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Psychische Symptome von Multiple Sklerose-Schüben in symptomfreien Phasen – mögliche Schubvorhersage durch Stimmungsveränderungen

Original Titel:
Neuroinflammation drives anxiety and depression in relapsing-remitting multiple sclerosis.

Kranksein schlägt auf das Gemüt – und oft umso stärker, je stärker man leidet. Bei der episodischen, schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose wechseln sich aktive Krankheitsphasen, in denen die Patienten sicher auch psychisch leiden, mit Zeiten der Remission ab, in denen das körpereigene Abwehrsystem zur Ruhe kommt und die Nervenzellen nicht weiter angreift. Jedoch gibt es auch Phasen, in denen zwar Entzündungsprozesse vorliegen, die Patienten aber (noch) nicht unter körperlichen Symptomen zu leiden haben. Aber zeigen sich in diesen Zeiten eventuell bereits psychische Symptome? Ziel der Studie von Neurologin Dr. Rossi und Kollegen verschiedener Institute in Italien war es zu untersuchen, ob entzündliche Prozesse in der Multiplen Sklerose die Entwicklung psychiatrischer Symptome beeinflussen, und ob dies auch geschieht, wenn die Erkrankung subklinisch, also symptomfrei, abläuft. Gleichzeitig wurde analysiert, ob die psychiatrischen Begleiterkrankungen zur Prognose der MS beitragen konnten.

405 Patienten mit episodischer Multiplen Sklerose wurden mit Hilfe des Beck-Depressionsinventar-Fragebogens (BDI-II) und dem Status-Angst-Inventarfragebogen (STAI) psychiatrisch untersucht. Die Entzündungsaktivität wurde mit bildgebenden Verfahren gemessen. Aus dieser Messung ergab sich, ob die Patienten derzeit in einer Phase des Krankheitsstillstands oder in einem aktiven, entzündlichen Krankheitsschub befanden. In einer Untergruppe von 111 bisher unbehandelten Patienten wurde zusätzlich der entzündungsfördernde Cyotkin-Gehalt der Gehirnrückenmarksflüssigkeit festgestellt. Diese Messwerte wurden anschließend miteinander verglichen. Die Patienten wurden also nach Krankheitsaktivität gruppiert: ohne Krankheitsaktivität (Remission), aktive Entzündung und Symptome (Schub), und aktive Entzündung ohne Krankheitssymptome (symptomfreier Schub).

Die Schub-Patienten zeigten stärkere Ängste (STAI) und depressive Symptome (BDI) als Patienten, deren Erkrankung gerade nicht aktiv war. Es gab keine messbaren Unterschiede zwischen Schub-Patienten mit und ohne Symptome einer aktiven Multiplen Sklerose. Die Entzündungsprozesse zeigten sich also in der Stimmung der Patienten, selbst wenn diese scheinbar symptomfrei waren.

Je geringer die aktive Entzündung der Nervenbahnen, desto geringer waren auch die Ängste und Depressionen. Verschiedene Typen von Cytokinen in der Gehirnrückenmarksflüssigkeit stimmten dabei entweder eher mit dem Ausmaß der Ängste (Interleukin-2) oder dem Ausmaß der Depressionen (Alpha-Tumornekrosefaktor, Interleukin-1Beta) überein. Da die Stimmungsstörungen auch mit symptomfreien Entzündungen einhergingen, konnten Veränderungen im psychologischen Profil der Patienten eine entzündliche Aktivierung der Multiplen Sklerose früher erkennen lassen. Dabei waren vor allem Ängste, also hohe Werte im STAI-Fragebogen, gut geeignet zur Vorhersage eines möglichen Schubs.

Stimmungsschwankungen und –änderungen können also möglicherweise durch Entzündungen in der Gehirnrückenmarksflüssigkeit ausgelöst werden, selbst wenn diese Entzündungen dabei nicht klinisch auffällig sind. Die Stimmungsänderungen bieten damit womöglich die Chance, Krankheitsschübe in der episodischen Multiplen Sklerose vorherzusagen. Entzündungen erscheinen nach dieser Studie also bei Stimmungsstörungen als ebenso bedeutsam wie psychosoziale Erfahrungen und Krisen. Es ist denkbar, dass ähnliche Prozesse auch bei klassischen Depressionen stattfinden und ebenso Entzündungen im Körper und Stimmungsschwankungen sich gegenseitig beeinflussen.

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