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Systematische Studienübersicht zum FES-Cycling bei MS: eventuell mehr Fitness und weniger Spastizität, sicher mehr Forschung nötig

Original Titel:
Evaluating functional electrical stimulation (FES) cycling on cardiovascular, musculoskeletal and functional outcomes in adults with multiple sclerosis and mobility impairment: A systematic review

DGP – Die Verminderung körperlicher Fitness kann zu Komplikationen und bei der Multiplen Sklerose den Krankheitsfortschritt verschlimmern. Fahrradfahren mit funktioneller elektrischer Stimulation, sogenanntes FES-Cycling oder FES-Fahrradfahren, könnte ein mögliches sportliches Training für Menschen mit MS und Bewegungsbeeinträchtigung ermöglichen, um deren Fitness zu verbessern. Ob FES-Fahrradfahren bei MS-Patienten messbar zur Gesundheit beitrug, untersuchten schottische Forscher nun in einem systematischen Review.


Menschen mit Multipler Sklerose sind durch die zunehmende Beeinträchtigung der Muskelkontrolle eingeschränkt in ihrer körperlichen Aktivität. Dadurch erhöht sich ihr Risiko für verschiedene Erkrankungen wie etwa Herz-Kreislauf-Probleme. Das zugrundeliegende Problem nennt man Dekonditionierung: in der Leistungsphysiologie wird damit die Verminderung der körperlichen Fitness und der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit bezeichnet, die zu weiteren Komplikationen führen kann, die körperlichen Funktionen beeinträchtigen und den Krankheitsfortschritt verschlimmern kann. Fahrradfahren mit funktioneller elektrischer Stimulation, sogenanntes FES-Cycling oder FES-Fahrradfahren, könnte ein mögliches sportliches Training für Menschen mit MS und Bewegungsbeeinträchtigung ermöglichen. Bei dem FES-Fahrradfahren nutzt man ein Ergometer, also ein Trimm-Dich-Rad, das auch im Rollstuhl einsetzbar ist. Während des klassischen Pedaltretrens stimulieren dabei an verschiedenen Hautstellen angebrachte Elektroden gezielt Muskeln, die somit selbst bei fehlender nervöser Kontrolle in der Bewegung mit aktiv kontrahieren.

Steigert Fahrradfahren mit funktioneller elektrischer Stimulation die Fitness bei MS-Patienten?

Ob diese zusätzliche Anregung der Muskelaktivität positive Effekte auf die Herzkreislaufsystem, Muskeln und Funktion bei Patienten mit MS hat, untersuchten Forscher nun in Schottland in einem systematischen Review. Dazu durchsuchten die Wissenschaftler vier elektronische Datenbanken (Medline, Web of Science, CINAHL und PEDro) nach Publikationen bis Januar 2019. Zu den Einschlusskriterien gehörte, dass Menschen mit MS-Diagnose Studienteilnehmer waren, die Teilnehmer mindestens 18 Jahre alt waren und die Patienten Bewegungsbeeinträchtigungen mit einem EDSS-Wert von mindestens 6 hatten. Um in die Analyse aufgenommen zu werden, mussten Studien zudem das FES-Fahrradfahren im Rahmen einer Interventionsstudie, also als Behandlungsform, untersuchen.

Systematische Studienübersicht zum FES-Cycling bei MS

Die Experten fanden 1 163 Studien, von denen 9 den Einschlusskriterien genügten. 5 dieser Untersuchungen verglichen die Teilnehmer vor und nach dem FES-Fahrradtraining, hatten aber keine Kontrollgruppe. Zwei Studien waren randomisiert kontrolliert durchgeführt worden, bei denen also auch eine Kontrollmethode verglichen wurde. Außerdem fanden sich eine retrospektive Studie und eine Fallstudie.

Aus vier Studien konnte ermittelt werden, dass die Abbruchrate bei dem therapeutischen Radfahren mit Stimulation recht hoch lag: 25,81 %, also etwa jeder vierte Teilnehmer, nahm an der jeweiligen Interventionsstudie nicht bis zum Ende teil. Es blieben 82 Patienten, die die FES-Fahrrad-Intervention komplett durchführten. Für 76 Teilnehmer lagen anschließend auch Behandlungsergebnisse vor. Die Ergebnisse waren sehr gemischt. Zwei Studien hatten eine vergleichbare Teilnehmergruppe und Behandlungsform, berichteten aber einander wiedersprechende Ergebnisse. In zwei Studien fanden sich nicht-signifikante Verbesserungen der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit nach der Intervention. Vier Studien berichteten keine Veränderung in der Kraft der unteren Extremitäten. Zwei Studien fanden allerdings signifikante Besserungen der Spastizität im Anschluss an das Training. Sicherheit und Verträglichkeit des Trainings wurden in vier Studien nicht berücksichtigt. Die fünf übrigen Untersuchungen fanden 10 unerwünschte Ereignisse, die bei 36 Teilnehmern auftraten. Ernste, auf das Training zurückzuführende, Probleme gab es nicht.

Unklare Effekte vom FES-Fahrradfahren bei MS-Patienten: weitere Forschung mit mehr Patienten nötig

Zusammenfassend sprechen also die bisherigen Untersuchungen dafür, dass FES-Fahrradfahren bei MS-Patienten durch eine Verbesserung der körperlichen Fitness eventuell die Risiken für Herzkreislaufprobleme und spastische Symptome verringern kann. Allerdings betonen die Forscher, dass die niedrige Qualität der bisherigen Untersuchungen keine gesicherten Schlüsse zulassen. Die Methode, Muskeln zu stimulieren und gleichzeitig ein Sportprogramm zu absolvieren, könnte also eine interessante Ergänzung des Therapieangebots bei MS sein, um die Fitness und Herz-Kreislauf-Gesundheit sowie Spastizität der Betroffenen auch bei bestehenden Bewegungseinschränkungen zu verbessern, sie benötigt aber noch mehr Forschung.

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