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Multiple Sklerose

Option MS-Therapieabbruch in höherem Alter

Original Titel:
Risk of new disease activity in patients with multiple sclerosis who continue or discontinue disease-modifying therapies (DISCOMS): a multicentre, randomised, single-blind, phase 4, non-inferiority trial

Kurz & fundiert

  • Ältere Patienten: Bei stabiler MS auf Therapie verzichten?
  • Nichtunterlegenheits-Studie (Phase 4), 259 Patienten ab 55 Jahren
  • Therapie-Fortführung: 128 Patienten (49 %), Abbruch: 131 Patienten (51 %)
  • Ähnlich viele Patienten von unerwünschten Ereignissen betroffen
  • Mehr Ereignisse in der Therapieabbruchs-Gruppe
  • Behandlungsabbruch krankheitsmodifizierender MS-Therapie mit leicht erhöhtem Risiko assoziiert
  • Bei stabiler MS (mehrere Jahre ohne Rückfall oder ohne MRT-Ereignis) mögliche Option

 

DGP – Die randomisierte Studie untersuchte das Risiko für wiederkehrende Krankheitsaktivität bei 259 älteren MS-Patienten ab 55 Jahren nach Abbruch einer krankheitsmodifizierenden Therapie. Kam es über mehrere Jahre bei kontinuierlicher krankheitsmodifizierender Therapie nicht zum Rückfall oder MRT-Läsionsveränderungen, könnte demnach eine Beendigung der Therapie eine Option sein, die jedoch mit einem leicht erhöhten Risiko für wiederkehrende Krankheitsaktivität assoziiert ist, so das Fazit.


Multiple Sklerose (MS) beginnt häufig im jüngeren Erwachsenenalter. In höherem Alter kommt es dagegen seltener zu neuer Krankheitsaktivität. Klinische Studien zur Behandlung der MS mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten schließen typischerweise keine Personen im Alter von über 55 Jahren ein. Daher liegen zu dieser Altersgruppe vor allem Daten aus Beobachtungsstudien vor. Solche Untersuchungen deuteten darauf, dass das Risiko für wiederkehrende Krankheitsaktivität nach Abbruch einer krankheitsmodifizierenden Therapie bei jüngeren Patienten größer ist, die kürzlich Rückfälle oder Krankheitsaktivität im bildgebenden Verfahren MRT (Magnetresonanztomographie) zeigten. Die vorliegende Studie untersuchte nun das Risiko für wiederkehrende Krankheitsaktivität bei älteren MS-Patienten nach Abbruch einer krankheitsmodifizierenden Therapie.

Können ältere Patienten mit stabiler MS auf eine Therapie verzichten?

Die Nichtunterlegenheits-Studie der Phase 4 (DISCOMS) wurde multizentrisch, randomisiert und kontrolliert durchgeführt. MS-Patienten ab 55 Jahren ohne Rückfall in den vergangenen 5 Jahren oder ohne neue MRT-Läsionen in den vergangenen 3 Jahren bei kontinuierlicher Therapie mit einer zugelassenen krankheitsmodifizierenden Medikation in 19 US-amerikanischen Behandlungzentren nahmen teil. Die Teilnehmer wurden zufällig dem Abbruch der Behandlung oder ihrer Fortführung zugewiesen. Patienten und ihre behandelnden Ärzte blieben unverblindet, die Bewertung von Rückfällen und MRT-Daten erfolgte jedoch durch verblindete Personen. Vorrangig ermittelten die Wissenschaftler den prozentualen Anteil der Patienten mit neuen Krankheitsereignissen. Dies konnten MS-Rückfälle oder neue bzw. sich vergrößernde Läsionen in der Bildgebung (T2-MRT) über 2 Jahre sein. Anhand einer vordefinierten Nichtunterlegenheits-Grenze von 8 % ermittelten die Autoren, ob der Behandlungsabbruch einer Behandlungsfortführung in Bezug auf die Krankheitsaktivität bei älteren Patienten unterlegen war.

Nichtunterlegenheits-Studie (Phase 4) mit 259 Patienten ab 55 Jahren

Insgesamt nahmen 259 Patienten zwischen 22. Mai 2017 und 3. Februar 2020 an der Studie teil. Die Behandlung wurde von 128 Patienten (49 %) fortgeführt, 131 Patienten (51 %) wurden der Abbruchs-Gruppe zugewiesen. Die Nachbeobachtung und Analyse erfolgte vollständig über 254 Patienten. In der Fortführungsgruppe kam es bei 6/128 Personen (4,7 %), in der Abbruchsgruppe bei 16/131 Personen (12,2 %), zu einem Rückfall oder neuen bzw. vergrößerten Läsionen innerhalb von 2 Jahren. Der Unterschied in der Ereignisrate betrug 7,5 Prozentpunkte (95 % Konfidenzintervall, KI: 0,6 – 15,0). Die Zahl der Patienten mit unerwünschten Ereignissen oder schweren unerwünschten Ereignissen war in beiden Gruppen vergleichbar.

  • Zahl der Patienten mit unerwünschten Ereignissen
    • Adverse Ereignisse: Fortführung: 109/128 (85 %); Abbruch: 104/131 (79 %)
    • Schwere adverse Ereignisse: Fortführung: 20/128 (16 %); Abbruch: 18/131 (14 %)

Es kam jedoch zu mehr solcher Ereignisse in der Patientengruppe, die die Therapie abbrach (adverse Ereignisse: 422 vs. 347; schwere adverse Ereignisse: 40 vs. 30). Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Infektionen der oberen Atemwege (Fortführung: 20 Ereignisse bei 19 Patienten, 15 %; Abbruch: 37 Ereignisse bei 30 Patienten, 23 %). In der Fortführungsgruppe kam es bei 3 Patienten, in der Abbruchsgruppe bei 4 Patienten zu unerwünschten Ereignissen in Bezug zur Behandlung. Jeweils ein Patient hatte ein schwerwiegende Ereignis, nämlich einen MS-Rückfall, der stationär behandelt werden musste. In der Fortführungsgruppe verstarb eine Person, in der Abbruchsgruppe 2 Personen, jeweils ohne Bezug zur jeweiligen Behandlung.

Behandlungsabbruch krankheitsmodifizierender MS-Therapie mit leicht erhöhtem Risiko assoziiert

Die Autoren schließen, dass es nicht klar ist, ob ein Behandlungsabbruch bei einer krankheitsmodifizierenden MS-Therapie einer Weiterführung der Therapie bei Patienten ab 55 Jahre und ohne Krankheitsaktivität in den letzten Jahren nicht-unterlegen ist. Ein Therapieabbruch könnte somit womöglich eine Option bei älteren Patienten mit stabiler MS sein, jedoch mit einem geringfügig erhöhten Risiko für neue Krankheitsaktivität im MRT einhergehen.

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