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Erste Übersicht der Langzeitfolgen von Krebsimmuntherapien

Krebs-Therapien mit so genannten „Immuncheckpoint-Inhibitoren“ (ICI) sind inzwischen weit verbreitet, doch ihre Langzeitwirkungen noch kaum erfasst. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben nun erstmals systematisch Studien zu den Langzeitfolgen dieser Therapien zusammengefasst. Ein signifikanter Anteil der Cancer Survivor berichtet über eingeschränkte Lebensqualität und unerwünschte Nebenwirkungen der Therapie. Allerdings sei noch wesentlich detaillierteres Wissen über die Langzeiteffekte der ICI erforderlich, betonen die Forschenden, um den Betroffenen die bestmögliche Nachsorge zu bieten.

Im Jahr 2011 wurde erstmals ein Immuncheckpoint-Inhibitor („ICI“) für die Behandlung von fortgeschrittenem schwarzen Hautkrebs zugelassen. Heute ist diese Form der Immuntherapie neben Chirurgie, Chemo- und Strahlentherapie zu einer vierten Säule der Krebsmedizin geworden. ICIs aktivieren die Tumorabwehr, indem sie hemmende Kontakte zwischen Krebszellen und Immunzellen verhindern. Bildlich gesprochen lösen sie die Bremsen des Immunsystems.

Die Behandlungen bedeuten in vielen Fällen für die Betroffenen einen Gewinn an Lebenszeit von mehreren Jahren. Doch wenig bekannt sind bisher die Langzeitfolgen dieser Therapieform, die im Gegensatz zu den Spätfolgen von Strahlen- oder Chemotherapien noch kaum erforscht sind.

„Durch verbesserte Behandlungen überleben immer mehr Betroffene ihre Krebsdiagnose immer länger. In Deutschland leben heute etwa fünf Millionen Menschen mit oder nach einer Krebserkrankung. Sie werden auch als „Cancer Survivor“ bezeichnet. Langzeitfolgen von Krebs-Immuntherapien betreffen daher eine erhebliche Anzahl von Menschen“, sagt Volker Arndt vom DKFZ.

Mit seiner Arbeitsgruppe startete Arndt daher erstmals eine systematische Literaturrecherche zu dieser Frage. Das Team wertete dazu 39 publizierte Untersuchungen aus, die die Lebensqualität von Patienten erfassten, die eine ICI-Behandlung bekommen hatten. Es wurden nur solche Untersuchungen in die Analyse einbezogen, bei denen die Immuntherapie in der klinischen Routineversorgung (und nicht im Rahmen einer klinischen Studie) eingesetzt wurde. Die Studien erfassten toxizitätsbedingte gesundheitliche Belastungen sowie psychosoziale und finanzielle Aspekte der Erkrankung.

Ein deutlicher Anteil der Survivor hatte langanhaltende unerwünschte Nebenwirkungen, die auf die immunstimulierende Wirkung der Medikamente zurückzuführen sind. Dazu zählen etwa entzündliche Reaktionen des Magen-Darm-Traktes oder der Lunge, die teilweise sogar erst nach Ende der Therapie auftreten. Ein Drittel der ICI-Behandelten klagte zudem über psychosoziale Probleme wie Depressionen oder Angstzustände, deutlich über ein Drittel berichtete von neurokognitiven Einschränkungen. Über entsprechende Beschwerden berichten aber auch Patienten, die keine ICI-Therapie erhalten haben.

„Die meisten in unsere Analyse einbezogenen Studien kranken an geringer Teilnehmerzahl, und daran, dass eine Kontrollgruppe aus der Allgemeinbevölkerung fehlt und dass nicht mit anderen Therapiearten verglichen wurde. Eine Schwäche ist außerdem, dass die Cancer Survivor nur zu einem bestimmten Zeitpunkt befragt wurden, anstatt ihre Lebensqualität über einen längeren Zeitraum hinweg zu dokumentieren“, sagt Volker Arndt.

Doch trotz der eingeschränkten Studienlage macht die Analyse von Arndt und Kollegen deutlich, dass die Lebensqualität eines erheblichen Anteils der ICI-behandelten Cancer Survivor langfristig beeinträchtigt ist. „Um den Betroffenen die bestmögliche Nachsorge zu bieten, ist detailliertes Wissen über die Langzeiteffekte der ICI wichtig“, so Arndt und ergänzt: „Angesichts der weiten Verbreitung der ICI sind dringend umfassendere Studien erforderlich, damit auch Fragen adressiert werden können, die bislang nur unzureichend untersucht worden sind.“

Dazu zählen nach Ansicht der Heidelberger Forschenden insbesondere Fragen nach Einschränkungen der Fruchtbarkeit und nach einer möglichen Rückkehr in den Beruf. Beides gewinnt zunehmend an Bedeutung, da mit früherem Beginn der ICI-Therapien immer mehr Krebserkrankungen langfristig kontrolliert werden können.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfrschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)

Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Originalpublikation:

Deniz Can Güven, Melissa SY Thong, Volker Arndt: Survivorship outcomes in patients treated with immune Checkpoint inhibitors: A scoping review
Journal of Cancer Survivorship 2024, DOI: 10.1007/s11764-023-01507-w