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Primär progressive MS: Frühe Intervention mit Ocrelizumab vs. Placebo-Verzögerung messbar besser

Original Titel:
Long-term follow-up from the ORATORIO trial of ocrelizumab for primary progressive multiple sclerosis: a post-hoc analysis from the ongoing open-label extension of the randomised, placebo-controlled, phase 3 trial

Kurz & fundiert

  • Ocrelizumab bei primär progressiver MS
  • Offene Erweiterung einer internationalen Phase-3-Studie
  • 451 Patienten in der Erweiterung mit Beibehaltung von Ocrelizumab oder Switch von Placebo
  • Bessere Ergebnisse bei der Progression mit früher Intervention

 

DGP – In der offenen Erweiterung einer Phase-3-Studie analysierten Forscher, welchen Effekt eine frühe Intervention im Vergleich zu späterem Wechsel zu Ocrelizumab von Placebo auf verschiedene Maße des Krankheitsfortschreitens bei primär progressiver Multipler Sklerose (MS) hat. Frühe Intervention mit Ocrelizumab brachte demnach Vorteile mit Blick auf verschiedene Aspekte der Krankheitsprogression.


Die Sicherheit und Wirksamkeit von Ocrelizumab bei primär progressiver Multipler Sklerose (MS) wurde bereits in einer Phase-3-Studie gezeigt. Nun analysierten Forscher, welchen Effekt eine frühe Intervention im Vergleich zu späterem Wechsel zu Ocrelizumab von Placebo auf verschiedene Maße des Krankheitsfortschreitens und auf die Sicherheit hatte. Diese Untersuchung erfolgte im Rahmen der offenen Erweiterungsphase der vorangegangenen Phase-3-Studie.

Ocrelizumab bei primär progressiver MS

Patienten mit primär progressiver MS im Alter von 18-55 Jahren und mit EDSS (expanded disability status scale) von 3,0-6,5 konnten an der Studie teilnehmen. In dieser internationalen Multizentrenstudie wurde in 182 Studienzentren (29 Länder) im Doppelblindverfahren randomisiert und kontrolliert die Wirksamkeit von Ocrelizumab (zwei 300 mg Infusionen im Abstand von 14 Tagen) im Vergleich zu einem Placebo getestet. Die Behandlung erfolgte alle 24 Wochen für mindestens 120 Wochen. Anschließend an die Doppelblindphase nahmen Patienten an einer erweiterten kontrollierten Phase teil, in der die Behandlung offen durchgeführt wurde. Auf diese Phase folgte eine optionale, offene Erweiterung, in der Patienten entweder Ocrelizumab beibehielten oder von Placebo zu Ocrelizumab wechselten.

Ermittelt wurde die Krankheitsprogression, sobald insgesamt 253 entsprechende Ereignisse eingetreten waren. Die Zeit bis zu dieser Progression wurde nach 24 Wochen bestimmt: Anstieg des EDSS-Werts, mind. 20 %iger Anstieg in der Zeit zur Lösung des 9-Hole Peg Test (9HPT), mind. 20 %iger Anstieg der Zeit für den Timed 25-Foot Walk (T25FW), und eine aus dem ersten dieser drei Aspekten bestimmte Progression). Zudem wurde der Zeitpunkt bestimmt, zu dem EDSS von mind. 7 erreicht wurde (Rollstuhl-Notwendigkeit). Konventionelle bildgebende Verfahren (MRT) wurden ebenfalls analysiert (Läsionsvolumen in T2 und T1-hypointensiv).

Offene Erweiterung einer internationalen Phase-3-Studie

Zwischen März 2011 und Dezember 2012 wurden 488 Patienten zufällig Ocrelizumab und 244 dem Placebo zugewiesen. Die kontrollierte Erweiterung begann July 2015 und endete April 2016. Insgesamt beendeten 544 (74 %) von insgesamt 732 Teilnehmern die Doppelblindphase bis Woche 144. Von diesen 544 Patienten nahmen 527 (97 %) an der offenen kontrollierten Erweiterung teil. 451 (86 %) dieser Teilnehmer nahmen schließlich auch an der offenen Erweiterung mit Beibehaltung der Therapie oder Wechsel zu Ocrelizumab teil.

Nach mindestens 6,5 Studienjahren (48 Wochen pro Studienjahr) der Nachbeobachtung zeigte sich, dass der Anteil der Patienten mit Progression in den verschiedenen Beeinnträchtigungsmaßen niedriger bei denen war, die früh mit der Ocrelizumab-Therapie begonnen hatten, im Vergleich zu denen, die anfänglich das Placebo erhielten und schließlich zu Ocrelizumab wechselten.

  • EDSS: 51,7 % vs. 64,8 % (Differenz Diff: 13,1 %; 95 % Konfidenzintervall CI: 4,9 – 21,3; p = 0,0018)
  • 9HPT: 30,6 % vs, 43,1 % (Diff: 12,5 %; CI: 4,1 – 20,9; p = 0,0035)
  • T25FW: 63,2 % vs. 70,7 % (Diff: 7,5 %; CI: -0,3 – 15,2; p = 0,058)
  • Zusammengefasste Progression: 73,2 % vs. 83,3 % (Diff: 10,1 %; CI: 3,6 – 16,6; p = 0,0023)
  • Bestätigter Zeitpunkt von EDSS mind. 7 (Rollstuhl): 11,5 % vs. 18,9 % (Diff: 7,4 %; CI: 0,8 – 13,9; p = 0,0274)

Zum Studienende war die prozentuale Veränderung in bildgebenden Maßen der Progression seit Studienbeginn bei denen mit früher Ocrelizumab-Behandlung geringer als bei den Patienten, die erst später zu dem neuen Medikament wechselten:

  • T2 Läsionsvolumen (0,45 % vs. 13,00 %, p < 0,0001)
  • T1 hypointensives Läsionsvolumen (36,68 % vs. 60,93 %, p < 0,0001)

Über die gesamte Studiendauer wurden adverse Ereignisse über alle Patienten ermittelt werden, die zu irgendeinem Zeitpunkt Ocrelizumab erhalten hatten. Die Rate adverser Ereignisse betrug 238,09 (95 % CI: 232,71 – 243,57) pro 100 Patientenjahre. Die Rate ernster adverser Ereignisse betrug 12,63 (95 % CI: 11,41 – 13,94) pro 100 Patientenjahre. Die häufigsten solcher Ereignisse waren Infektionen mit 4,13 (95 % CI: 3,45 – 4,91) pro 100 Patientenjahre. Im Vergleich zur Doppelblindphase ergaben sich keine neuen Sicherheitssignale.

Bessere Ergebnisse bei der Progression mit früher Intervention

Verglichen mit Patienten, die vom Placebo wechselten, brachten somit frühere und durchgängige Behandlungen mit Ocrelizumab anhaltende Vorteile in verschiedenen Maßen der Krankheitsprogression. Dies konnte über eine Nachbeobachtung über 6,5 Studienjahre gesehen werden. Obwohl die Studie Verbesserungen in der Krankheitsprogression bei früher Intervention mit Ocrelizumab bei primär progressiver MS zeigt, bleibt die Progression auch weiterhin ein wesentliches Problem bei der MS. Weitere Forschung sollte den Blick darauf richten, wie mögliche Vorteile, wie in dieser Studie beschrieben, weiter und vor allem langfristig verbessert werden könnten.

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