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Prophylaxemedikamente können Migränepatienten wieder ‚normal’ sehen lassen

Original Titel:
Preventive drugs restore visual evoked habituation and attention in migraineurs.

Das Sehsystem von Migränepatienten reagiert anders als das anderer Menschen. Jedem Patienten, der schon einmal an einem sonnigen Tag durch eine Allee von schattigen Baumstämmen und leuchtenden Sonnenstrahlen mit Kopfschmerz und Flimmern vor den Augen fahren musste, ist dies nichts Neues. Aber sehen Migränepatienten auch anders in dem Sinne, dass sie sogar in den kopfschmerzfreien Phasen in manchen Sehtests oder visuell zu lösenden Aufgaben auffallen? Dies untersuchte Neurologin und Schmerzexpertin Dr. Unal-Cevik von der Schmerzabteilung der Neurologie an der Hacettepe Universität im türkischen Ankara mit ihren Kollegen.

Sehen Migränepatienten anders?

Speziell testeten sie Unterschiede zwischen Menschen ohne und mit Migräne (außerhalb akuter Attacken) in visuellen Aufmerksamkeitstests und der sogenannten visuell ausgelösten Habituation. Dies bezeichnet die Fähigkeit des gesunden Gehirns, einen anstrengenden Reiz nach einer Weile zu ignorieren. Menschen ohne Migräne können eine sonnige Allee entlangfahren und stören sich schnell nicht mehr an der raschen und repetitiven Abfolge dunkler und heller Streifen. Menschen mit Migräne jedoch können dieses hochkontrastige Muster nicht ignorieren – ihre Habituation, die Gewöhnung an den unangenehmen Eindruck, scheint nur eingeschränkt zu funktionieren. Kann dieser Effekt also im Labor nachgewiesen werden?

Können Medikamente zur Vorbeugung neuer Migräneanfälle auf solche Überempfindlichkeiten positiv einwirken?

Die Studie untersuchte 52 Migränepatienten in kopfschmerzfreien Phasen und 35 gesunde Kontrollteilnehmer, die in Alter und Geschlechtsverteilung der Migränegruppe ähnelten. Die Studienteilnehmer führten zwei verschiedene Tests durch. Einmal wurde ihre Gewöhnung, die Habituation, an ein mehrfach wiederholtes kontrastreiches Muster überprüft. In dieser Aufgabe sollten die Teilnehmer immer wieder schwache Veränderungen in der Helligkeit des Musters erkennen. Solche Veränderungen kann man normalerweise besonders dann gut erkennen, wenn man sich allmählich an das durchgehend starke Muster gewöhnt hat. Im Laufe der Aufgabe kann dann üblicherweise eine verbesserte Wahrnehmung der subtilen Veränderung gemessen werden. Gleichzeitig wurde auch die Gehirnaktivität der Teilnehmer während dieses Tests gemessen, um Anzeichen der Habituation festzustellen. Im zweiten Test wurde die visuelle Aufmerksamkeit der Teilnehmer überprüft. Dieser sogenannte Auslöschungstest kann beispielsweise so aussehen, dass die Testpersonen aus einem Bild voller zufällig verteilter, ähnlich aussehender Buchstaben (z. B. ‚g’, ‚b’, ‚d’ und ‚p’) sämtliche Buchstaben eines Typs (z. B. das ‚d’) finden und anstreichen sollen. Dazu müssen also relevante Muster erkannt und irrelevante Muster ignoriert werden.

Gewöhnung an kontrastreiche Muster, Muster erkennen und ignorieren

Die teilnehmenden Menschen mit Migräne waren für die Dauer der Studie zufällig einer von drei prophylaktischen Behandlungen zugeordnet: Propranolol (40 mg dreimal täglich), Flunarizin (5 mg zweimal täglich) oder Topiramat (50 mg zweimal täglich). Die Messungen wurden zu Beginn der Studie und nach einer Behandlungsdauer von 3 Monaten durchgeführt.

Wie Migränepatienten es aus ihrer eigenen Erfahrung, ob in Alleen oder sonstigen flickernden und flimmernden Bildern, heraus vorhersagen könnten, fanden sich zu Beginn der Studie Anzeichen von Habituation in der Gehirnaktivität der Gesunden, aber nicht bei den Patienten. Nach 3 Monaten mit prophylaktischer Medikation reagierten auch die Migränepatienten mit einer Gewöhnung auf den wiederholten starken Kontrast. Ihre Habituation wurde also wiederhergestellt. Ebenso waren die Migränepatienten zu Beginn der Studie in ihrer visuellen Aufmerksamkeit eingeschränkt – sie konnten schlechter störende Muster ausblenden als dies bei Menschen ohne Migräne ging. Auch in diesem Test verbesserten sich die Patienten allerdings infolge ihrer Behandlung. Dabei schienen die drei Prophylaxemedikamente ähnlich effektiv zu sein.

Prophylaxe rettet die Wahrnehmung auch an grellen Tagen

Wahrnehmungseinschränkungen, wie sie bei Migränepatienten möglicherweise infolge der Überempfindlichkeit des Gehirns normal sind, können demnach mit Hilfe einer Prophylaxebehandlung positiv beeinflusst werden. Eventuell können damit auch Migränepatienten endlich Alleen an einem Sommertag genießen.

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