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Retrospektive Analyse: Macht es einen Unterschied, ob MS schon früh hochwirksam behandelt wird?

Original Titel:
Timing of high-efficacy therapy for multiple sclerosis: a retrospective observational cohort study

DGP – Macht es einen Unterschied, ob eine Multiple Sklerose (MS) bereits früh nach Krankheitsbeginn mit hochwirksamen Medikamenten behandelt wird? Dies untersuchten Forscher in einer retrospektiven Analyse von Behandlungsdaten. Im Vergleich von Patienten, die innerhalb von zwei Jahren nach Krankheitsbeginn derart behandelt wurden, und Patienten, deren hochwirksame Therapie nach 4-6 Jahren begann, zeigte sich ein Unterschied im Behinderungsgrad (EDSS). 


Hoch-wirksame Therapien der Multiplen Sklerose werden bislang typischerweise dann eingesetzt, wenn Erstlinienbehandlungen mit krankheitsmodifizierenden Wirkstoffen erfolglos waren. Sollten diese neueren Therapien aber vielleicht früher genutzt werden? Dies fragten die Autoren einer internationalen, retrospektiven Beobachtungsstudie und analysierten, wie wirksam früh eingesetzte hochwirksame Therapien langfristige Behinderungen und Beeinträchtigungen reduzieren könnte. Dazu vergleichen sie Patienten, die innerhalb von zwei Jahren an Erkrankungsbeginn mit hochwirksamen Medikamenten behandelt wurden, mit solchen Patienten, die 4–6 Jahre nach Beginn der MS diese Therapien beginnen konnten.

Macht es einen Unterschied, ob MS schon früh hochwirksam behandelt wird?

Die Daten wurden zum Teil aus dem schwedischen MS-Register gewonnen. Darin wurden Patientendaten zur MS-spezifischen Routinebehandlung ab Diagnose der MS gesammelt. Analysiert wurden erwachsene Patienten mit rückfälliger-remittierender MS (RRMS), die mindestens seit 6 Jahren nach Krankheitsbeginn behandelt und beobachtet wurden. Die Patienten waren alle in einer hoch-wirksamen Therapie (in diesem Fall entweder Ocrelizumab, Mitoxantron, Alemtuzumab oder Natalizumab), und dies entweder seit 0–2 Jahren (früh) nach Krankheitsbeginn oder seit 4–6 Jahren (spät) nach Krankheitsbeginn. Die Patienten in den Früh- und Spät-Behandlungsgruppen wurden nach verschiedenen Kriterien einander zugeordnet, so dass sie in grundlegenden klinischen und demographischen Faktoren (z. B. Alter und Geschlecht) einander ähnlich waren. Verglichen wurde vor allem der Behinderungsgrad, der mit dem EDSS-Wert (expanded disability status score) ermittelt wurde. Diese Skala von 0–10 deutet mit höheren Werten auf einen größeren Behinderungsgrad. Diese Behandlungsergebnisse bzw. der Krankheitsverlauf wurden nach 6–10 Jahren nach Krankheitsbeginn verglichen.

Rückblickende Analyse von Behandlungsdaten zweier MS-Register

Es konnten im internationalen Register 6149 Patienten identifiziert werden, die eine der hochwirksamen Therapien erhalten hatten. Die Daten wurden zwischen 1975 und 2017 erhoben. Im schwedischen Register wurden 2626 Patienten identifiziert, deren Daten zwischen 1997 und Ende 2019 dokumentiert wurden. Von diesen waren international 308 Patienten für diese Analyse geeignet, aus dem schwedischen Datensatz konnten 236 Patienten aufgenommen werden.

Vergleich von hochwirksamer Therapie früh und später nach Krankheitsbeginn

277 (51 %) von insgesamt 544 Patienten begannen die Therapie früh. 267 (49 %) begannen die Therapie spät. Passend einander zuordnen konnten die Forscher 213 Patienten der frühen Behandlungsgruppe und 253 der späten Behandlungsgruppe. Zu Beginn lag der durchschnittliche EDSS-Wert bei 2,2 in der frühen Gruppe, in der späten Gruppe bei 2,1. Die mediane Nachverfolgungsdauer lag bei diesen Patienten bei 7,8 Jahren. Im 6. Jahr nach Krankheitsbeginn lag der durchschnittliche EDSS-Wert der frühen Gruppe bei 2,2 (Standardabweichung SD 1,6), in der späten Gruppe bei 2,9 (SD 1,8, p < 0,0001). Dieser Unterschied blieb auch in den Folgejahren bestehen bis hin zum 10. Jahr nach Krankheitsbeginn (durchschnittlicher EDSS-Wert 2,3, SD 1,8 versus EDSS-Wert 3,5, SD 2,1; p < 0,0001). Die Differenz zwischen den Gruppen betrug −0,98 (95 % Konfidenzintervall −1,51 bis −0,45; p < 0,0001, adjustiert für den Zeitanteil mit jeder Art von krankheitsmodifizierender Behandlung) über die Nachbeobachtungsphase von 6–10 Jahren.

Hinweise auf Unterschied im EDSS-Wert durch frühen Therapiebeginn

Demnach deutet diese Analyse darauf, schreiben die Autoren, dass ein früherer Beginn hochwirksamer Therapie (hier: innerhalb von 2 Jahren nach Krankheitsbeginn) mit einem geringerem Behinderungsgrad nach 6–10 Jahren assoziiert sein kann als eine später begonnene entsprechende Behandlung.

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