Das GesundheitsPortal für innovative Arzneimittel, neue Therapien und neue Heilungschancen

Neue Wege der MS-Therapie mit Stammzellentransplantation: Kranke Abwehrzellen schwächen, gesunde Zellen fördern

Original Titel:
Effect of Nonmyeloablative Hematopoietic Stem Cell Transplantation vs Continued Disease-Modifying Therapy on Disease Progression in Patients With Relapsing-Remitting Multiple Sclerosis: A Randomized Clinical Trial.

Kurz & fundiert

  • Kranke Abwehrzellen schwächen, gesunde Zellen einsetzen, um die MS zu behandeln?
  • Vergleich von Standardbehandlung und Stammzellentransplantation bei 110 Patienten
  • Längeres Aufhalten der Erkrankung durch Stammzellentransplantation im Vergleich zu krankheitsmodifizierenden Medikamenten

 

DGP – Bei einem Fehler in der Immunabwehr, wie er bei der Multiplen Sklerose (MS) vorliegt, könnte es eine gute Idee sein, die kranken Abwehrzellen zu schwächen und gesunde Zellen zu fördern. Dazu kann das eigene System aus blutbildenden Zellen, das zu Angriffen auf das eigene Nervensystem führt, durch ein aufgefrischtes System ohne diese Grunderkrankung mittels Stammzellentransplantation ergänzt werden. Ein internationales Team von Neurologen und Immunologen untersuchte nun, wie sich eine Stammzellentransplantation im Vergleich zu einer üblichen medikamentösen Therapie mit sogenannten krankheitsmodifizierenden Medikamenten auf den Krankheitsfortschritt bei der MS auswirkte.


Hämatopoetische Stammzellentransplantation – davon hört man normalerweise im Zusammenhang mit der Multiplen Sklerose (MS) eher selten etwas. Dabei könnte die Methode eventuell eine nützliche Behandlungsform darstellen, um den Krankheitsfortschritt zu verlangsamen oder sogar fortschreitende Schädigungen bei der schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose (RRMS) zu verhindern.

Stammzellen sind die Alleskönner des Körpers: diese Zellen sind noch nicht spezialisiert oder auf eine Entwicklung festgelegt und können noch zu jeder Art von Körperzelle werden. Besonders viele solcher Zellen finden sich im Knochenmark, wo sich regelmäßig neue Blutzellen entwickeln. Dies geschieht mit den blutbildenden, griechisch hämatopoetischen, Stammzellen. Neben den roten Blutkörperchen geht es dabei besonders um die weißen Blutkörperchen, ein wesentlicher Teil unseres Immunsystems. Bei einem Fehler in der Immunabwehr, wie er bei der Multiplen Sklerose vorliegt, könnte es demnach eine gute Idee sein, die kranken Abwehrzellen zu schwächen und gesunde Zellen zu fördern. Das eigene System aus blutbildenden Zellen, das zu Angriffen auf das eigene Nervensystem führt, wird dann durch ein neue Zellen oder gar fremde Zellen ohne diese Grunderkrankung ergänzt. Eine solche Stammzellentransplantation wird als nicht-myeloablativ (nicht das Knochenmark und die Blutstammzellen zerstörend) bezeichnet.

Kranke Abwehrzellen schwächen, gesunde Zellen einsetzen?

Ein internationales Team von Neurologen und Immunologen untersuchte nun, wie sich eine nicht-myeloablative Stammzellentransplantation im Vergleich zu einer üblichen medikamentösen Therapie mit sogenannten krankheitsmodifizierenden Medikamenten auf den Krankheitsfortschritt bei der MS auswirkte.

Dazu wurden zwischen 2005 und 2016 110 Patienten mit schubförmiger MS (RRMS) zur Teilnahme gewonnen. Die Patienten hatten unter ihrer medikamentösen Therapie im vorhergehenden Jahr mindestens zwei Rückfälle erlitten und wurden in der Behinderungsgrad-Skala EDSS (expanded disability status scale) mit Werten zwischen 2,0 und 6,0 eingeordnet. Die Teilnehmer waren in vier US-amerikanischen, europäischen und südamerikanischen MS-Zentren in Behandlung. Die abschließende Nachsorgeuntersuchung fand im Januar 2018 statt. Die Patienten erhielten zufällig entweder die Stammzellen (55 Teilnehmer, Stammzellengruppe) oder aber eine MS-Medikation die stärker als ihre vorhergehende Therapie war, oder einer anderen Klasse von Medikamenten angehörte (55 Teilnehmer, Medikamentengruppe).

Ermittelt wurde die Wirksamkeit anhand des Krankheitsfortschritts (EDSS-Erhöhung um mind. 1 Punkt nach einem Jahr) zu jeweils zwei Untersuchungsterminen. Daraus wurde auch der durchschnittliche Zeitpunkt eines Krankheitsfortschritts berechnet.

Vergleich von Standardbehandlung und Stammzellentransplantation

Zu den 110 Patienten gehörten 73 (66 %) Frauen. Die Teilnehmer waren im Durchschnitt 36 Jahre alt. Nach einem Jahr konnten die Daten von 98 Patienten analysiert werden. 23 Patienten standen für eine Analyse auch nach 5 Jahren zur Verfügung. Im Mittel betrug die Nachbeobachtungszeit 2,8 Jahre. Ein Krankheitsfortschritt wurde bei 3 Patienten nach der Stammzellentransplantation und bei 34 Patienten in der Medikamentengruppe festgestellt. Aufgrund der geringen Zahl von Patienten mit fortschreitender Erkrankung konnte in der Stammzellengruppe keine durchschnittliche Zeit bis zu einem Krankheitsfortschritt berechnet werden. In der Medikamentengruppe lag dieser Zeitpunkt dagegen bei 24 Monaten. Während des ersten Jahres nach der Behandlung sanken die EDSS-Werte in der Stammzellengruppe von 3,38 auf 2,36. In der Medikamentengruppe stiegen diese Werte dagegen von 3,31 auf 3,98 an – der Behinderungsgrad nahm also im Schnitt zu. Es gab keine Todesfälle im Verlauf der Studie, und keinen Fall schwerer Toxizität im Rahmen der Stammzellentransplantation.

In dieser vorläufigen Studie mit Patienten mit der RRMS-Form der Multiplen Sklerose zeigte sich demnach, dass die nicht-myeloablative Stammzellentransplantation im Vergleich zu krankheitsmodifizierenden Medikamenten zu einem längeren Aufhalten des Krankheitsfortschritts führen kann. Weitere Forschung zu diesem Behandlungsansatz, speziell auch zur längerfristigen Wirkung und Sicherheit, sind demnach wünschenswert.

© Alle Rechte: DeutschesGesundheitsPortal / HealthCom