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Therapeutisches Reiten in Kombination mit Standardbehandlung lindert womöglich Multiple Sklerose-Symptome

Original Titel:
Hippotherapy for patients with multiple sclerosis: A multicenter randomized controlled trial (MS-HIPPO).

Patienten der Multiplen Sklerose leiden unter einer Vielzahl von Symptomen, darunter Erschöpfungsgefühl (Fatigue) und Schmerzen. Dazu kommen häufig auch sogenannte Spastiken, die sich beispielsweise in der Verstärkung mancher Reflexe, aber auch schmerzhaften Muskelkrämpfen äußern. Allgemein leidet dadurch die Lebensqualität der Patienten. Es existieren bisher allerdings nur wenige fundierte, wissenschaftlich geprüfte Behandlungsoptionen, die gerade bei solchen Symptomen einen ergänzenden Beitrag leisten können.

Die Multizentrenstudie von Vermöhlen und Kollegen mehrerer deutscher Institute untersuchte nun den Effekt von Hippotherapie, therapeutischem Reiten, als alternativem Ansatz in Kombination mit Standardbehandlung. 70 erwachsene Multiple Sklerose-Patienten (57 Frauen, 13 Männer, durchschnittlich 51 Jahre alt) wurden in 5 deutschen Studienzentren rekrutiert und zufällig entweder einer Behandlungsgruppe (12 Wochen Hippotherapie, n = 32) oder einer Kontrollgruppe (n = 38) mit ausschließlicher Standardbehandlung zugeteilt. Mit der Berg-Balanceskala wurde nach 12 Wochen das Gleichgewichtsverhalten überprüft. Außerdem wurden Effekte auf Fatigue, Schmerzen, Spastik und Lebensqualität untersucht. Der Schweregrad der Beeinträchtigung durch die Multiple Sklerose wurde mit der erweiterten Behinderungsskala (expanded disability status scale, EDSS) ermittelt. Das vorrangige Wirkziel der Behandlung, in Anlehnung an frühere Studien, war eine Verbesserung des Gleichgewichts um mindestens 6 Punkte nach 12 Wochen Therapie.

Die mittlere Differenz in der Gleichgewichtsmessung betrug 2,33 (Berg-Balanceskala) zwischen Therapie- und Kontrollgruppe. Die reitenden Patienten hatten also ein besseres Gleichgewicht als die Patienten, die nur die Standardbehandlung ohne therapeutisches Reiten erhalten hatten. Dieser Effekt war am deutlichsten bei schwerer beeinträchtigten Patienten: bei einem EDSS-Wert von mindestens 5 können Patienten maximal Strecken von 200 m ohne Hilfe selbständig gehen und sind nur noch eingeschränkt arbeitsfähig. Die Reittherapie verbesserte das Körpergleichgewicht für diese Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe um 5,1 Punkte in der Berg-Balanceskala. In der Therapiegruppe verbesserten sich auch andere Symptome. Die Patienten waren weniger stark erschöpft (mittlere Differenz -6,8) und litten weniger unter Spastiken (mittlere Differenz -0,9). Basierend auf einem standardisierten Fragebogen zur Lebensqualität bei Multipler Sklerose (MSQoL-54) zeigten sich infolge der Reittherapie Verbesserungen in der allgemeinen körperlichen (mittlere Differenz 12,0) ebenso wie in der psychischen Gesundheit (mittlere Differenz 14,4).

Hippotherapie in Kombination mit Standardbehandlung kann also verschiedene Symptome wie Gleichgewicht, Fatigue, Spastik und Lebensqualität bei Patienten der Multiple Sklerose verbessern. Das eigentliche Wirkziel, eine Verbesserung des Gleichgewichts um mindestens 6 Punkte in der Berg-Balanceskala, wurde nicht erreicht. Für eine klinische Relevanz sind die Auswirkungen (Effektgrößen) damit zu gering. Jedoch zeigte sich das therapeutische Reiten trotzdem als ein möglicher ergänzender Ansatz zur Linderung schwer beeinträchtigender Symptome, gerade auch für spastische Krämpfe, der vielleicht auch auf Nachfrage verstärkt angeboten werden könnte.

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