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DGTI: Blutprodukte können noch sicherer werden

Transfusionsmediziner entwickeln und untersuchen neue Verfahren zur Pathogeninaktivierung

Berlin/KölnAus Spenderblut gewonnene Blutprodukte sind bereits heute sehr sicher, eine Übertragung von Krankheitserregern ist in Deutschland ein äußerst seltenes Ereignis. Allerdings bringen neue Erreger, die sich durch den Klimawandel und die Globalisierung verstärkt in Europa ausbreiten, neue Herausforderungen für die Blutproduktesicherheit mit sich. Die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) fördert daher die Untersuchung und Entwicklung neuer Verfahren zur Pathogeninaktivierung. Auf einer Pressekonferenz anlässlich der 56. DGTI-Jahrestagung werden Experten das Thema beleuchten und auch die erst kürzlich zugelassene Pathogeninaktivierung mittels UV-C-Strahlen vorstellen. Die Online-Pressekonferenz findet am 19. September 2023 von 12:00 bis 13:00 Uhr statt. Link zur Anmeldung: https://us02web.zoom.us/webinar/register/WN_9CRgqq0TR12MsIF4DMWTRQ

Wer in Deutschland Blut spenden möchte, muss sich nicht nur gesund fühlen und fieberfrei sein, er oder sie muss auch umfassend Auskunft über Aktivitäten geben, die ein erhöhtes Risiko für Infektionen mit sich bringen. Dazu zählen beispielsweise zurückliegende Reisen in wärmere Regionen, auch dürfen in den Wochen oder Monaten vor der Spende keine Piercings, Tattoos oder andere Verletzungen stattgefunden haben. „Durch die strikte Spenderauswahl und empfindliche Verfahren zum Virennachweis haben wir bereits einen sehr hohen Sicherheitsstandard erreicht“, sagt Professor Dr. med. Axel Seltsam, Ärztlicher Geschäftsführer des Blutspendedienstes des Bayerischen Roten Kreuzes und Kongresspräsident der 56. DGTI-Jahrestagung. Dennoch bestehe weiterhin ein Restrisiko für die Übertragung von Krankheitserregern, wie er betont.

Besonders tückisch sind in dieser Hinsicht Erreger, die im Zuge von Globalisierung und Klimawandel neu zu uns kommen oder – wie SARS-CoV-2 – bis dato völlig unbekannt waren. „Während man bekannte Erreger wie das Immunschwäche-Virus HIV oder Hepatitis B- oder -C-Viren über empfindliche Tests nachweisen kann, existieren solche spezifischen Tests für neue Erreger naturgemäß nicht“, sagt Seltsam. Selbst bekannte Viren können in seltenen Fällen so gering konzentriert sein, dass sie das Nachweisverfahren unterlaufen. Um dennoch einen effektiven Infektionsschutz zu gewährleisten, wurden verschiedene Verfahren zur Pathogeninaktivierung entwickelt. Sie alle setzen an den Erbgutmolekülen DNA und RNA an und sind somit sowohl gegen Viren als auch gegen Bakterien wirksam. „In der Plasmaindustrie tragen diese Verfahren schon lange zur Infektionsprävention bei“, sagt Seltsam, selbst Mitentwickler eines Pathogeninaktivierungsverfahrens für Thrombozytenkonzentrate.

Auch bei der Herstellung von Thrombozytenkonzentraten bieten neue Inaktivierungsverfahren eine Chance. Thrombozytenkonzentrate nehmen im Spektrum der Blutprodukte eine Sonderstellung ein: Im Gegensatz zu Plasma oder Erythrozytenkonzentraten können sie nicht eingefroren, noch nicht einmal gekühlt werden. Um die Funktion der Blutplättchen (Thrombozyten) zu erhalten, werden die empfindlichen Konzentrate in der Regel bei Raumtemperatur gelagert und ständig bewegt. „Diese Art der Lagerung schafft ideale Wachstumsbedingungen für Bakterien“, erläutert Seltsam. Selbst wenn das Konzentrat zu Beginn nur sehr wenige Bakterien enthalte – eine Kontamination, die nie ganz zu vermeiden sei –, könnten diese binnen weniger Stunden zu großer Zahl heranwachsen und beim Empfänger zu einer schweren Sepsis führen. Das Risiko für eine Sepsis liege derzeit bei rund 1:10.000.

