig mehr als 1,5 Millionen Demenzkranke, wovon zwei Drittel von Alzheimer betroffen sind. Mit Blick auf den demographischen Wandel dürfte die Zahl der Patientinnen und Patienten weiter steigen. Darüber hinaus gibt es neurodegenerative Erkrankungen, die zum Teil nicht altersassoziiert sind, jedoch trotzdem tödlich verlaufen, wie beispielsweise die Amyotrophe Lateralsklerose oder die Huntington-Krankheit.
Obwohl oft unterschiedliche Hirnbereiche und Neuronen betroffen sind, ist der frühe und fortschreitende Verlust von Nervenzellen ein gemeinsames Merkmal dieser Krankheiten. Neueste Ergebnisse belegen, dass der neuronale Zelltod größtenteils durch regulierte nekrotische Zelltodsignalwege, insbesondere durch die Ferroptose* ausgelöst wird. Diese wichtige Erkenntnis ermöglicht die Entwicklung von Wirkstoffen, die das Absterben von Neuronen verhindern könnten.

Liproxstatine als Neuroprotektiva

In umfangreichen Vorarbeiten konnten Dr. Marcus Conrad und sein Team seit 2012 über 40.000 neue Substanzen auf ihre anti-ferroptotische Eigenschaft untersuchen. Die Substanzklasse der Liproxstatine stach dabei besonders hervor, vor allem aufgrund ihrer hohen zellprotektiven Aktivität, ihrer Medikamenten-ähnlichen Eigenschaft und erfolgreich nachgewiesener Wirksamkeit in Tiermodellen degenerativer Erkrankungen. In medizinalchemischen Folgearbeiten konnten Moleküle aus dieser Substanzklasse identifiziert werden, die effizient die Blut-Hirn-Schranke überwinden und somit als aussichtsreiche neuroprotektive Medikamente in Frage kommen.

In weiteren Studien konnten die Helmholtz-Forscher um Marcus Conrad erste Hinweise auf den Wirkmechanismus von Liproxstatinen liefern. Nun wollen sie mit dem VIP+ Programm den nächsten Schritt machen und die Wirksamkeit der potenziellen Neuroprotektiva in präklinisch relevanten Neurodegenerationsmodellen untersuchen.

„Neurodegenerative Krankheiten sind bislang gar nicht oder nur unzureichend beziehungsweise symptomatisch behandelbar“, erklärt Marcus Conrad, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Entwicklungsgenetik (IDG) des Helmholtz Zentrums München. „Ferroptose-Inhibitoren könnten erstmalig zur Entwicklung eines neuen und effektiven Therapieansatzes führen, um dem fortschreitenden Verlust von Nervenzellen frühzeitig vorzubeugen“, fügt IDG-Wissenschaftlerin Dr. Bettina Proneth hinzu.

Entsprechend hoffen die Wissenschaftler, dass im Rahmen des VIP+ Programms ein zentraler Meilenstein erreicht wird, der nicht nur die Grundlage für die weitere präklinische Entwicklung auf dem Weg zur Zulassung und Anwendung darstellt, sondern gleichzeitig ausreichend Interesse bei der Pharmaindustrie und Risikokapitalgebern wecken wird, um die Verwertungschancen des Vorhabens zu erhöhen.

Weitere Informationen

* Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich bei der 2012 entdeckten Ferroptose um den organisierten Zerfall von Zellen (griechisch ptosis: der Fall), bei dem zelluläres Eisen eine wichtige Rolle spielt (lateinisch ferrum). „Die einzelnen Mechanismen dieses Zelltodes kristallisieren sich erst langsam heraus und unser Team konnte bereits einige wegweisende Arbeiten zum Verständnis der Ferroptose beitragen“, so Dr. Marcus Conrad.

Hintergrund:
Die Fördermaßnahme „Validierung des technologischen und gesellschaftlichen Innovationspotenzials wissenschaftlicher Forschung – VIP+“ lädt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Disziplinen ein, aus der Welt der Forschung heraus den ersten Schritt in Richtung wirtschaftlicher Wertschöpfung oder gesellschaftlicher Anwendung zu gehen. Mehr dazu auf der Webseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

 

Kontakt

Abteilung Kommunikation
Helmholtz Zentrum München –
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Ingolstädter Landstraße 1
85764 Neuherberg
Tel.: +49 89 3187-2238

Fachlicher Ansprechpartner
Dr. Marcus Conrad
Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Entwicklungsgenetik
Ingolstädter Landstr. 1
85764 Neuherberg
Tel. +49 89 3187 4608