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Schnellverfahren zur Krebs-Diagnose: Jenaer Forscherteam ausgezeichnet

Ob bei einer Krebs-Operation wirklich der gesamte Tumor entfernt worden ist, lässt sich mit derzeitigen Verfahren erst nach einem Eingriff mit Sicherheit feststellen. Ein interdisziplinäres Forscherteam des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT), der Friedrich-Schiller-Universität (FSU), des Universitätsklinikums sowie des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik in Jena hat nun einen optischen Ansatz vorgelegt, mit dem krebsartiges Gewebe bereits während der Operation schnell, schonend und verlässlich diagnostiziert werden kann. Dafür sind die Wissenschaftler am 18. Oktober 2018 in Goslar mit dem renommierten Kaiser-Friedrich-Forschungspreis ausgezeichnet worden.

Bis zu vier Wochen können vergehen, bis Patienten Sicherheit darüber haben, ob eine Krebs-Operation erfolgreich war oder nicht — Zeit, in der eventuell verbliebene Tumorzellen sich bereits wieder vermehren können. Das von dem Jenaer Wissenschaftlerteam erforschte Schnellverfahren hingegen könnte Gewissheit in 20 Minuten bringen. Indem es drei unterschiedliche Bildgebungstechniken kombiniert, lassen sich anhand so genannter Schnellschnitte noch während der Operation räumlich hoch aufgelöste Bilder der Gewebestruktur erzeugen. Eine Software macht Muster und molekulare Details sichtbar, so dass das Operationsteam Tumorzellen identifizieren und auf dieser Basis entscheiden kann, wie viel Gewebe weggeschnitten werden muss. Damit verspricht die automatisierte Gewebe-Analyse ein verlässlicheres Ergebnis als die derzeit übliche Schnellschnitt-Analyse, die nur von erfahrenen Pathologen durchgeführt werden kann und immer noch nachträglich abgesichert werden muss.

„Wir können mit dem von uns entwickelten Verfahren wesentlich genauer arbeiten und erhalten die Informationen unmittelbar“, erläutert Professor Orlando Guntinas-Lichius, Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Jena, der mit sechs weiteren Wissenschaftlern an dem Forschungsprojekt mit dem Titel „CDIS Jena — Cancer Diagnostik Imaging Solution Jena“ beteiligt ist.

Perspektivisch könnte das Mikroskop sogar bei Operationen eingesetzt werden, bei denen derzeit noch gar keine Schnellschnitt-Diagnostik möglich ist, blickt Professor Jürgen Popp voraus, der als Direktor des Leibniz-IPHT sowie des Instituts für Physikalische Chemie der FSU Jena ebenfalls zu den Preisträgern gehört. „Es kann als Basis dienen für eine In-vivo-Diagnostik, so dass man künftig ohne klassische Biopsie auskommen könnte.“

Ebenfalls ausgezeichnet werden Professor Andreas Tünnermann, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik (IOF) sowie des Instituts für Angewandte Physik der FSU Jena, Professor Jens Limpert (IOF und Institut für Angewandte Physik der FSU), Dr. Thomas Gottschall (ebenfalls Institut für Angewandte Physik), Professor Michael Schmitt (Institut für Physikalische Chemie der FSU Jena), Dr. Thomas Bocklitz (Institut für Physikalische Chemie und Leibniz-IPHT) sowie Tobias Meyer (ebenfalls Leibniz-IPHT).

Zuverlässig und kostengünstig zur passgenauen Therapie

Indem das optische Diagnose-Verfahren der Jenaer Wissenschaftler zu vermeiden hilft, dass Patienten erneut operiert werden müssen, trägt es nicht nur dazu bei, deren Heilungschancen zu verbessern, sondern könnte darüber hinaus erhebliche Kosten im deutschen Gesundheitssystem einsparen. „Eine Minute im Operationssaal ist die teuerste Minute im gesamten Klinikbetrieb“, führt Orlando Guntinas-Lichius aus. Derzeit werden etwa bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich nach knapp jeder 10. Operation nachträglich Krebszellen aufgefunden.

Nachdem das Jenaer Forscherteam in Tests an knapp 20 Patientinnen und Patienten bereits nachweisen konnte, dass der Bildgebungsansatz zuverlässig funktioniert, überführte es die Ergebnisse in ein tragbares Mikroskop mit einem neuartigen kompakten Faserlaser. Dieser Prototyp soll nun an einer großen Patientengruppe in einer präklinischen Validierungsstudie zum Einsatz kommen. „Wir sind dabei, uns hierfür um die entsprechenden Fördermittel zu bemühen“, so Jürgen Popp. Sobald anhand der Studie der Mehrwert für die Patientinnen und Patienten dokumentiert ist, ist das Verfahren reif für den Markt. „In fünf Jahren könnte unser Mikroskop für die Schnellschnitt-Diagnostik in der Klinik stehen“, resümiert Jürgen Popp.

Dass es überhaupt möglich wurde, komplexe Laserysteme außerhalb einer Laborumgebung einzusetzen und somit den Schritt in die Klinik zu gehen, verdankt sich dem intelligenten Einsatz von Faserlasern und faser-optischen Frequenzkonvertern, ergänzt Professor Andreas Tünnermann vom Fraunhofer-IOF. So konnten die Freiheitsgrade reduziert und das Gerät miniaturisiert werden. Dies bedeutet eine entscheidende Verbesserung im Bereich der multimodalen Bildgebung mit in seinen Wellenlängen abstimmbarem Beleuchtungslaser.

Vorarbeiten zu dem Forschungsprojekt „CDIS Jena — Cancer Diagnostik Imaging Solution Jena: Die Revolution in der intraoperativen Schnellschnittdiagnostik“ wurden gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft (TMWWDG).