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Langsame Wirkung oder Entzugseffekt bei Nahrungsergänzung? Verbesserung von Bipolarer Depression mit N-Acetylcystein (NAC) nur mit Co-Faktoren und erst nach Behandlungsende

Original Titel:
A randomised controlled trial of a mitochondrial therapeutic target for bipolar depression: mitochondrial agents, N-acetylcysteine, and placebo

DGP – Eine neue Studie zu Nahrungsergänzungen zur Behandlung Bipolarer Depression war sehr ernüchternd. Die Nahrungsergänzung mit N-Acetylcystein musste demnach für einen Effekt mit weiteren Co-Faktoren für die Mitochondrientätigkeit kombiniert werden. Auch dann traten Verbesserungen aber erst nach Beendigung der Behandlung auf. Ob dies einer sehr langsamen Wirksamkeit oder sogar dem Entzug der Behandlung zuzusprechen ist, wird in weiteren Studien ermittelt werden müssen.


Welche Probleme im Körper einer Bipolaren Depression zugrunde liegen, ist bisher nicht gut verstanden: neben entzündlichen Prozessen und Botenstoffmangel wird auch eine Deregulierung des Energieverbrauchs und der Bereitstellung von Energie durch die Mitochondrien, der Kraftwerke unserer Zellen, diskutiert. In Phasen der übertakteten Aktivität würden die Mitochondrien demnach sehr viel Energie bereitstellen und so die manischen Phasen versorgen. In Phasen der Depression wäre stattdessen die unzureichende Aktivität der Mitochondrien und so ein Energiemangel zu spüren. Forscher testeten nun, ob Nahrungsergänzungen, die die Arbeit der Mitochondrien unterstützen könnten, zur Besserung depressiver Symptome bei der Bipolaren Störung beitragen. Dabei untersuchten sie N-Acetylcystein (NAC) und NAC mit einer Kombination verschiedener Nahrungsergänzungen, die die Aktivität der Mitochondrien unterstützen können. NAC ist ein Schleimlöser und wirkt entzündungshemmend und antioxidativ – bekannt ist es daher vor allem als Bestandteil von Hustenlösern. Mögliche Effekte bei psychischen Erkrankungen wurden allerdings ebenfalls berichtet und untersucht – mit widersprüchlichen Ergebnissen. Der Hintergrund der NAC-Idee stammt aus der Erkenntnis, dass ein Mangel an Glutathion, einem wichtigen Antioxidans im Gehirn, bei verschiedenen Erkrankungen des Gehirns auftritt (Reviewartikel von Gu und Kollegen, 2015 im Current Opinion in Clinical Nutrition and Metabolic Care erschienen). Dadurch entsteht vermutlich ein Ungleichgewicht, das der veränderten Aktivität der Mitochondrien und den Erkrankungssymptomen vorausgeht. Der Körper kann aus NAC Glutathion herstellen und damit womöglich der Erkrankung entgegenwirken.

Aus N-Acetylcystein (NAC) wird im Körper Glutathion – hilft das bei der Bipolaren Störung?

In einer dreiarmigen Studie über 16 Wochen erhielten Patienten entweder eine Nahrungsergänzung mit NAC allein, NAC kombiniert (NAC+) mit weiteren Nahrungsergänzungsmitteln oder ein Placebo. Diese Behandlung fand ergänzend zur normalen Behandlung statt. Weder den Teilnehmern noch den behandelnden Ärzten war bekannt, welches der Präparate jeweils eingenommen wurden. Die depressiven Symptome wurden mit Hilfe der Montgomery-Åsberg Depressionsbewertungs-Skala (MADRS) ermittelt. Mit Hilfe der Young-Maniebewertungs-Skala, klinischem Gesamteindruck bzw. der Verbesserung aus Perspektive des Arztes sowie Fragebögen zu sozialer und beruflicher Funktionalität und Lebensqualität wurden zusätzliche typische Symptome eingeschätzt.

Vier Monate lange Behandlung mit Nahrungsergänzung oder Placebo

181 Patienten mit der Bipolaren Störung in einer akuten depressiven Phase nahmen an der Studie teil. 59 Patienten erhielten täglich 2000 mg NAC, 61 Patienten nahmen 2000 mg NAC plus weitere Nahrungsergänzungen ein und 61 Patienten erhielten die Scheinbehandlung. Abschließende Daten konnten von 148 Patienten erhoben werden (52 NAC, 47 NAC+, 49 Placebo).

Zwischen den Behandlungsgruppen konnten keine Unterschiede bis zur Woche 16 gefunden werden. Im Vergleich zum Messzeitpunkt vor Behandlungsbeginn verbesserten sich allerdings die depressiven Symptome (MADRS) und weitere Symptome nach 20 Wochen, also vier Wochen nach Beendigung der Behandlung. Dieser Effekt war allerdings nur in der NAC+-Gruppe zu sehen, die zusätzlich zu NAC auch weitere Nahrungsergänzungen erhielt. Zu diesem Zeitpunkt war auch der Gesamteindruck aus Sicht des behandelnden Arztes in der NAC+-Gruppe verbessert im Vergleich zu der Gruppe, die nur das Placebo erhalten hatte. Die Behandlungsgruppe, die nur NAC erhielt, war dagegen nur in einem Punkt auffällig: es traten mehr Symptome im Verdauungstrakt auf als in der Placebogruppe.

Ernüchternd: Wirksamkeit nur kombiniert mit weiteren Substanzen und erst nach Ende der Behandlung

Insgesamt war damit diese Studie zu Nahrungsergänzungen sehr ernüchternd. In der eigentlichen Behandlungsphase waren keine positiven Effekte der Therapie bemerkbar. Erst nach Beendigung der Behandlung traten Verbesserungen in einer der Gruppen auf. Die Nahrungsergänzung mit N-Acetylcystein musste demnach für einen Effekt mit weiteren Co-Faktoren für die Mitochondrientätigkeit kombiniert werden. Ob die schließlich verzögert auftretende Wirkung dann aber einer sehr langsamen Wirksamkeit oder sogar dem Entzug der Behandlung zuzusprechen ist, wird in weiteren Studien ermittelt werden müssen.

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