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Pharmazeuten erzielen Durchbruch bei Suche nach magensaftbeständigen Zusätzen für Medikamente

Nicht alle Arzneistoffe können über den Mund aufgenommen werden. Einige würden im Körper durch Magensäure zersetzt werden und wären somit wirkungslos. Deshalb suchen Pharmazeuten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Phospholipid Forschungszentrum Heidelberg e.V. geförderten Projekt nach synthetisch hergestellten Lipiden als Medikamenten-Träger, die nicht vom Magensaft angegriffen werden. Jetzt ist ihnen erstmals die Herstellung einer vielversprechenden, stabilen und gut mischbaren Substanz gelungen.

Erstmals haben Forscher vom Institut für Pharmazie der MLU im Labor ein Lipid mit speziellen Eigenschaften synthetisch hergestellt. Es ist einfach aufgebaut, aber es bleibt trotz allem stabil, wie Forscher um PD Dr. Simon Drescher in der Fachzeitschrift „Biophysical Chemistry“ beschreiben. Und es lässt sich gut mit herkömmlichen Lipiden mischen, und zwar unter Beibehaltung der liposomalen Struktur. „Das wiederum sind gute Voraussetzungen, an und mit dieser Substanz weiterzuarbeiten“, sagt Simon Drescher, Leiter der Arbeitsgruppe Biophysikalische Pharmazie an der MLU. Seit Langem werden in der Pharmazie Lipide, die aus einem wasserabweisenden und einem wasseranziehenden Teil bestehen, als Träger von Wirkstoffen eingesetzt. „Herkömmliche Lipide und daraus hergestellte Liposomen haben dabei allerdings den Nachteil, dass sie von Magensäure zersetzt werden und den eingekapselten Wirkstoff freigeben, der dann ebenfalls von der Magensäure angegriffen wird – somit können sie nicht über den Mund eingenommen werden“, sagt Drescher. Seit rund zehn Jahren forscht er an säureresistenten Lipiden. Ziel seiner Arbeit ist es, dass säureempfindliche, leicht zersetzbare Arzneistoffe künftig auch über den Mund eingenommen werden können.

Wie sich die neuartigen Liposomen in verschiedenen Flüssigkeiten verhalten, zum Beispiel in künstlichem Magensaft, will Drescher nun in einem weiteren Schritt untersuchen. Dabei soll analysiert werden, ob sich die neuen Substanzen perspektivisch für den Einsatz als Schutzmantel für säureanfällige Wirkstoffe eignen. Das Problem: „Die Liposomen müssen für diesen Zweck zwar stabil sein, aber auch nicht zu stabil“, erklärt Drescher. Denn die Substanz, und damit die Liposomen, sollen sich zwar nicht in der Magensäure auflösen, dafür aber im Darmtrakt. Dort sollen die Wirkstoffe freigesetzt werden, damit sie in den Körper gelangen. Erste Ergebnisse sind auch hier sehr vielversprechend. Sie zeigen, dass die Liposomen aus herkömmlichen Lipiden und den neuen Bolalipiden im Magensaft stabiler sind als im Darmsaft.

Ob und wie sich die Erkenntnisse später für die Entwicklung neuer Medikamente verwenden lassen, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. Die Substanz müsste zunächst als Modell-Arzneistoff ausgewiesen werden, an dem dann zunächst im Tierversuch pharmakologische Effekte geprüft würden. Erst dann könne über Tests am Menschen entschieden werden.

Das Projekt von Simon Drescher wurde bis 2018 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit rund 442.000 Euro gefördert. Bis Ende 2019 unterstützt das Phospholipid Forschungszentrum Heidelberg e.V. seine Arbeit nun mit weiteren 70.000 Euro.

Originalpublikation:
Müller S. et al. Mixing behaviour of bilayer-forming phosphatidylcholines with single-chain alkyl-branched bolalipids: effect of lateral chain length. Biophysical Chemistry (2018). doi: doi.org/10.1016/j.bpc.2018.10.003