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Macht Ausgrenzung Migranten krank?

Aus den USA weiß man: Einwanderer sind meist gesünder als gleichaltrige Durchschnittsbürger. Doch mit der Zeit verliert sich der Effekt. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock ergründen, ob dieses Phänomen auch für Europa gilt und welche Ursachen dafür verantwortlich sind.

Wer sich auf den Weg macht, um sein Leben in einem fremden Land neu zu beginnen, bringt in der Regel eine Voraussetzung mit: Er ist rundum gesund. Menschen mit chronischen Krankheiten oder anderen körperlichen Gebrechen wandern selten aus. In der Wissenschaft ist dieses Phänomen als healthy migrant effect bekannt. Wie mehrere internationale Studien belegen, sind Einwanderer im Schnitt gesünder als ihre neuen Mitbürger. Und in einem weiteren Punkt unterscheiden sie sich: Normalerweise gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status von Menschen, also Bildung, Beruf und Einkommen, und ihrem Gesundheitszustand. Arme und sozial Benachteiligte leiden etwa deutlich öfter an Herzerkrankungen, Diabetes oder Asthma als die übrige Bevölkerung. Bei Einwanderern ist dieser Zusammenhang weit weniger zu beobachten.

Die Vorteile in Sachen Gesundheit gelten jedoch vor allem für neu Eingewanderte. Je länger Zuwanderer in der neuen Heimat leben, desto geringer werden die Unterschiede zur angestammten Bevölkerung. Diese Erkenntnisse sind vor allem für klassische Einwanderungsländer wie die USA und Kanada gut belegt. Untersuchungen in Europa haben bisher zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt.

Ein Team um Mikko Myrskylä vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung untersucht nun mithilfe großer Datensätze aus Italien, Finnland und Schweden den healthy migrant effect systematisch für Europa. Die Forscher vermuten, dass sich der Effekt hier ebenfalls nachweisen lässt und dass er gleichermaßen mit der Zeit nachlässt. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage nach den Ursachen: Warum verschlechtert sich der Gesundheitszustand von Zugewanderten mit der Zeit?

Die Forscherinnen und Forscher haben die These aufgestellt, dass vor allem Ausgrenzung dafür verantwortlich ist. Denn Eingewanderte haben in vielerlei Hinsicht Nachteile: Sie können nicht so leicht soziale Kontakte knüpfen, weil sie die Sprache oft nur schlecht beherrschen. Sie arbeiten häufig in schlecht bezahlten und wenig angesehenen Berufen – teils wegen ihrer Sprachprobleme, teils weil ihre Abschlüsse nicht anerkannt werden. Auch im Gesundheitssystem ist die Sprachbarriere eine Hürde. Dazu kommt, dass ein gesunder Lebensstil bei Eingewanderten weniger verbreitet ist als bei Einheimischen, auch weil Gesundheitskampagnen sie weniger erreichen.

Wenn die Wissenschaftler nachweisen können, dass sozioökonomische Benachteiligung die Gesundheit der Zugewanderten beeinträchtigt, wäre das eine wichtige Erkenntnis für die Gesellschaft insgesamt. Bislang ist schwer nachvollziehbar, in welchem kausalen Zusammenhang soziale Ausgrenzung und Gesundheit stehen. Sind Menschen krank, weil sie ausgegrenzt sind? Oder sind sie ausgegrenzt, weil gute Bildungsabschlüsse und eine einträgliche Arbeit nur mit guter Konstitution zu erreichen sind? Sicher existieren beide Zusammenhänge. Da die Einwanderer ursprünglich überdurchschnittlich gesund waren, zeigt ihr Beispiel möglicherweise, welchen Einfluss soziale Ausgrenzung auf die Gesundheit haben kann.

 

Ansprechpartnerin
Silvia Leek
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock
+49 381 2081-143
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