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Neue Eintrittspforte für Influenza-Viren entdeckt

Influenza-Viren aus Fledermäusen nutzen einen gänzlich anderen Zugang in die Zelle als alle bisher bekannten Influenza-Typen / Im Labor auch menschliche Zellen infizierbar / Publikation in Nature

Forscherinnen und Forscher des Universitätsklinikums Freiburg und der Universität Zürich haben einen völlig neuen Infektionsweg von Influenzaviren entdeckt. Ein in Fledermäusen entdeckter Influenza-Typ infiziert menschliche und tierische Zellen, indem er an den Oberflächenkomplex MHC-II bindet und nicht, wie alle bisher bekannten Influenzaviren, an Sialinsäure. Da sich das Immunprotein MHC-II bei vielen Tierarten und dem Menschen sehr stark ähnelt, spielt die Entdeckung eine wichtige Rolle, um das Infektionsrisiko und Gefahrenpotenzial des Virustyps zu beurteilen. Auch zur evolutionären Entstehung von Influenzaviren liefert die Studie, die am 20. Februar 2019 im Fachmagazin Nature erschienen ist, neue Ansätze.

„Im Labor können die Fledermausviren die MHC-II-Komplexe von Mäusen, Schweinen, Hühnern oder dem Menschen für den Zelleintritt benutzen. Eine natürliche Übertragung dieser Influenzaviren von Fledermäusen auf andere Wirbeltiere und sogar den Menschen ist daher nicht ausgeschlossen“, sagt Prof. Dr. Martin Schwemmle, Studien- und Forschungsgruppenleiter am Institut für Virologie des Universitätsklinikums Freiburg.

Genexpressionsanalyse und Genscheren führen zum Erfolg
Mit einer Doppelstrategie und viel Aufwand gelang es den Freiburger und Züricher Forschern schließlich, den zellulären Faktor für den Virus-Eintritt in die Zelle ausfindig zu machen. Zum einen verglichen die Züricher Forscher um Prof. Dr. Silke Sterz vom Institut für Medizinische Virologie der Universität Zürich, welche Proteine in infizierbaren im Vergleich zu nicht-infizierbaren Zellen hergestellt werden. Bei dieser sogenannten Genexpressionsanalyse, in der die Menge der Proteine über mRNA-Kopien abgeschätzt wird, wies bereits viel auf den MHC-II-Komplex hin.

Zusätzlich zerschnitten die Freiburger Forscher in der Gruppe von Prof. Schwemmle in einzelnen tierischen Zellen mittels der Genschere CRISPR-Cas in unzähligen Experimenten jeweils eines von insgesamt 20.000 Genen. „Zellen, bei denen wir MHC-II ausgeschaltet haben, wurden gegen eine Infektion immun. Das war der Nachweis, dass das Virus mit Hilfe von MHC-II in die Zelle eindringt“, sagt der Virologe.

Mit dem Auftreten eines zweiten Infektionsmechanismus stellt sich für die Forscher auch die Frage, welcher Typ evolutionär älter ist. „Es ist durchaus möglich, dass der jetzt entdeckte Infektionsweg über MHC-II ursprünglich aus dem von uns bekannten Sialinsäure-Weg entstanden ist“, sagt Prof. Schwemmle.

Aus der Studie entstehen viele neue Forschungsfragen: Gibt es weitere Influenza-Viren, die den bis dato unbekannten Wirtszellrezeptor nutzen? Wie einfach können Influenza-Viren den Rezeptor wechseln und besteht die Möglichkeit, dass sich Influenza-Viren entwickeln, die über beide Rezeptoren Zielzellen infizieren? „Das sind alles Fragen, die wir jetzt erforschen wollen. Denn offensichtlich sind Influenzaviren deutlich vielseitiger als bisher gedacht“, sagt der Virologe Prof. Schwemmle.

Originaltitel der Publikation: MHC class II proteins are cross-species entry receptors for bat influenza viruses

DOI: 10.1038/s41586-019-0955-3
Link zur Studie: https://www.nature.com/articles/s41586-019-0955-3