Mit einer Pathogeninaktivierung ließe sich nicht nur das Sepsisrisiko minimieren, die Thrombozytenkonzentrate könnten möglicherweise auch länger als die bislang maximal erlaubten vier Tage gelagert werden und müssten daher seltener verworfen werden. „Doch obwohl auch für diese Blutprodukte Inaktivierungsverfahren zugelassen seien, würden sie bislang aus Kostengründen nur selten eingesetzt“, erläutert der Transfusionsmediziner. Im Frühjahr wurde ein neues Verfahren zur Pathogeninaktivierung zugelassen, das mit UV-C-Strahlung arbeitet.

Allerdings hat jedes neue Verfahren auch Nebenwirkungen und Nachteile. So gehen abhängig von der verwendeten Technologie Thrombozyten während der Herstellung verloren und es gibt Hinweise, dass es häufiger zu immunologischen Unverträglichkeitsreaktionen in Form von Antikörperbildungen kommen kann. „Aus diesem Grund ist ein differenziertes Vorgehen, welches auf wissenschaftlicher Basis alle Aspekte berücksichtigt, sehr empfehlenswert“, betont Professor Dr. Holger Hackstein, Präsident der DGTI.

„Die Pathogeninaktivierung ist eine neue Möglichkeit, Blutprodukte noch sicherer zu machen. Die DGTI unterstützt ausdrücklich die Durchführung von klinischen Studien zur Prüfung der Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Pathogeninaktivierung und die Bewertung von geeigneten Verfahren nach Prüfung durch die Bundesoberbehörde Paul-Ehrlich Institut“, betont Hackstein. Seltsam ergänzt: „Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass die Pathogeninaktivierung erst dann zur Routine wird, wenn sie von behördlicher Seite angeordnet wird und die Krankenhäuser die Mehrkosten erstattet bekommen“, unterstreicht Transfusionsmediziner Seltsam.

Wie genau die Verfahren zur Pathogeninaktivierung funktionieren und welche Vorteile und Nachteile sie bieten, erläutert Professor Dr. Axel Seltsam im Rahmen einer Online-Pressekonferenz der DGTI am 19. September von 12:00 bis 13:00 Uhr.

Online-Pressekonferenz
anlässlich der 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e.V. (DGTI)

Termin: 19. September 2023, 12.00 – 13.00 Uhr
Ort: Online-Pressekonferenz
Teilnahmelink: https://us02web.zoom.us/webinar/register/WN_9CRgqq0TR12MsIF4DMWTRQ

Themen und Referenten:  

Organtransplantation: Warum Transplantationspatienten in Deutschland kaum von der neuen Präzisionsmedizin profitieren
Professor Dr. med. Rainer Blasczyk
Kongresspräsident der 56. Jahrestagung der DGTI und Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin und Transplantat Engineering an der Medizinischen Hochschule Hannover 

Personalisierte Medizin gegen Krebs – neue Erkenntnisse in der Immuntherapie
Professor Dr. med. Britta Eiz-Vesper, Institut für Transfusionsmedizin und Transplantat Engineering, Medizinische Hochschule Hannover

Wie sicher sind Blutprodukte?
Professor Dr. med. Axel Seltsam
Kongresspräsident der 56. Jahrestagung der DGTI, Ärztlicher Geschäftsführer des Blutspendediensts des Bayerischen Roten Kreuzes 

Blood Pharming: Sind Blutprodukte aus dem Labor die Zukunft? Chancen und Grenzen bei der Herstellung künstlicher Blutprodukte
Professor Dr. med. Torsten Tonn, Medizinischer Geschäftsführer und Institutsleiter beim DRK Blutspendedienst Nord-Ost (Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin, Brandenburg und Sachsen); Lehrstuhlinhaber für Transfusionsmedizin an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden

Moderation: Sabrina Hartmann, DGTI-Pressestelle, Stuttgart

 Terminhinweise:

Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) e.V.
Termin: Dienstag, 19. September 2022, 12.00 – 13.00 Uhr
Ort: Online-Pressekonferenz
Anmeldelink: https://us02web.zoom.us/webinar/register/WN_9CRgqq0TR12MsIF4DMWTRQ
56 Jahrestagung der DGTI
Termin: 20. bis 22. September 2023
Ort: Mercure Hotel Moa Berlin, Anmeldung per Mail an schoeffmann@medizinkommunikation.org