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COVID-19: Steigendes Thromboserisiko

Schwere Verläufe von COVID-19 sind mit dem Verschluss von Blutgefäßen in der Lunge, des Herzens und der Niere durch aktivierte Immunzellen und Thrombozyten gekennzeichnet.

Die Infektion mit SARS-CoV2 führt zu einer Atemwegserkrankung, die bei schweren Verläufen mit einem Lungenversagen sowie der Notwendigkeit einer invasiven Beatmung einhergehen kann. Bei diesen Patienten treten auch häufig thrombotische Komplikationen wie Lungenembolien oder venöse Thrombosen auf. Ob Lungenversagen und systemische Thromboseneigung bei COVID-19 miteinander verknüpft sind, war bisher unbekannt.

In einer kürzlich in der Fachzeitschrift Circulation erschienenen Arbeit konnte das Team um Leo Nicolai, Alexander Leunig, Kami Pekayvaz und Konstantin Stark aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik I (Kardiologie) am LMU Klinikum München eine pathophysiologische Schnittstelle zwischen Veränderungen in den Lungengefäßen und thrombotischen Komplikationen aufdecken: Die Lungengefäße von schwer erkrankten COVID-19 Patienten wiesen zahlreiche Thrombosen in der Mikrozirkulation auf. Auch im Herzen und in der Niere konnten die Forscher thrombotische Gefäßverschlüsse feststellen. Die Thromben bestanden überwiegend aus Blutplättchen und aktivierten Entzündungszellen (neutrophilen Granulozyten). Die hier nachgewiesenen immunothrombotischen Verschlüsse entstehen dadurch, dass entzündliche Prozesse eine Aktivierung von Blutgerinnung und Blutplättchen auslösen, wodurch die Ausbreitung von Viren und Bakterien im Körper verhindert werden soll. Durch derartige Gefäßverschlüsse wird allerdings auch die Blutversorgung des Gewebes beeinträchtigt – was zum Lungenversagen beiträgt – und es entwickelt sich eine systemische Thromboseneigung.

Die aktuelle Arbeit zeigt anhand multidimensionaler FACS Analysen, dass im Blut von beatmungspflichtigen COVID-19 Patienten mit Lungenversagen stark aktivierte neutrophile Granulozyten und Blutplättchen zu finden sind. Die Interaktion dieser beiden Zelltypen ist gekennzeichnet durch eine wechselseitige Aktivierung, die letztlich zu Gefäßverschlüssen in der Lunge führt. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Verschlussbildung sind neutrophil extracellular traps (NETs), netzartige Strukturen bestehend aus DNA und Granulaproteinen der neutrophilen Granulozyten, welche die Blutgerinnsel stabilisieren. Im Blut wird dieser zunächst lokale Prozess in der Lunge durch eine starke Aktivierung der Blutgerinnung reflektiert, die sich in einer erhöhten systemischen Thromboseneigung niederschlägt.

Die Arbeit trägt zu einem besseren Verständnis der pathophysiologischen Mechanismen bei COVID-19 bei und zeigt die Immunothrombose als vielversprechenden Ansatzpunkt in der Prävention und Therapie des Lungenversagens sowie anderer thrombotischer Komplikationen bei dieser neuen Erkrankung auf.

Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit zahlreichen Abteilungen des LMU Klinikums (Anästhesie, Virologie, Klinische Chemie, Pathologie, Medizinische Klinik III) sowie dem CORKUM Register durchgeführt und durch den Sonderforschungsbereich 1123 und 914 der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem European Research Council (ERC) sowie durch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und die Munich Heart Alliance unterstützt. Die Publikation wurde als Paper-of-the-month des Deutschen Zentrums für Herzkreislauferkrankungen ausgezeichnet.

Originalpublikation: https://www.ahajournals.org/doi/abs/10.1161/CIRCULATIONAHA.120.048488