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„Zelldruckventil“ erhöht Zuckerempfindlichkeit Insulin produzierender Zellen

ß-Zellen sitzen in den Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse und produzieren dort Insulin. Unklar war, welche Rolle volumen-regulierte Anionenkanäle (kurz: VRACs) in ihrer Zellmembran bei der Insulinsekretion spielen. Ein Team um den Berliner Forscher Thomas J. Jentsch vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) und Max-Dellbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) konnte nun zeigen, dass sich mit Öffnung dieser Kanäle die Glukose-Sensitivität und die darauf folgende Insulinsekretion der ß-Zellen erhöht. Die Ergebnisse wurden kürzlich in Nature Communications publiziert.

ß-Zellen haben sensorische Eigenschaften: Sie messen den Glukosespiegel im Blut. Steigt er an, depolarisieren sie und schütten entsprechend viel Insulin aus, um den Blutzuckerspiegel wieder zu regulieren. „Es gab schon länger die Hypothese, dass der volumen-regulierte Anionenkanal VRAC hilft die ß-Zellen zu aktivieren“, sagt Till Stuhlmann, Erstautor der Studie. Wenn die Zellen Glukose aufnehmen, steigt der osmotische Druck. Dadurch strömt vermehrt Wasser in sie ein und die Zellen schwellen an. Die VRAC Kanäle öffnen sich, negativ geladene Chloridionen werden nun ausgeschleust und Wasser strömt aus der Zelle heraus wodurch der Druck wieder ausgeglichen wird. „Dadurch wird das Zellinnere positiver. Und das ist der Stimulus, durch den sich nun spannungsabhängige Kalziumkanäle öffnen und letztlich Insulin freigesetzt wird“, erklärt Till Stuhlmann.

Im Mausmodell konnten die Forscher den Mechanismus nun bis ins Detail nachvollziehen und die Hypothese bestätigen. Bei Knockout-Mäusen, denen das für den Kanal relevante Gen LRRC8A fehlt, trat nach Stimulation der ß-Zellen mit Glukose die Aktivierung erst merklich später ein: Sowohl der Einstrom von Kalziumionen als auch die Insulinausschüttung waren deutlich verzögert. Erst nach 30 Minuten verhielten sich normale und LRRC8A-defiziente ß-Zellen gleich „Der Kanal scheint also gerade in der Anfangsphase wichtig zu sein“, folgert Till Stuhlmann. „Offenbar sind aber noch weitere Ionenkanäle am Geschehen beteiligt.“

Für unser Verständnis der genauen Vorgänge bei der Insulinsekretion sind die Erkenntnisse sehr wertvoll, auch wenn sie vorerst für die Therapie von Diabetes keine direkten Konsequenzen haben, denn VRAC-Anionenkanäle sitzen in jeder Körperzelle des Menschen und sind deshalb problematisch als Angriffspunkt für Medikamente.

Die dem volumen-regulierten Ionenkanal zu Grunde liegende Proteinfamilie LRRC8 wurde jedoch erst vor wenigen Jahren entdeckt. 2014 gelang es der Arbeitsgruppe von Thomas Jentsch, das entscheidende Bauteil LRRC8A des vermutlich aus sechs Untereinheiten bestehenden Proteinkomplexes zu identifizieren, über den Zellen ihr Volumen regulieren. VRAC-Anionenkanäle wirken wie ein Druckventil: Kommt es zu einem Anschwellen der Zelle, öffnen sich diese Kanäle und lassen Anionen und kleine organische Moleküle austreten, während Kationen zurückgehalten werden. Dadurch verhindert der Organismus, dass Zellen so stark anschwellen, dass sie schließlich platzen.

Die genauen Funktionen des VRAC-Kanals in anderen Körpergeweben sind bislang kaum bekannt. Es wird vermutet, dass er unter anderem auch eine wichtige Rolle beim Schlaganfall spielt. In diesem Fall jedoch eine negative. „Während eines Schlaganfalls schwellen die Zellen im Gehirn an und VRAC öffnet sich, wodurch vermutlich der Neurotransmitter Glutamat freigesetzt wird “, sagt Till Stuhlmann. „Eine hohe Glutamatkonzentration führt zum Absterben umliegender Neurone und so zur weiteren Ausbreitung der Läsion im Gehirn nach dem Schlaganfall.“

Quelle:
Till Stuhlmann, Rosa Planells-Cases & Thomas J. Jentsch
LRRC(/VRAC anion channels enhance ß-cell glucose sensing and insulin secretion, Nature Communications (2018) 9:1974, DOI: 10.1038/s41467-018-04353-y

Das Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) gehört zum Forschungsverbund Berlin e.V. (FVB), einem Zusammenschluss von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Instituten in Berlin. In ihnen arbeiten mehr als 1.900 Mitarbeiter. Die vielfach ausgezeichneten Einrichtungen sind Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft. Entstanden ist der Forschungsverbund 1992 in einer einzigartigen historischen Situation aus der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR.

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