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Wie Kalzium das Herz im Rhythmus hält

Neuer Ansatz bei lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen: Göttinger Herzforscher mit neuen Erkenntnissen über den Zusammenhang von Herzschwäche, gefährlichen Herzrhythmusstörungen und einer gestörten Kalziumversorgung im Herzen. Veröffentlichung im renommierten Journal „Science Translational Medicine“.

(umg) Im Verlauf einer Herzschwäche verändert sich der Kalziumhaushalt im Herzen. Ursache ist ein Leck eines zellinternen Kalziumspeichers, des sogenannten sarkoplasmatischen Retikulums (SR) über dem kardialen Ryanodin-Rezeptor (RyR2). Dabei verliert das SR während der Füllungsphase des Herzens (Diastole) vermehrt Kalzium. Welche Bedeutung das SR-Leck für den Fortgang der Erkrankung und das Auftreten von gefährlichen Rhythmusstörungen hat, war bislang nicht geklärt.

Herzforscher der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben untersucht, wie sich eine Behandlung des SR-Lecks auf eine Herzschwäche sowie auf Herzrhythmusstörungen auswirkt. Die Arbeitsgruppe „Kardiales Remodeling“ unter der Leitung von Prof. Dr. Karl Toischer, Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG, konnte im Tiermodell zeigen: Die dauerhafte Verabreichung des spezifischen RyR2-Stabilisators S36 mindert den Kalziumverlust in den Herzzellen und bewirkt damit einen Rückgang von Herzrhythmusstörungen. „S36 könnte somit als anti-arrhythmisches Medikament von klinischem Nutzen sein und das Überleben deutlich verbessern“, sagt Professor Toischer.

Die Forschungsarbeit der Göttinger wurde bereits im Jahr 2016 mit dem August Wilhelm und Lieselotte Becht-Forschungspreis ausgezeichnet. Dieser wird an Nachwuchswissenschaftler aus dem Gebiet der Herz-Kreislaufforschung verliehen, deren Forschungsprojekt abgeschlossen, aber noch unveröffentlicht ist. Die Ergebnisse dieser prämierten Arbeit wurden im Wissenschaftsjournal „Science Translational Medicine“ publiziert.

Originalveröffentlichung: Belal A. Mohamed, Nico Hartmann, Petros Tirilomis, Karolina Sekeres, Wener Li, Stefan Neef, Claudia Richter, Elisabeth M. Zeisberg, Lars Kattner, Michael Didié, Kaomei Guan, Jan D. Schmitto, Stephan E. Lehnart, Stefan Luther, Niels Voigt, Tim Seidler, Samuel Sossalla, Gerd Hasenfuss, Karl Toischer: Sarcoplasmic reticulum calcium leak contributes to arrhythmia but not to heart failure progression. ISSN: 1946-6242, published September 12, 2018.
DOI: 10.1126/scitranslmed.aan0724

FORSCHUNGSERGEBNISSE

Im Herzen kontrolliert Kalzium die Kontraktion, beeinflusst die elektrischen Ströme und steht damit in direkter Verbindung zum Herzrhythmus. Daher nahmen die Göttinger Herzforscher an, dass das Kalziumleck im SR nicht nur das Fortschreiten der Herzschwäche begünstigen, sondern auch an der Entstehung von Rhythmusstörungen beteiligt sein könnte. Im Tierexperiment zeigte sich, dass ein Abdichten des Kalziumlecks durch Gabe des neuen und sehr spezifischen Wirkstoffes S36 das Überleben bei Herzschwäche verbesserte. Anders, als bisher angenommen, war dafür aber nicht die verlangsamte Entwicklung der Herzschwäche verantwortlich, da sich die Herzfunktion nicht verbesserte. Sogar eine Vergrößerung des SR-Lecks beeinflusste den Fortgang der Herzschwäche nicht. Vielmehr stellte sich heraus, dass eine Verringerung der lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen die Ursache des verbesserten Überlebens ist. In zukünftigen Studien soll getestet werden, ob sich S36 gezielt als Medikament zur Therapie von Rhythmusstörungen eignet.

„Zum ersten Mal konnte gezeigt werden, dass die Undichtigkeit des sarkoplasmatischen Retikulums zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führt. Dabei konnte gleichzeitig eine neue Medikamentengruppe für die Behandlung von Undichtigkeit und Rhythymusstörungen identifiziert werden. Die publizierten Ergebnisse sind somit eine exzellente Basis für die Entwicklung neuer Therapieansätze für die Behandlung von Rhythmusstörungen“, sagt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie und Vorsitzender des Herzzentrums der UMG.

HERZSCHWÄCHE

Allein in Deutschland haben zwischen zwei bis drei Millionen Menschen eine Herzschwäche, mehr als 386.000 herzinsuffiziente Patienten werden jährlich in eine Klinik eingewiesen. Wird die Erkrankung nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, versterben die Patienten in den meisten Fällen am Versagen der mechanischen Funktion des Herzens oder an starken Herzrhythmusstörungen, die schließlich zum Herzstillstand führen. Für ein besseres Verständnis der Erkrankung ist daher die Erforschung der grundlegenden Prozesse des Herzens von zentraler Bedeutung.