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Der Venusfliegenfallen-Effekt: Neue Studie zeigt Fortschritte der Forschung an Immunproteinen

Fragmente von Viren und Tumoren können Abwehrproteine des Immunsystems dazu bringen, wie eine Venusfliegenfalle zuzuschnappen. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die Professor Sebastian Springer, Biochemiker an der Jacobs University Bremen, gemeinsam mit einem interdisziplinären Kollegenteam durchgeführt hat. Sie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Immer wieder wird die Menschheit von Virusepidemien heimgesucht. Viren können in Körperzellen eindringen und sich in ihnen vermehren, wobei sie die infizierten Zellen oft abtöten und dadurch Krankheiten verursachen. Der Erfolg der Immunantwort gegen Viren hängt, ebenso wie der Erfolg einer Impfung gegen sie, von der Wirkung einer Gruppe von Abwehrproteinen ab, die als MHC-Klasse-I-Proteine bezeichnet werden. Diese binden kleine Fragmente (Peptide genannt) von Virusproteinen und halten sie an der Oberfläche der Zelle fest, so dass die sogenannten T-Killerzellen des Immunsystems die Peptide überprüfen und gegebenenfalls die virusinfizierten Zellen töten können.

Seit vielen Jahren fragen sich Forscher, wie die sogenannte Peptid-Bindungsgrube im Inneren der MHC-Klasse-I-Proteine sich so gut der Form der verschiedenen Peptide anpasst. Eine perfekte Passform ist unerlässlich für eine feste Bindung, und deshalb ist es für Wissenschaftler, die die Art der Immunantwort gegen Viren untersuchen und neue Impfstoffe entwickeln möchten, wichtig zu verstehen, wie diese hervorragende Passung zwischen Bindungsgrube und Peptid zustande kommt. „Das Problem war“, erklärt Springer, „dass niemand wusste, wie die leere Bindungsgrube ohne Peptid aussah und deshalb war auch unklar, welche Veränderungen geschehen, wenn das Peptid darin gebunden wird. Es war also notwendig, die Struktur der leeren Peptid-Bindungsgrube zu ermitteln.“

Doch das war viel einfacher gesagt als getan. Denn ohne das Peptid sind die MHC-Klasse-I-Proteine empfindlich und instabil, sie kleben zusammen und sind sehr schwierig zu untersuchen. Also entschied sich Springer gemeinsam mit seinem Kollegen, dem Bioinformatiker Professor Martin Zacharias von der Technischen Universität München, ein bestimmtes MHC-Klasse-I-Protein namens HLA-A*02:01 mit einer chemischen Querverbindung, einer sogenannten Disulfidbindung, zu stabilisieren.

„Es war schwierig herauszufinden“, so Springer, „wo genau im Protein die Disulfidbindung eingeführt werden sollte. Aber mit Hilfe von Computersimulationen haben wir schließlich die richtige Stelle gefunden und konnten so zum ersten Mal überhaupt ein leeres MHC-Klasse-I-Protein synthetisieren.“ Springer wandte sich daraufhin an zwei weitere Kollegen, die Strukturbiologen Dr. Rob Meijers und Dr. Maria Garcia-Alai vom Protein-Kristallisationsdienst am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie in Hamburg, und bat um ihre Hilfe bei der Aufklärung der Proteinstruktur mittels Röntgenkristallographie. Nach etwa zwei Jahren Arbeit waren Meijers und sein Team erfolgreich.

„Wir sind Dr. Meijers so dankbar, weil uns seine Ergebnisse auf einen Blick gezeigt haben, was passiert, wenn das Peptid bindet“, erinnert sich Springer an den Moment, als er die Daten zum ersten Mal sah. Die Peptid-Bindungsgrube ist eine lange schmale Spalte. Wenn das Peptid nun bindet, berührt es eine ganz bestimmte Stelle in der Bindungsgrube, die F-Tasche, was dazu führt, dass ein großer Teil der gesamten Bindungsgrube seine Form ändert. „Es ist fast so, als würde man einer Venusfliegenfalle beim Fangen einer Fliege zusehen – die Fliege berührt eines dieser winzigen Härchen im Inneren und das gesamte Blatt schnappt zu“, beschreibt der Wissenschaftler den Effekt.

Springer geht davon aus, dass das neue Verständnis dieser Formänderung Forschern künftig erlauben wird, den Vorgang und die Art der Peptidbindung und damit die Immunreaktion gegen Viren zu manipulieren. „Da viele unterschiedliche Arten von MHC-Klasse-I-Proteinen existieren – etwa zehntausend verschiedene in der menschlichen Bevölkerung – gibt es für uns in Zukunft viel zu tun.“

Über die Jacobs University Bremen:
In einer internationalen Gemeinschaft studieren. Sich für verantwortungsvolle Aufgaben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft qualifizieren. Über Fächer- und Ländergrenzen hinweg lernen, forschen und lehren. Mit innovativen Lösungen und Weiterbildungsprogrammen Menschen und Märkte stärken. Für all das steht die Jacobs University Bremen. 2001 als private, englischsprachige Campus-Universität gegründet, erzielt sie immer wieder Spitzenergebnisse in nationalen und internationalen Hochschulrankings. Ihre mehr als 1.500 Studierenden stammen aus mehr als 120 Ländern, rund 80 Prozent sind für ihr Studium nach Deutschland gezogen. Forschungsprojekte der Jacobs University werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder aus dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union ebenso gefördert wie von global führenden Unternehmen.
Für weitere Informationen: www.jacobs-university.de

Originalpublikation:

Link zum Paper:
https://www.nature.com/articles/s41467-020-14862-4