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Was tun bei Psychosen im Rahmen der Alzheimererkrankung? Pimavanserin aus der Parkinson-Therapie scheint in gut verträglicher Dosierung zumindest für einige Wochen Abhilfe schaffen zu können

Original Titel:
Evaluation of the safety, tolerability, and efficacy of pimavanserin versus placebo in patients with Alzheimer's disease psychosis: a phase 2, randomised, placebo-controlled, double-blind study

Pimavanserin ist ein spezieller Wirkstoff, der in den USA zur Behandlung von Halluzinationen und ähnlichen Symptomen der Psychosen im Rahmen der Parkinsonerkrankung zugelassen ist. Das antipsychotische Mittel soll dabei weniger Nebenwirkungen haben als ältere Wirkstoffe. Auch bei der Alzheimererkrankung kann es zu Psychosen kommen. Derzeit gibt es dafür jedoch keine sichere oder wirksame medikamentöse Behandlung. Ziel der vorliegenden Studie war es daher, die Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit von Pimavanserin als Antipsychotikum bei an Alzheimer erkrankten Patienten mit einer Psychose zu überprüfen.

Antipsychotika aus der Parkinsonbehandlung auch bei Alzheimerpatienten mit Psychosen?

Die Forschungsgruppe unter der Leitung des Demenzexperten Prof. Ballard von der medizinischen Universität von Exeter in Großbritannien führte dazu eine klinische Studie der Phase 2 durch. In dieser Studie wurden betroffene Patienten aus verschiedensten angeschlossenen Pflegeheimen in einem medizinischen Zentrum behandelt. Welche Behandlung sie erhielten (Wirkstoff oder Placebo), wurde zufallsverteilt zugeordnet, so dass weder die Patienten noch die behandelnden Pfleger oder Ärzte über die tatsächliche Behandlung informiert waren (randomisierte Doppelblindstudie). Teilnehmer waren sowohl Männer als auch Frauen, waren mindestens 50 Jahre alt, litten wahrscheinlich unter der Alzheimererkrankung (auch Diagnosen auf Basis von Symptomen genügten) und gleichzeitig unter psychotischen Symptomen. Dazu konnten Halluzinationen beim Sehen oder Hören zählen oder auch Wahnvorstellungen. Die Patienten wurden in gleich große Behandlungsgruppen aufgeteilt. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Gruppen auch in ihrer durchschnittlichen Denkleistung (Mini-Mental-Status-Test) und dem Schweregrad der Psychosen (Skala des Neuropsychiatrischen Inventars) vergleichbar waren. Sie erhielten über 3 Monate hinweg entweder zweimal täglich eine Tablette mit je 17 mg Pimavanserin oder mit einem Scheinmedikament (Placebo).

Pimavanserin oder Placebo für 181 Betroffene mit Halluzinationen oder Wahnvorstellungen

Zwischen Januar 2014 und Oktober 2016 wurden 345 Patienten aus 133 Pflegeheimen untersucht. Von diesen wurden 181 Patienten in die Studie aufgenommen und zufällig dem Wirkstoff (90 Patienten) oder dem Placebo (91 Patienten) zugeordnet. In die abschließende Analyse gingen die Ergebnisse von 178 Teilnehmern ein. Zu Beginn der Studie lag der mittlere Schweregrad der Psychosen (nach der Skala des Neuropsychiatrischen Inventars) bei 9,5 (Wirkstoffgruppe) und 10 (Placebogruppe). Nach 6 Wochen Behandlung sank dieser Wert bei der Wirkstoffgruppe um fast 4 Punkte, aber nur um knapp 2 Punkte in der Placebogruppe. Nach 3 Monaten, also zum Ende der Studie, fand sich allerdings kein messbarer Vorteil der Behandlung mit dem Wirkstoff gegenüber der Behandlung mit dem Placebo: der mittlere Unterschied im Schweregrad der Psychose betrug zwischen den Gruppen nur noch 0,5 Punkte.

Nur kurzfristige Wirkung auf die Schwere der Psychosen

Wie häufig fanden nun sogenannte ‚unerwünschte‘ Ereignisse während dieser Studie statt und konnten sie dem Wirkstoff zugeschrieben werden? Die typischsten Ereignisse waren Stürze: in jeder der beiden Gruppen fielen 21 Teilnehmer im Verlauf der Studie. Auch Harnwegsinfektionen waren häufig – sie betrafen 20 Patienten in der Wirkstoffgruppe und 25 Patienten der Placebogruppe. Ein typisches Symptom bei Demenzerkrankungen, die Unruhe zusammen mit starker Aufgeregtheit (Agitation), betraf 19 Menschen aus der Wirkstoffgruppe, aber auch 13 Menschen aus der Placebogruppe. 8 der Wirkstoff-Teilnehmer sowie 11 der mit Placebo Behandelten beendeten die Studie vorzeitig aufgrund unerwünschter Ereignisse. Bei keiner der beiden Gruppen zeigten sich negative Auswirkungen auf die Denkleistung oder die Bewegungsfähigkeit. Generell schienen sich damit die Häufigkeit und die Art der unerwünschten Ereignisse in beiden Gruppen zu gleichen. Pimavanserin schien also gut verträglich zu sein.

Pimavanserin ist bei Alzheimerdemenz mit Psychosen verträglich, aber in der Testdosis nur für kurze Zeit nützlich

Zusammenfassend zeigte sich in dieser Studie, dass Pimavanserin kurzfristig (zum Messpunkt nach 6 Wochen) wirksam gegen Psychosen bei der Alzheimererkrankung half und dabei gut verträglich schien. Auch die Denkleistung wurde nicht negativ durch das Mittel beeinflusst. Eine längerfristige Behandlung zeigte allerdings keine Wirksamkeit mehr im Vergleich zum Placebo. Es ist noch unklar, inwieweit diese kurzfristige Nutzbarkeit des Mittels für den pflegerischen und klinischen Alltag sowie für das Leben der Patienten einen wertvollen Beitrag liefern könnte. Immerhin ist damit aber ein Medikament greifbar, das zumindest für kurze Phasen von einigen Wochen bei Psychosen im Rahmen der Alzheimererkrankung helfen könnte. Weitere Studien werden derzeit durchgeführt, um die Wirksamkeit (auch in höheren Dosierungen) und vor allem die Verträglichkeit über noch längere Phasen sicherzustellen, bevor das Medikament auch in Europa für eine Alzheimerbehandlung zugelassen werden kann.

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