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Remyelinisierung durch Retinoide: Könnten MS-Behinderungen reparabel sein?

Original Titel:
Safety and efficacy of bexarotene in patients with relapsing-remitting multiple sclerosis (CCMR One): a randomised, double-blind, placebo-controlled, parallel-group, phase 2a study

Kurz & fundiert

  • Remyelinisierung durch Retinoide: Könnten MS-Behinderungen reparabel sein?
  • Synthetisches Retinoid Bexaroten im Tiermodell erfolgreich
  • Placebo-kontrollierte Phase 2a-Studie mit 52 MS-Patienten über 6 Monate
  • Bexaroten schlecht verträglich und nicht wirksam
  • Trotzdem Potential der Wirkstoffklasse Retinoide

 

DGP – Inzwischen stehen verschiedene moderne Wirkstoffe bereit, die ein Fortschreiten der Multiplen Sklerose (MS) bremsen können. Kann man aber auch die Schädigungen der Nervenzell-Schutzschicht, dem Myelin, reparieren? Dazu wurde ein Wirkstoff aus der Klasse der Retinoide, Bexaroten untersucht, der im Tiermodell die Remyelinisierung fördern konnte. In der Phase 2a-Studie war das Mittel jedoch vor allem wegen ausgeprägter Nebenwirkungen nicht überzeugend. Die Experten sehen jedoch weiterhin großes Potenzial dieser Wirkstoffklasse in der MS-Therapie.


Zu einem fortschreitenden Behinderungsgrad kommt es bei der Multiplen Sklerose (MS), weil die Schutzschicht (Myelin) der Nervenzell-Fortsätze (Axone) abgebaut und die Nervenzellen dadurch geschädigt werden. Ein Medikament aus der Krebstherapie, ein synthetisches Retinoid und Agonist gegen einen Retinoid-Rezeptor, Bexaroten, konnte im Tiermodell die Regeneration der Myelinschicht bewirken. Die Hoffnung bestand, dass das Mittel auch beim Menschen zu Remyelinisierung eingesetzt werden könnte. In einer Phase 2a-Studie wurde nun die Sicherheit und Wirksamkeit von Bexaroten zur Förderung der Remyelinisierung bei Menschen mit MS untersucht.

Remyelinisierung durch Retinoide: Könnten MS-Behinderungen reparabel sein?

In dieser randomisierten, Placebo-kontrollierten Doppelblind-Studie wurden Patienten mit schubförmiger MS (relapsing-remitting multiple sclerosis, RRMS) in zwei Behandlungszentren in Großbritannien untersucht. Teilnehmer im Alter von 18 – 50 Jahren, die zuvor für mindestens 6 Monate Dimethylfumarat erhalten hatten, wurden zufällig einer täglichen Behandlung mit oralem Bexaroten (300 mg/m2, relativ zur Körperoberfläche) oder Placebo für 6 Monate zugeteilt. Zu Beginn der Studie und nach 6 Monaten wurden die Patienten mit dem bildgebenden Verfahren Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht. Vorrangig standen die Sicherheit, also die Zahl unerwünschter Ereignisse im Rahmen der Behandlung, und Behandlungsabbrüche aufgrund der Bexaroten-Therapie im Fokus. Zur Frage der Wirksamkeit analysierten die Forscher Veränderungen in der Zahl der Läsionen im zentralen Nervensystem, die im MRT über die Behandlungsdauer nachweisbar waren.

Zwischen Januar 2017 und Mai 2019 wurden 52 Patienten in die Studie aufgenommen und jeweils der Bexaroten- Gruppe (n = 26) oder der Placebo-Gruppe (n = 26) zugewiesen. Teilnehmer, die mit Bexaroten behandelt wurden, hatten eine höhere durchschnittliche Zahl adverser Ereignisse (im Schnitt 6,12; 159 Ereignisse insgesamt) als Patienten der Placebo-Gruppe (im Schnitt 1,63; 39 Ereignisse insgesamt). Alle Patienten unter Bexaroten erlitten mindestens ein unerwünschtes Ereignis. Dies waren:

  • Zentrale Hypothyreose (n = 26 vs. keiner in der Placebo-Gruppe)
  • Hypertriglyzeridämie (n = 24 vs. keiner in der Placebo-Gruppe)
  • Rötungen (n = 13 vs. keiner in der Placebo-Gruppe)
  • Neutropenie (n = 10 vs, keiner in der Placebo-Gruppe).

5 Patienten (19 %) mit Bexaroten und 2 Patienten (8 %) mit dem Placebo brachen die Studie aufgrund unerwünschter Ereignisse ab. Das einzig ernste unerwünschte Ereignis war eine Cholezystitis bei einem Patienten in der Placebo-Gruppe.

Veränderungen im durchschnittlichen Läsionsmuster unterschieden sich nicht zwischen Bexaroten und Placebo.

Schlecht verträglich, nicht wirksam – trotzdem eine Chance für die Zukunft

Die Daten unterstützen keine Fortführung der klinischen Studien zu Bexaroten in der Phase 3, da das Mittel keine Wirksamkeit bei den MS-Patienten zeigte und nicht gut verträglich war. Weitere Analysen der MRT-Daten und weiterer Untersuchungen legen jedoch nahe, dass es durchaus Potenzial für diese Medikamentenklasse gibt und die synthetischen Retinoide zum Einsatz bei der MS weiterverfolgt werden sollten.

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