Das GesundheitsPortal für innovative Arzneimittel, neue Therapien und neue Heilungschancen

Im Selbstversuch: Körper kann fluorhaltige Chemikalie PFOA über die Haut aufnehmen

Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) sind langlebige fluorhaltige Industriechemikalien. Aufgrund ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften werden sie in zahlreichen Verbraucherprodukten wie Papier-Verpackungen für Lebensmittel, Outdoor-Textilien oder antihaftbeschichteten Pfannen verarbeitet. PFAS haben sich weltweit in der Umwelt verteilt und werden in kleinen Mengen über die Nahrung aufgenommen. Einige dieser Verbindungen wie beispielsweise Perfluoroctansäure (PFOA) scheidet der Mensch nur sehr langsam aus. Sie reichern sich aus diesem Grund im Organismus an und sind daher als besonders problematisch anzusehen.

Um ihre Eigenschaften zu verbessern, werden einem geringen Teil der Kosmetika PFAS zugesetzt. Diese müssen auf der Verpackung angegeben sein. Solche Kosmetika können problematische Verbindungen wie PFOA als Verunreinigungen oder Abbauprodukte enthalten. Bisher nahm man an, dass diese Substanzen nach  Auftragen auf die Haut nicht in nennenswertem Umfang in den Körper gelangen. Daten zur Aufnahme von PFAS über menschliche Haut lagen jedoch nicht vor. Ein Wissenschaftler des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) hat nun im Selbstversuch erstmals getestet, ob einer Sonnenschutzcreme beigemischtes PFOA vom Körper aufgenommen wird. Wie der Forscher gemeinsam mit einem Kollegen im Fachjournal „Environment International“ (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0160412022004767) berichtet, ist das tatsächlich der Fall: Ein kleiner Anteil der Substanz überwand die Hautbarriere und konnte im Blut nachgewiesen werden.

PFOA darf in kosmetischen Mitteln nicht eingesetzt werden. Das Herstellen, Verwenden, Inverkehrbringen und Einführen von PFOA ist in der EU bis auf wenige Ausnahmen verboten. Als unbeabsichtigte und unvermeidbare Verunreinigung darf PFOA infolge der seit Juli 2020 bestehenden Regulation auf europäischer Ebene nur noch mit maximal 0,025 Mikrogramm pro Gramm in Produkten enthalten sein. Für wichtige andere Perfluor-Verbindungen mit langen Halbwertszeiten treten entsprechende Regulationen im Februar 2023 in Kraft.

Aus epidemiologischen Studien gibt es Hinweise, dass die  Anwendung einzelner kosmetischer Mittel wie zum Beispiel  Sonnenschutzcreme, Rougepuder und Gesichtsreiniger mit erhöhten PFAS-Spiegeln im Blut verknüpft sein kann. Untersuchungen an Nagetieren und an Hautmodellen liefern bislang jedoch keinen Beleg dafür, dass die Substanz PFOA in bedeutsamer Menge durch die Haut in den Körper gelangt. In der jetzigen Studie ging es erstmals darum, diese Aufnahme unter realitätsnahen Bedingungen beim Menschen zu untersuchen. Dazu wurden 110 Mikrogramm (Millionstel Gramm) PFOA in 30 Gramm einer Sonnenschutzcreme gemischt und danach die gesamte Haut wie vor einem Sonnenbad eingecremt. Nach zwei Tagen wurden die Reste abgeduscht.

Langsamer Übertritt ins Blut

Über 115 Tage wurde das Blut der Versuchsperson auf PFOA untersucht. Es zeigte sich, dass die Substanz nur langsam über die Haut aufgenommen und erst nach drei Wochen die höchste Konzentration im Blut erreicht wurde. Danach ging der Spiegel allmählich zurück. Das verwendete PFOA hat eine Halbwertszeit von geschätzt 1,8 Jahren im Organismus. Nach dieser Zeit ist die Hälfte wieder ausgeschieden. Dies entspricht den bisherigen  Erkenntnissen zur langsamen Ausscheidung der Substanz beim Menschen. Die Wissenschaftler schätzen, dass rund 1,6 Prozent des PFOA aus der Creme in den Körper gelangten. Mit diesem Ergebnis konnte bei diesem Pilotversuch gezeigt werden, dass ein nennenswerter Anteil des PFOA in Kosmetik in den Organismus übertreten kann und dieser Aufnahmeweg über die Haut nicht zu vernachlässigen ist, wenn die Substanz in relevanter Menge enthalten ist. Dies gilt vermutlich nicht nur für PFOA, sondern auch für andere PFAS.

Der Anteil von PFOA aus der Sonnenschutzcreme an der  Gesamtmenge von PFOA im Blut der Versuchsperson betrug maximal knapp zehn Prozent. Damit konnte nach einmaliger Anwendung bereits ein hoher Anteil an der PFOA-Gesamtmenge im Körper erreicht werden. Dies ist auf die versuchsbedingt hohe PFOA-Konzentration von 3,7 Mikrogramm pro Gramm Sonnenschutzcreme zurückzuführen. Derart hohe PFOA-Konzentrationen wurden in der Vergangenheit weltweit nur selten, in der EU dagegen gar nicht in kosmetischen Produkten nachgewiesen.

Nach der Verordnung (EU) 2019/831 dürfen PFOA in kosmetischen Mitteln nicht eingesetzt werden. Das Herstellen, Verwenden, Inverkehrbringen und Einführen von PFOA ist in der EU generell bis auf wenige Ausnahmen verboten (siehe Delegierte Verordnung (EU) 2020/784 der Kommission). Als unbeabsichtigte und unvermeidbare Spurenverunreinigung darf PFOA infolge der seit Juli 2020 bestehenden Regulation auf europäischer Ebene nur noch mit  maximal 0,025 Mikrogramm pro Gramm in Produkten messbar sein. Für wichtige andere Perfluor-Verbindungen mit langen Halbwertszeiten treten entsprechende Regulationen im Februar 2023 in Kraft.

Risikobewertung von PFAS

Eine hohe Gesamtmenge von PFAS im Körper ist in epidemiologischen Studien mit verschiedenen biologischen Veränderungen assoziiert. Weitere Forschung ist zur Klärung des ursächlichen Zusammenhangs erforderlich. Als besonders kritisch wird eine bei Kindern beobachtete verminderte Bildung von Antikörpern nach einer Impfung angesehen. Auf diesen immunologischen Daten beruht die gegenwärtige Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Als Folge der Regulation ist die Belastung mit der Substanz PFOA jedoch in den vergangenen 20 Jahren deutlich zurückgegangen.

Weitere Informationen auf der BfR-Website zum Thema PFAS

https://www.bfr.bund.de/cm/343/pfas-in-lebensmitteln-bfr-bestaetigt-kritische-exposition-gegenueber-industriechemikalien.pdf

https://www.bfr.bund.de/cm/343/industriechemikalie-pfba-reichert-sich-nicht-stark-in-lungeund-niere-an.pdf

https://www.bfr.bund.de/cm/343/industriechemikalien-pfas-bfr-beteiligt-sich-an-eu-weitembeschraenkungsverfahren.pdf