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Rauchst Du noch oder dampfst Du schon?

Forschende um Reto Auer vom Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM) wollen herausfinden, ob Verdampfer (Vaporizer), mit denen Nikotin inhaliert wird, sich zur Rauchentwöhnung eignen, und welche Auswirkungen sie auf die Gesundheit haben. Die grossangelegte Studie soll erstmals Resultate zu einem umstrittenen und unzureichend erforschten Thema liefern.

Interview: Nathalie Matter

«uniaktuell»: Was sind Vaporizer?
Reto Auer: Es handelt sich um Geräte mit einem Mundstück, einem Akku, einem elektrischen Verdampfer und einem Behälter mit der zu verdampfenden Flüssigkeit, «Liquid» genannt. Diese wird beim Ziehen am Mundstück erhitzt oder vernebelt und dann inhaliert. Es gibt Liquids mit und ohne Nikotin.

Warum wurden diese Geräte entwickelt?
Der erste kommerziell erfolgreiche Verdampfer wurde in China von Hon Lik, einem 52-jährigen Apotheker – und Raucher – im Jahr 2003 hergestellt. Berichten zufolge hat er das Gerät entwickelt, nachdem sein Vater, ebenfalls ein starker Raucher, an Lungenkrebs gestorben ist. Die ersten Alternativen zu Tabakzigaretten, die als weniger schädlich galten, wurden aber schon in den 60er Jahren patentiert. Seit einigen Jahren gibt es eine explosionsartige Entwicklung, mit Tausenden von Modellen, die auf einem sehr kompetitiven Markt lanciert werden.

Und warum sind Vaporizer umstritten?
Rauchen ist die häufigste vermeidbare Todesursache in der Schweiz. In unserer Praxis haben wir häufig mit Raucherinnen und Rauchern zu tun, die finden, dass ihnen der Vaporizer bei der Rauchentwöhnung hilft und dass ihr Konsum mit weniger gesundheitlichen Folgen verbunden sei, als wenn sie Zigaretten rauchen. Die Positionen der Gesundheitsfachleute und Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger der Politik gegenüber Verdampfern sind aber kontrovers: Einige vertreten die Ansicht, dass diese als sichere Alternative zum konventionellen Tabakrauchen aktiv angepriesen werden sollten; andere sind der Meinung, dass man von deren Gebrauch abraten sollte, da sie gesundheitsschädlich sein könnten und nicht zum Rauchstopp beitragen.

Was wollen Sie mit Ihrer Studie erreichen?
Die Resultate unserer Studie sollen Konsumierenden, Gesundheitsfachpersonen und der Politik unabhängige und fundierte Informationen zur Wirksamkeit und Sicherheit von Verdampfern liefern. Die Studie soll zeigen, ob sich Verdampfer zur Rauchentwöhnung eignen und damit Raucher-assoziierte Erkrankungen und Folgekosten für das Gesundheitswesen reduziert und langfristig etliche Leben gerettet werden könnten.

Was untersuchen Sie genau?
Wir wollen überprüfen, ob mit Hilfe von Verdampfern ein totaler Rauchstopp erreicht oder die Anzahl gerauchter Zigaretten gesenkt werden kann. Erste Studien sprechen dafür, sind jedoch aufgrund kleiner Fallzahlen noch wenig aussagekräftig. Zur Sicherheit der Verdampfer gibt es bisher kaum kontrollierte Studien. Deshalb werden wir auch allfällige Nebenwirkungen erfassen, um die Sicherheit der Verdampfer zu beurteilen. Schliesslich werden wir auch krebserregende Stoffe im Urin messen, um mögliche Spätfolgen des Vaporizerkonsums abschätzen zu können. Dabei werden rund 1200 Raucherinnen und Raucher, die einen Rauchstopp anstreben, über sechs Monate begleitet.

Wie sieht diese Begleitung aus?
Die Hälfte der Teilnehmenden wird einen Vaporizer mit nikotinhaltigen Nachfüllflüssigkeiten erhalten, die sie beliebig oft nutzen können. Zusätzlich erhalten die Teilnehmenden zu mehreren Zeitpunkten eine wissenschaftlich fundierte Beratung zur Rauchentwöhnung. Die zweite Hälfte der Teilnehmenden erhält ausschliesslich die Rauchentwöhnungsberatungen.

Verdampfer gibt es schon seit über 50 Jahren. Warum sind sie so schlecht erforscht?
Hersteller von Vaporizern müssen keine wissenschaftlichen Studien durchführen, um die Wirksamkeit und Sicherheit ihrer Produkte vor der Vermarktung zu prüfen. Vaporizer werden hauptsächlich in China in unregulierten, hart umkämpften Märkten entwickelt, produziert und verkauft. Der Wettbewerb im Markt hält den Preis von Vaporizern niedrig. Unternehmen, die Vaporizer herstellen, sind möglicherweise nicht interessiert oder haben keine finanziellen Mittel, um in grosse Studien, welche die Effektivität und Sicherheit von Vaporizern prüfen, zu investieren.

Wie wird Ihre Studie also finanziert?
Für unsere Studie mit einem Thema wie das unsrige, das nicht im Fokus der Industrie steht und unzureichend erforscht wird, bleibt daher nur noch eine Finanzierung durch öffentliche Mittel. Entsprechend dankbar sind wir, dass der Schweizerische Nationalfonds (SNF) die Studie wegen ihrer hohen klinischen Relevanz und ihrer öffentlichen Bedeutung unterstützt.

Zur Person

Prof. Dr. Reto Auer ist Leiter Forschung am Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM) der Universität Bern. Er erforscht hauptsächlich die Förderung der Prävention und von Früherkennungsmassnahmen in der Hausarztmedizin.

ESTxENDS-Studie

Im Rahmen einer randomisierten kontrollierten klinischen Studie werden 1172 Raucherinnen und Raucher, die einen Rauchstopp anstreben, jeweils über 6 Monate individuell begleitet. Nach Zufallsprinzip wird die Hälfte der Teilnehmenden eine Rauchentwöhnungsberatung und zusätzlich einen Verdampfer mit nikotinhaltigen Liquids erhalten. Die zweite Hälfte der Teilnehmenden erhält ausschliesslich die Rauchentwöhnungsberatung.

Das wichtigste Resultat der Studie wird die Beurteilung der Effektivität von Verdampfern zur Tabakentwöhnung sein, indem überprüft wird, ob mit Hilfe von Verdampfern ein totaler Rauchstopp erreicht werden kann. Gleichzeitig werden allfällige Nebenwirkungen erfasst, um die Sicherheit der Verdampfer zu beurteilen. Weiter wird erhoben, inwiefern sich die Schadstoffexposition beim Konsum von Verdampfern im Vergleich zum Tabakrauchen ändert, und ob sich gesundheitliche Aspekte wie Atemwegsbeschwerden sowie Blut- und Urinwerte, beispielsweise bezüglich oxidativem Stress oder kardiovaskulären Risikofaktoren, verbessern.

An der Studie beteiligt sind das Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM), das Inselspital, Universitätsspital Bern, die Universitäten Lausanne und Genf sowie weitere Partner. Das Projekt wird für eine Laufzeit von vier Jahren vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt.

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