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Enzephalitis: Entzündung im Gehirn – wie kann man sie erkennen und behandeln?

Am 22. November findet in Linz das erste Linzer Enzephalitis-Symposium am Neuromed Campus statt, in dessen Rahmen nationale und internationale Experten über die neuesten Erkenntnisse zu diesem Krankheitsbild referieren werden. Zielgruppen sind Neurologinnen und Neurologen, interessierte Internistinnen und Internisten sowie Infektiologinnen und Infektiologen als auch Ausbildungsärztinnen und -ärzte in diesen Fachbereichen.

Enzephalitiden sind Entzündungen des Gehirns. Sie können durch infektiöse – oft virale – oder autoimmunologische Ursachen bedingt sein. Eine der häufigsten Ursachen ist die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Mit 171 gemeldeten Fällen wurde 2018 österreichweit die seit über 20 Jahren höchste Neuerkrankungsrate registriert – ca. ein Drittel der Erkrankungen traten in Oberösterreich auf.[1] Einen deutlichen Zuwachs findet man aber auch bei den autoimmunologischen Enzephalitiden. Dies liegt vor allem aber daran, dass ein großer Teil dieser Autoimmunenzephalitiden überhaupt erst in der letzten Dekade beschrieben wurde. Aufgrund der Neuartigkeit dieses Krankheitsspektrums ist davon auszugehen, dass noch nicht alle Erkrankungsfälle gleich richtig erkannt werden. Ein früher Behandlungsbeginn ist jedoch wichtig, um Spätfolgen zu vermeiden. Ein Ziel des Symposiums ist daher auch die Sensibilisierung der Medizinerinnen und Mediziner für dieses Krankheitsbild.

Was kann eine Enzephalitis verursachen?

Eine Entzündung des Gehirns kann zum einen durch Infektionen verursacht werden. Eine in Oberösterreich häufigere Ursache ist die durch Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Aber auch andere Erreger – insbesondere aus der Gruppe der Herpes-Viren – können eine Enzephalitis bedingen. Durch klimatische Verschiebungen und Reiseaktivitäten kommen auch „exotische“ Krankheitsverursacher wie z.B. das West-Nil Virus vor.

Die zweite wichtige Krankheitsgruppe sind die sogenannten Autoimmun-Enzephalitiden (AIE). Autoimmun bedeutet, dass sich das Immunsystem gegen körpereigene Bestandteile richtet – in diesem Fall gegen Nervenzellen des Gehirns. Dies wiederum kann unterschiedliche Ursachen haben. Bei einem Teil der Patienten besteht eine Tumorerkrankung, z.B. der Lunge oder der Brust. Bei der Produktion von Abwehrzellen und Antikörpern gegen den Tumor kann es zu „Ungenauigkeiten“ kommen – mit der Folge, dass diese Abwehrmechanismen auch Gehirnzellen als fremd erkennen und bekämpfen. Diese Form der AIE ist schon relativ lange bekannt und oft schwierig zu therapieren.

Im Gegensatz dazu wurde vor gut zehn Jahren eine neue Untergruppe der AIE beschrieben, die auch unabhängig von einer Tumorerkrankung auftritt. Bei dieser kommt es zur Bildung von Antikörpern gegen an der Oberfläche von Nervenzellen gelegenen Eiweißen. Ein Beispiel ist die Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis. Hier sind die krankheitsverursachenden Antikörper gegen den Rezeptor – sozusagen die „Andockstelle“ – für Glutamat, einen wichtigen Botenstoff des Nervensystems, gerichtet. Im Gegensatz zu der erstgenannten Tumor-assoziierten Gruppe der AIE sind diese Erkrankungen oft gut behandelbar, insbesondere bei frühzeitigem Therapiebeginn. Übrigens, nicht nur Menschen können eine solche Enzephalitis bekommen: 2011 gelangte die Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis zu medialer Präsenz, nachdem der Eisbär Knut im Berliner Zoo bei einem durch diese Erkrankung verursachten epileptischen Anfall ertrank.

Was sind mögliche Symptome und Folgen einer Enzephalitis?

Typische Symptome im Akutstadium einer Enzephalitis sind Fieber, Bewusstseinsminderung, Verwirrtheit, epileptische Anfälle oder auch neurologische Ausfälle, wie z.B. Sprachstörungen. Gerade die AIE können sich jedoch auch subtiler äußern, z.B. durch neu aufgetretene psychiatrische Symptome (Wesensänderung, Depression, Psychosen) oder zunehmende Gedächtnisstörungen. Auch Bewegungsstörungen kommen vor. Unbehandelt können Enzephalitiden zu erheblichen Langzeitfolgen, wie z.B. bleibenden neurologischen oder psychischen Defiziten oder auch einer persistierenden Epilepsie, führen.

