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Unfallverletzungen: Wissen aus der Praxis bringt neue Impulse für die Forschung

Wien, 23. Oktober 2018. „Wir waren auf der Suche nach Druckpunkten bei der Diagnose, Behandlung und Rehabilitation von Unfallverletzungen. Diese haben wir bei einer Crowdsourcing-Kampagne, die über den Sommer gelaufen ist, herausgefunden“, so Josef Pröll, Präsident der Ludwig Boltzmann Gesellschaft, bei der Vorstellung der ersten Ergebnisse von „Reden Sie mit!“ am 22. Oktober in Wien. „800.000 Menschen verunfallen jedes Jahr und werden in österreichischen Krankenhäusern behandelt. Dabei entsteht ein wertvoller Wissensschatz, der bislang kaum von der Forschung aufgegriffen wurde. Das haben wir zum Anlass genommen und ÄrztInnen, PatientInnen und TherapeutInnen aufgerufen, ihre Erfahrungen und Expertise zum Thema Unfallverletzungen als Forschungsfragen zu formulieren.“

„Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft ist mit ihren Aktivitäten ein wichtiger und integraler Akteur der österreichischen Open-Innovation-Strategie und zeigt mit dem heute präsentierten Projekt ‚Reden Sie mit!‘, dass mit Open-Innovation-Methoden neue Forschungsaktivitäten angestoßen werden können“, so Wissenschaftsminister Heinz Faßmann.

Von Anfang Mai bis Mitte Oktober 2018 konnten bei der Crowdsourcing-Kampagne „Reden Sie mit! – Welche Fragen zu Unfallverletzungen soll die Forschung aufgreifen?“ über eine Online-Plattform Forschungsfragen eingereicht werden. Ziel war es, wertvolle Erfahrungen aus der Klinik in die Forschung zu bringen. In Kooperation mit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), Patient Innovation und der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie (ÖGU) sowie einem internationalen Advisory Board wurde die Kampagne in Krankenhäusern, Rehabilitationszentren und Kliniken beworben. Im Sinne einer Öffnung der Forschung wurde gezielt auch mit neuen Medien gearbeitet, um unübliche Wissensträger zu erreichen.

„Wir haben über diese Kampagne Personen erreicht, die wir mit einer traditionellen Herangehensweise nicht erreicht hätten. Auch die Sichtbarkeit, wo in der Forschung Lücken bestehen, wurde über dieses Projekt wesentlich erhöht. Im Rahmen der Kampagne haben wir alle relevanten Social-Media-Kanäle bespielt, 41 Vorträge gehalten und 12 Unfallkrankenhäuser besucht. Das Erfolgsgeheimnis der Kampagne war eindeutig, dass wir die Online-Kommunikation mit Maßnahmen vor Ort verschränkt haben“, fasst Lucia Malfent, Leiterin des LBG Open Innovation in Science Centers und Projektleiterin von „Reden Sie mit!“ zusammen.

Mehr als 800 Forschungsfragen zum Thema Unfallverletzungen

Die Ergebnisse von „Reden Sie mit!“ werden gerade ausgewertet. 822 UserInnen aus mehr als 20 Ländern haben sich auf der Online-Plattform für das Crowdsourcing registriert. Der Großteil davon stammt aus Deutschland (58 Prozent), Österreich (14 Prozent) und den USA (12 Prozent). Insgesamt wurden mehr als 800 Forschungsfragen eingereicht. 20 Prozent der Einreichungen stammen von ExpertInnen im Bereich Unfallverletzungen – die meisten davon KrankenpflegerInnen (27 Prozent), ÄrztInnen (17 Prozent) und PhysiotherapeutInnen (15 Prozent). Die restlichen 80 Prozent kommen von Unfall-PatientInnen und deren Angehörigen.

