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Was hält immigrierte Menschen trotz Widrigkeiten psychisch gesund?

Mainzer Psychosomatikerin analysiert weltweite Daten zu Migration, Mobilität und mentaler Gesundheit – Förderung durch die DFG

Dr. Ana Nanette Tibubos, Psychologin an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz, erhält von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eine dreijährige Forschungsförderung. Inhalt der mit insgesamt rund 550.000 Euro geförderten Studie ist die Analyse weltweiter Daten zu den Zusammenhängen von Migration und psychischer Gesundheit. Die gewonnenen wissenschaftlichen Ergebnisse sollen weltweit Public Health Initiativen dabei unterstützen, effektive Präventionsarbeit zu leisten sowie adäquate und effizientere Therapiemaßnahmen für immigrierte Menschen anbieten zu können. Das Projekt erfolgt in Zusammenarbeit mit Dr. Hannes Kröger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

In Deutschland und anderen klassischen Einwanderungsländern hat gut jede fünfte Person einen Migrationshintergrund. Wie es um die seelische Gesundheit dieser Bevölkerungsgruppen steht, ob und warum sie sich ändert und vor allem inwieweit Mobilität, Migration und mentale Gesundheit zusammenhängen, das will Dr. Ana Nanette Tibubos herausfinden und so bestehende Forschungslücken schließen. Die zentralen Forschungsfragen ihrer Studie „Dynamics of Mental Health of Migrants (DMHM) – Analyzing dynamics of resilience and vulnerabilities using a synthesis of socio-structural and psychological approaches” lauten: Inwiefern beeinflussen individuelle Merkmale, wie beispielsweise Persönlichkeitseigenschaften und kulturelle Prägung, die Entwicklung der psychischen Gesundheit bei Migrantinnen und Migranten? Welche psychologischen und sozio-strukturellen Faktoren können als stärkende Ressourcen beziehungsweise als Risikofaktoren gewertet werden? Wie hat sich die psychische Gesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, Großbritannien, USA und Australien entwickelt? Lassen sich im Vergleich von klassischen Zuwanderungsländern beziehungsweise Ländern mit kolonialer Vergangenheit und Ländern mit arbeitsbedingter Migration systematische Unterschiede herausfinden, die im Zusammenhang stehen mit der Migrationshistorie und dem Gesundheitssystem des jeweiligen Landes?

Für ihre von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Forschungsarbeit hat Dr. Tibubos einen methodisch komplexen, interdisziplinären und innovativen Ansatz gewählt. Um das Zusammenspiel von Migrationsprozessen und psychischer Gesundheit zu erforschen, führt sie internationale Daten aus vier Ländern zusammen. Konkret wird sie repräsentative Längsschnittdaten von über 83.000 Menschen, davon mehr als 25.000 mit Migrationshintergrund,  aus vier Kohortenstudien aus Deutschland, USA, Großbritannien und Australien auswerten. Um besser erkennen und erklären zu können, wie sich psychische Gesundheit nach erfolgter Immigration entwickeln kann, arbeitet sie ressourcen- und nicht defizitorientiert. Deshalb untersucht sie in ihrer Analyse auch familiäre Beziehungen, Persönlichkeitsmerkmale und sozio-ökonomische Variablen hinsichtlich ihrer spezifischen Rollen als Stressoren und Resilienzfaktoren. Denn insbesondere bei psychischen Erkrankungen zählen sowohl biologische Komponenten als auch die psychosoziale Prägung, also die Kultur und das gesellschaftliche Umfeld, in dem ein Mensch aufgewachsen ist, und der individuelle Lebensstil zu den wichtigen Krankheits- und Resilienzfaktoren.

Ziel der Studie ist es, zu erforschen, was Menschen psychisch gesund, also resilient hält, obwohl sie im Zusammenhang mit ihrer Immigration in ein neues Land Widrigkeiten erlebt haben. Die erzielten Ergebnisse sollen weltweit sogenannte Public Health-Initiativen unterstützen. Diese widmen sich den Zusammenhängen zwischen Gesundheit und Krankheit in der Bevölkerung einerseits und den vielen Faktoren, die darauf Einfluss nehmen, andererseits. In diesem Zusammenhang sollen die Mainzer Studienergebnisse helfen, effektive Präventionsarbeit zu leisten sowie adäquate, kultursensible und effizientere Therapiemaßnahmen für immigrierte Menschen anbieten zu können. Zudem könnten sie zur Verbesserung von Versorgungsstrukturen und für eine individualisierte Medizin, die die Besonderheiten eines jeden Menschen und seiner ursprünglichen Landeskultur bei ihrer Behandlung berücksichtigt, genutzt werden, beispielsweise mittels partizipativer Entscheidungsfindung. Zudem sollen die Projektergebnisse als Grundlage dafür dienen, theoretische Modelle weiterzuentwickeln, die den Zusammenhang von Gesundheit und kulturelle Angleichung an eine fremde Gesellschaft, sogenannte Akkulturationsprozesse, abbilden. Des Weiteren sollen die Erkenntnisse für die empirische Analyse und praktische Hilfe im Bereich Migration und psychische Gesundheit nutzbar sein.