Wie wird die Enzephalitis diagnostiziert?

Bei Verdacht auf eine Enzephalitis besteht der erste Schritt in der Bestätigung derselben. Hierzu wird in der Regel eine Magnetresonanztomografie des Gehirns durchgeführt und Nervenwasser über einen Kreuzstich entnommen. Außerdem wird Blut abgenommen und häufig auch ein EEG, eine Ableitung der Hirnströme, durchgeführt. In einigen dieser Fälle kann eine Stoffwechsel-untersuchung des Gehirns, ein sogenanntes FDG-PET, weiterhelfen. Wird die (Verdachts-)-Diagnose einer AIE gestellt, sollte zudem eine Durchuntersuchung auf das Vorliegen eines Tumors hin erfolgen. Bestätigt sich der Enzephalitis-Verdacht, muss die genaue Ursache eingegrenzt werden. Hierzu werden aufwändige Untersuchungen aus Blut und Nervenwasser vorgenommen, um etwaige infektiöse Erreger oder Antikörper festzustellen. Dies ist allerdings oft gar nicht so einfach – bei bis zu 50 Prozent der Enzephalitiden bleibt die exakte Ursache weiterhin unklar. Hier gibt es noch viel Forschungsbedarf – gerade auch auf molekularbiologischer Ebene. Daher werden sich die Fachmedizinerinnen und -mediziner auf dem Symposium auch mit diesen grundlagen-wissenschaftlichen Aspekten der Diagnostik beschäftigen.

Welche Therapiemöglichkeiten bestehen?

Die Therapie hängt von der Ursache der Enzephalitis ab. Für einzelne infektiöse Erreger existieren spezifische Gegenmittel, so zum Beispiel für das Herpesvirus. Jedoch gibt es auch Mikroorganismen, gegen die wir noch keine solchen Mittel haben. Zum Teil besteht die Möglichkeit der Impfprophylaxe, so z.B. bei FSME und Masern. Im Falle einer Erkrankung kann jedoch lediglich eine unterstützende Therapie erfolgen, bis die körpereigenen Abwehrkräfte die Infektion in Schach halten. Manchmal sind hier sogar intensivmedizinische Maßnahmen wie künstliche Beatmung und medikamentöse Unterstützung der Herz-Kreislauffunktion notwendig.

Auch die AIE können im Akutstadium einen schweren Verlauf nehmen. Allerdings haben wir hier die Möglichkeit, das Immunsystem mit speziellen Medikamenten zu bremsen. Sollte eine Tumorerkrankung vorliegen, ist es wesentlich, diese zu behandeln. Außerdem müssen oft die Symptome der Enzephalitis therapiert werden, so z.B. epileptische Anfälle mit entsprechender Anfallsmedikation. „Da die AIE insgesamt selten und – wie oben geschildert – ein relativ neues Krankheitsbild sind, bleiben aktuell noch viele Fragen hinsichtlich der idealen Therapie offen. Unumstritten ist, dass ein frühzeitiger Beginn die besten Heilungschancen verspricht. Aber was sind Kriterien, die Behandlung zu intensivieren? Ab wann ist es sicher, die Therapie dieser manchmal chronisch bzw. in mehreren Schüben verlaufenden Erkrankungen zu reduzieren bzw. zu beenden? Welches ist die vielversprechendste Behandlungsmethode bei Vorliegen einer therapieresistenten Enzephalitis-bedingten Epilepsie? Kann hier die Epilepsiechirurgie eine Rolle spielen? Dies sind einige der Aspekte, die uns während des Symposiums beschäftigen werden“, sagt OÄ Dr.in Judith Wagner, Klinik für Neurologie 1 am Kepler Universitätsklinikum.

Kann ich mich vor einer Enzephalitis schützen?

Vor einigen Enzephalitis-Formen kann man sich durch eine Impfung schützen, z.B. FSME, Masern, Röteln und Mumps. Bei Auslandsaufenthalten sind die entsprechenden Impfempfehlungen der Tropeninstitute, z.B. gegen Japanische Enzephalitis, zu beachten. Eine spezifische Prophylaxe gegen AIE ist nicht möglich. Hier kommt es auf die Früherkennung an. Bei neu aufgetretenen epileptischen Anfällen, psychiatrischen Symptomen oder Bewegungsstörungen, für die es keine hinreichende alternative Erklärung gibt, heißt es vor allem: dran denken und die entsprechende Diagnostik durchführen“, betont Priv.-Doz. Prim. Dr. Tim von Oertzen, Vorstand der Klinik für Neurologie 1 am Kepler Universitätsklinikum.

[1] Quelle:  https://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/2/2/5/CH4060/CMS1553507173506 /jahresbericht_2018.pdf