„Wir haben uns angesehen, welche Fragen gestellt wurden und welche Themen für welche Gruppen besonders wichtig waren. Wir werten die Ergebnisse gerade aus und werden die innovativsten und am wenigsten erforschten Fragen systematisch in die Forschung bringen“, berichtet Malfent. „Schon jetzt sind erste Muster erkennbar: Der Zusammenhang von Polymedikation und Stürzen bei geriatrischen PatientInnen sowie die Bedeutung der psychosozialen Betreuung nach Unfällen hat einige der TeilnehmerInnen beschäftigt. Neben recht allgemeinen Themen wie diesen wurden aber auch detaillierte Fragestellungen hochgeladen, etwa spezielle Behandlungsschemata bei Knochenbrüchen, komplexen Handverletzungen oder Fragen zu Operationstechniken.“

Die nächsten Schritte: von den Fragen zur Forschung

„Wir haben also über 800 interessante Forschungsfragen vor uns liegen. Jetzt erarbeiten wir einen innovativen Prozess, wie wir jene ForscherInnen finden, die die relevanten Fragen auswählen und in einer Forschungsgruppe beantworten werden“, so Malfent weiter.

Die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung hat bei ihrer letzten Ausschüttung 4 Mio. Euro für die Etablierung dieser LBG-Forschungsgruppe bereitgestellt. „Klar ist, dass wir erstklassige Forscherinnen und Forscher für diese Aufgabe brauchen. Die wissenschaftliche Exzellenz und gesellschaftliche Relevanz wird im Vordergrund stehen und wir werden gezielt Open-Innovation-in-Science-Prinzipien einsetzen. Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft setzt damit wieder ein klares Zeichen für die Einbindung von Patientinnen und Patienten in die Forschung. Wir wollen Nutzen stiften und den können wir insbesondere dann erzielen, wenn wir von Anfang an Betroffene in die Forschung einbinden“, so Josef Pröll.

LBG Open Innovation in Science Center: zentrale Anlaufstelle für neuartige Forschungsansätze
„Reden Sie mit!“-Projekte sind Teil der Open-Innovation-in-Science-Strategie der Ludwig Boltzmann Gesellschaft, die im März 2017 im LBG Open Innovation in Science Center verortet wurde. Durch die gezielte Öffnung von Innovationsprozessen soll neues Wissen von außen in die Forschung gebracht werden und damit der Impact der Forschung erhöht werden. Mit Hilfe von Open-Innovation-Methoden bringt die LBG neue Forschungsansätze zur Anwendung und ist damit Themenführer der österreichischen Open-Innovation-Strategie in der Forschung. Im erfolgreichen ersten Crowdsourcing-Projekt – ebenfalls unter dem Titel „Reden Sie mit!“ – hat die LBG bereits 2015 gezielt Forschungsfragen zur Behandlung, Diagnose und Früherkennung von psychischen Erkrankungen gesammelt. Aus den Resultaten sind inzwischen zwei neue LBG-Forschungsgruppen eingerichtet worden, die sich mit Forschungsfragen zu Kindern von psychisch erkrankten Eltern befassen.
www.ois.lbg.ac.at
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Ludwig Boltzmann Gesellschaft
Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) ist eine Forschungseinrichtung mit thematischen Schwerpunkten in der Medizin und den Life Sciences sowie den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften und stößt gezielt neue Forschungsthemen in Österreich an. Die LBG betreibt zusammen mit akademischen und anwendenden Partnern aktuell 19 Ludwig Boltzmann Institute und entwickelt und erprobt neue Formen der Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft und nicht-wissenschaftlichen AkteurInnen wie Unternehmen, dem öffentlichen Sektor und der Zivilgesellschaft. Gesellschaftlich relevante Herausforderungen, zu deren Bewältigung Forschung einen Beitrag leisten kann, sollen frühzeitig erkannt und aufgegriffen werden. Teil der LBG sind das LBG Open Innovation in Science Center, das das Potenzial von Open Innovation für die Wissenschaft erschließt, das LBG Career Center, das 200 PhD-StudentInnen und Postdocs in der LBG betreut, und zwei neue Forschungsgruppen zum Thema psychische Gesundheit von Kindern. In der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sind insgesamt 550 MitarbeiterInnen beschäftigt.
www.lbg.ac.at