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Vestibuläre Migräne: Wie ‚normale‘ Migräne plus Schwindel vor, während und auch mal zwischen Attacken

Original Titel:
The Spectrum of Vestibular Migraine: Clinical Features, Triggers, and Examination Findings.

DGP – US-amerikanische Migräneexperten ermittelten und berichteten detailliert, welche Patienten unter einer vestibulären Migräne leiden und welche Symptome häufig sind. Demnach kann die Schwindelmigräne eine Entwicklungsform der bereits bestehenden, ‚normalen‘ Migräne bei Frauen in den Vierzigern darstellen. Veränderungen in der Migräne wie Schwindelanfälle sollte man allerdings trotzdem abklären lassen, um mögliche andere Erkrankungen auszuschließen.


Migränepatienten kennen häufig die vestibuläre Migräne mehr als Spezialbereich – aus Diskussionsforen kennt man Betroffene mit extremen Schwindelsymptomen, eventuell hört man aus dem Bekanntenkreis von Schwindelerkrankten mit unklarer Diagnose. Aber was ist eine vestibuläre Migräne tatsächlich? Grundlegend bezeichnet man damit eine Migräne, deren direkt vorangehendes Symptom Schwindel ist. Der Schwindel tritt also als Element eines Anfalls auf, muss allerdings nicht mit beginnendem Kopfschmerz verschwinden, sondern kann den gesamten Anfall über andauern. Wie bei allen Migräneerkrankungen kann natürlich auch mal der Kopfschmerz fehlen, dafür sind aber typischerweise sonstige Migränesymptome spürbar.

Blick auf die typischen Betroffenen: Wen betrifft eine vestibuläre Migräne?

US-amerikanische Migräneexperten ermittelten und berichteten nun detailliert, welche Patienten unter einer vestibulären Migräne leiden und was diese typischerweise außerdem belastet. Dazu überprüften sie rückblickend die medizinischen Daten von 491 Patienten, die zwischen 2014 und 2018 in einem neurologischen Zentrum wegen Schwindelanfällen untersucht wurden. Aus diesen Patientendaten wurden diejenigen herausgefiltert, die die Kriterien für vestibuläre Migräne erfüllten.

Die Forscher identifiziert 131 Patienten, darunter 105 Frauen, bei denen eine vestibuläre Migräne diagnostizierbar war. Im Mittel begann diese Form der Migräne im Alter von 44 Jahren (± 13,7 Jahren). Die meisten litten allerdings schon zuvor unter Migräne (57,3 %) und Bewegungskrankheit (61,1 %), auch bekannt als Reiseübelkeit. Die Hälfte der Betroffenen (50,8 %) hatte auch Verwandte mit Migräne, jeder Dritte auch mit episodischen Schwindelsymptomen (28,1 %).

Häufig: bisherige Migräneerkrankung und Bewegungskrankheit

Wie sahen die Migräneanfälle dieser Patienten nun typischerweise aus? Häufig gab es entweder beispielsweise durch Sehreize (z. B. Flickern oder Streifenmuster) oder durch Kopfbewegung ausgelösten oder spontanen Schwindel, der von Lichtempfindlichkeit und Geräuschempfindlichkeit begleitet wurde (118/131 Patienten, 90,1 %). Auch Übelkeit betraf die Mehrzahl (105/131 Patienten, 80,2 %), ebenso Symptome in den Ohren (z. B. Rauschen oder Tinnitus, 79/131 Patienten, 60,3 %). Kopfschmerz trat bei der Hälfte der Betroffenen auf (65/131 Patienten, 49,6 %). Zwischen den Attacken, in der sogenannten interiktalen Phase, erlebte die Mehrzahl der Patienten visuell (116/131 Patienten, 88,6 %) oder auch durch Kopfbewegungen (86/131 Patienten, 65,6 %) ausgelösten Schwindel. Immerhin die Hälfte der Patienten erlebte auch durchgehende Schwindelphasen (67/131 Patienten, 51,1 %).

Wenig verwunderlich: die Betroffenen litten auch häufig unter Ängsten (92/131 Patienten, 70,2 %), Depression (53/131 Patienten, 40,5 %) und Schlafproblemen (38/131 Patienten, 29,0 %). Bei etwa jedem 10. Patienten traten Phobien (11,5 %) und psychogene Störungen auf (8,4 %). Psychogene Störungen können beispielsweise stressbedingte Rücken- oder Kopfschmerzen sein.

Welche Auslöser für Anfälle gab es besonders häufig? Häufige Trigger waren Stress (52/131 Patienten, 39,7 %), grelles Licht (35/131 Patienten, 267 %), Wetterwechsel (34/131 Patienten, 26,0 %) und Schlafmangel (34/131 Patienten, 26,0 %).

Wie ‚normale‘ Migräne plus Schwindel vor, während und auch mal zwischen Attacken

In den neurologischen Untersuchungen zeigten sich Auffälligkeiten zwischen den Anfällen (interiktal) bei 56 von 131 Patienten (42,7 %). Auch der Gleichgewichtssinn zeigte bei einem Teil der Patienten Veränderungen: mit zusammenstehenden Füßen (Romberg-Test) oder mit direkt voreinander gesetzten Füßen (verschärfter Romberg-Test) stehend mit geschlossenen Augen (oft auch mit waagerecht vorgehaltenen Armen durchgeführt) schwankten 22 von 130 getesteten Patienten (16,9 %) oder standen nicht sicher.

Die Forscher konnten damit ein Bild typischer Betroffener mit vestibulärer Migräne zeichnen, das vielen ‚normalen‘ Migränebetroffenen gar nicht unähnlich sieht. Betroffen waren oft Frauen in ihren Vierzigern, mit eigener oder familiärer Migränehistorie und häufig Bewegungskrankheit. Die Anfälle selbst zeichneten sich durch einen Beginn mit Schwindel, spontan oder getriggert, aus, folgten dann aber den typischen Migräneverlauf mit Licht- und Geräuschempfindlichkeit, Übelkeit, Kopfschmerz und oft auch Symptomen im Gehör. Zudem waren zwischen den Anfällen psychiatrische Begleiterkrankungen und Auffälligkeiten im Gleichgewichtssinn möglich.

Vestibuläre Migräne: eine mögliche Steigerung der klassischen Migräne

Die vestibuläre Migräne kann also eine Entwicklungsform der bereits bestehenden, ‚normalen‘ Migräne darstellen. Entsprechend kann eine Diagnose bei plötzlichen Schwindelattacken vielleicht leichter, mit gezielten Tests gestellt werden. Veränderungen in der Migräne sollte man nämlich nicht einfach hinnehmen, sondern abklären lassen – plötzlich auftretender Schwindel könnte auch ein Symptom für andere Erkrankungen sein, die leider auch zusätzlich zu einer Migräne auftreten könnten.

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