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Chronische Darmentzündung zu Zeiten der Coronavirus-Pandemie: Empfehlungen aus China

Original Titel:
Implications of COVID-19 for patients with pre-existing digestive diseases

DGP – Was müssen Patienten mit einer chronischen Darmentzündung zu Zeiten der Coronavirus-Pandemie beachten? Diese Frage stellen sich derzeit viele Betroffene – sowohl die Patienten als auch die behandelnden Ärzte. Wissenschaftler aus China geben in der vorliegenden Veröffentlichung Empfehlungen.


Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 wird in der Regel durch einen Abstrich der Atemwege nachgewiesen. Doch auch im Stuhl konnte die RNA des Virus bereits nachgewiesen werden. Damit richtet sich der Blick nicht nur auf die Lunge, sondern auch in Richtung Darm und auf Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung. Da Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa häufig Immunsuppressiva oder Biologika erhalten – also Wirkstoffe, die das Immunsystem herunterregulieren – besteht der Verdacht, dass sie anfälliger für eine Infektion mit SARS-CoV-2 sein könnten.

Große CED-Zentren meldeten keine Corona-Fälle bei Patienten mit chronischer Darmentzündung

Wissenschaftler aus China berichteten, dass von der IBD Elite Union, die die sieben größten IBD-Überweisungszentren in China mit mehr als 20 000 Patienten mit chronischer Darmentzündung umfasst, bisher kein Corona-Fall bei den Patienten mit chronischer Darmentzündung erfasst wurde. Ebenso wurden bis zum Erstellen des Manuskripts (08.03.2020) auch von den drei größten CED-Zentren in Wuhan (Tongji Hospital, Union Hospital und Zhongnan Hospital) keine infizierten Patienten mit einer chronischen Darmentzündung gemeldet.

Empfehlungen der chinesischen CED-Gesellschaft für die Behandlung von chronischen Darmentzündungen in Zeiten der Coronavirus-Pandemie

Anfang Februar 2020 gab die chinesische CED-Gesellschaft offizielle Richtlinien für die Behandlung von Patienten mit chronischer Darmerkrankung in Zeiten der Coronavirus-Pandemie heraus. Die Richtlinien enthalten u. a. praktische Empfehlungen zur Anwendung von Immunsuppressiva und Biologika und zur Verschiebung planbarer Operationen und Endoskopien. Wichtige Empfehlungen sind im Folgenden aufgeführt:

 

Potentielle Risikofaktoren für eine Infektion mit dem neuen Coronavirus:
  • Patienten mit chronischer Darmentzündung, die Immunsuppressiva bekommen
  • Patienten im Schub mit Mangelernährung
  • Ältere Patienten mit chronischer Darmentzündung
  • Patienten mit chronischer Darmentzündung, die häufig die Klinik aufsuchen müssen
  • Patienten mit chronischer Darmentzündung, die noch an weiteren Erkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck erkrankt sind
  • Schwangere Patienten mit chronischer Darmentzündung

 

Medikamentöse Behandlung:
  • Derzeitige Behandlung sollte beibehalten werden, wenn die Erkrankung stabil ist. Bei einem Krankheitsschub sollte der Arzt kontaktiert werden.
  • Die Behandlung mit Mesalazin sollte fortgeführt werden, da nicht davon ausgegangen wird, dass diese das Infektionsrisiko erhöht.
  • Kortikosteroide sollten weiterhin verwendet werden, aber es sollte verstärkt auf mögliche Nebenwirkungen geachtet werden.
  • Eine neue Verschreibung von Immunsuppressiva oder eine Dosiserhöhung der bereits verwendeten Immunsuppressiva wird in epidemischen Gebieten nicht empfohlen.
  • Biologika wie TNF-Hemmer Infliximab und Adalimumab sollten weiterhin angewandt werden.
  • Wenn Infliximab-Infusionen nicht zugänglich sind, wird empfohlen, auf Adalimumab-Injektionen zu Hause umzusteigen.
  • Vedolizumab kann aufgrund seiner Darmspezifität weiterhin angewandt werden.
  • Die Behandlung mit Ustekinumab kann fortgeführt werden. Mit Ustekinumab neu zu beginnen, wird hingegen nicht empfohlen, da hier der Besuch eines Infusionszentrums nötig ist.
  • Wenn Biologika nicht zugänglich sind, könnte auf enterale Ernährung zurückgegriffen werden.
  • Tofacitinib sollte in epidemischen Gebieten nicht neu verschrieben werden, es sei denn, es gibt keine Alternative.

 

Operationen und Endoskopien:
  • Planbare Operationen und Endoskopien sollten verschoben werden.
  • Vor einer dringlichen Operation sollten die Patienten auf COVID-19 getestet werden (vollständiges Blutbild, IgM oder IgG, Nukleinsäure-Nachweis und Brust-CT).

 

Patienten mit chronischer Darmentzündung und Fieber (das häufigste Symptom von COVID-19):
  • Wenn die Temperatur über 38 °C steigt, sollte beim behandelnden Arzt erfragt werden, ob eine Fieberambulanz mit persönlichen Schutzbestimmungen besucht werden kann.
  • Die Immunsuppressiva sollten nur nach ärztlichem Rat hin abgesetzt werden. Weiterhin sollten die Handlungsanweisungen für Personen mit COVID-19-Verdacht befolgt werden, wenn eine Infektion mit dem neuen Coronavirus nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Wichtig ist bei allen Empfehlungen, dass die Medikamente nicht eigenmächtig abgesetzt werden. Das könnte zu einem Krankheitsschub führen, der den Körper des Patienten schwächt. Falls es zu einem Krankheitsschub kommt, der einen Krankenhausaufenthalt notwendig macht, stehen der Patient und das Gesundheitssystem aus Kapazitätsgründen außerdem vor weiteren Problemen.

 

Die hier aufgeführten Empfehlungen kommen aus China – das Land, dass bei der Erstellung dieser Analyse am stärksten mit dem Virus zu kämpfen hatte. Doch auch die Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV e.V.) beantwortet auf ihrer Internetseite wichtige Fragen zu dem Coronavirus, die Patienten mit chronischer Darmentzündung betreffen (https://www.dccv.de/betroffene-angehoerige/leben-mit-einer-ced/infektionskrankheitenimpfen/coronavirus/).

 

Wie genau sich Darmerkrankungen auf den Krankheitsverlauf von COVID-19 auswirken, ist derzeit noch nicht bekannt. Um dies herauszufinden, sind noch weitere Daten und Analysen nötig.

[DOI 10.1016/S2468-1253(20)30076-5 ]

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