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Schlaganfall-Experten nehmen Stellung zum aktuellen BSG-Urteil

2. Juli 2018 – Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) sehen die flächendeckende Versorgung akuter Schlaganfallpatienten in Deutschland durch ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in großer Gefahr. Bisher können Krankenhäuser für die spezialisierte Schlaganfallversorgung eine gesonderte Vergütung erhalten. Voraussetzung ist unter anderem, dass sie besonders schwer betroffene Patienten im Bedarfsfall spezieller Eingriffe innerhalb von 30 Minuten reiner Transportzeit in ein hierfür qualifiziertes überregionales Zentrum verlegen können. Das BSG hat jetzt geurteilt, dass diese 30 Minuten bereits ab der Entscheidung zum Transport gelten sollen. Dieses enge Zeitfenster könnte nach Ansicht der Experten selbst in Ballungszentren häufig nicht eingehalten werden. Da damit die Vergütung für zahlreiche Einrichtungen nicht mehr gewährleistet sei, könnten diese sich aus der Schlaganfallbehandlung zurückziehen.

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„Was sich zunächst nach einer Verbesserung für die Patienten anhören mag, bedeutet tatsächlich eine gravierende Gefahr für die Versorgung. Selbst in Ballungszentren können 30 Minuten wie vom BSG definiert häufig gar nicht eingehalten werden“, so Professor Dr. med. Armin Grau, 1. Vorsitzender der DSG. „Wenn dieses Zeitkriterium als Strukturvorgabe nicht Tag und Nacht erfüllt werden kann, erhalten die Krankenhäuser die gesonderte Vergütung für keinen ihrer Patienten mehr, obwohl nur fünf bis maximal zehn Prozent der Patienten weiterverlegt werden müssen. „Etliche Krankenhäuser mit funktionierenden regionalen Stroke Units könnten sich dann aus der Schlaganfallbehandlung zurückziehen, was die Schlaganfallversorgung in der Fläche gefährden würde“, stellt Professor Dr. med. Gereon R. Fink, Präsident der DGN fest. „Entscheidend für die gute Versorgung von Schlaganfällen in Deutschland ist das gut funktionierende Netzwerk aus regionalen Stroke Units und Schlaganfallzentren. Das Urteil des BSG steht jedoch den geltenden Regeln entgegen und bedeutet in der Konsequenz einen massiven Eingriff in die Versorgung von Schlaganfallpatienten“, so Fink und Grau. Beide fordern, dass jetzt die Vorgaben für den Transport in ein Schlaganfallzentrum rasch neu formuliert werden, gegebenenfalls unter Einschaltung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG).

Hintergrund

In Deutschland existiert eine gut funktionierende, flächendeckende Versorgung von Patienten mit akutem Schlaganfall. Ein wesentlicher Bestandteil ist die tragfähige Kooperation zwischen lokalen Schlaganfalleinheiten (regionale Stroke Units) und überregionalen Schlaganfallzentren, an denen auch alle neurochirurgischen und neuroradiologischen Leistungen vorgehalten werden. Ein Regelwerk (OPS 8-98) für die Vergütung von Schlaganfallbehandlungen legt fest, dass die lokalen Schlaganfalleinheiten für Spezialleistungen, die sie nicht selbst erbringen, Vereinbarungen mit Schlaganfallzentren in höchstens halbstündiger Transportentfernung treffen müssen. Die halbe Stunde bezieht sich laut OPS auf die „Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende“. „Die halbstündige Transportentfernung muss unter Verwendung des schnellstmöglichen Transportmittels (zum Beispiel mit einem Hubschrauber) grundsätzlich erfüllbar“ sein. Während diese Forderung in der Praxis nicht regelhaft erfüllbar ist und DGN und DSG kürzlich einen Änderungsvorschlag unterbreitet haben, interpretiert das BSG mit seinem Urteil vom 19. Juni 2018 (B1 KR38/17 R und B1 KR 39/17 R) jetzt die Regelung komplett um, indem es die halbe Stunde auf die Zeit zwischen der Entscheidung, ein Transportmittel anzufordern und der Übergabe des Patienten beim Kooperationspartner bezieht. Damit löst sich das BSG von seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung zu OPS-Kodes und Abrechnungsregeln, die „allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Abrechnungsregeln“ zu handhaben seien. Selbst in hochverdichteten Regionen Deutschlands kann eine solchermaßen definierte Transportzeit nicht eingehalten werden. Die Konsequenz des Urteils ist, dass sich bedarfsnotwendige Krankenhäuser aus der Schlaganfallversorgung zurückziehen werden, da sie keine angemessene Vergütung mehr für ihre Leistungen erhalten. Eine solche Entwicklung wäre gänzlich zum Nachteil der Patienten, die beides brauchen, die schnell erreichbare lokale Schlaganfalleinheit wie auch solche vernetzten Zentren für spezialisierte Therapien.

Gemeinsame Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Schlaganfall Gesellschaft (DSG)