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Erhöhte Blut-Viskosität als Prädiktor für Herzkreislauf-Erkrankungen – und COVID-19-Komplikationen?

Original Titel:
COVID-19-associated hyperviscosity: a link between inflammation and thrombophilia?

Kurz & fundiert

  • Fallberichte der Emory University School of Medicine zu refraktärer Hyperkoagulabilität bei COVID-19
  • Erhöhte Plasmaviskosität korrelierte mit Thrombosen und Risiko für Organversagen
  • Hyperviskosität ein bekannter Risikofaktor für Thrombosen
  • Erhöhte Blut-Viskosität als Prädiktor für Herzkreislauf-Erkrankungen – und COVID-19-Komplikationen?

 

DGP – Kliniker der Emory University School of Medicine (Atlanta, USA) berichteten mehrere Fälle von COVID-19-Erkrankungen, bei denen Antikoagulationstherapien scheiterten. Das Team untersuchte die Patienten genauer, um die Ursachen dieser refraktären Hyperkoagulabilität zu ermitteln. Bei bislang 15 Patienten fanden sie eine COVID-19-assoziierte Hyperviskosität als mögliche ernste Konsequenz der Infektion mit SARS-CoV-2. Sie verfolgen nun aktiv mögliche Vorteile eines therapeutischen Plasmaaustausches bei der Behandlung von COVID-19-Patienten und raten Kollegen, auch auf mögliche COVID-19-assoziierte Hyperviskosität und hohe Fibrogenkonzentrationen zu achten.


Berichte von Komplikationen bei der COVID-19-Erkrankung infolge einer Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 erwähnen häufig Thrombosen und vergleichbare Koagulationsprobleme. Entsprechend wird inzwischen oft therapeutische Antikoagulation angewandt. Kliniker der Emory University School of Medicine (Atlanta, USA) rund um die Transfusionsmedizinerin und Pathologin Prof. Maier berichten nun mehrere Fälle von COVID-19-Erkrankungen, bei denen die Antikoagulation scheiterte. Das Team untersuchte daher die Patienten genauer, um die Ursachen der refraktären Hyperkoagulabilität zu ermitteln. Bei 15 Patienten fanden sie eine COVID-19-assoziierte Hyperviskosität als mögliche ernste Konsequenz der Infektion mit SARS-CoV-2.

Fallberichte von der Emory University School of Medicine zu refraktärer Hyperkoagulabilität bei COVID-19

Alle Patienten waren kritisch erkrankt auf der Intensivstation mit einer COVID-19-Pneumonie. 14 Patienten benötigten Intubation wegen eines akuten Lungenversagens (ARDS). 14 Patienten zeigten eine Encephalopathie, 12 Patienten benötigten Vasopressoren und 11 Patienten erlitten Nierenversagen und benötigten durchgehend Nierenersatztherapie. Alle Patienten wurden auf Basis des Klinikprotokolls antikoagulativ behandelt, wenn die D-Dimer-Konzentrationen über 3 μg/ml stiegen.

5 Patienten mit D-Dimer-Konzentrationen von 3 μg/ml oder höher und bekannter oder stark vermuteter Thrombose erhielten therapeutische Antikoagulation. Zwei der Patienten wurden intravenös mit Heparin behandelt, drei Patienten erhielten einen direkten Thrombininhibitor (Argatroban oder Bivalirudin), da eine Heparinresistenz vorlag oder das Risiko einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie bestand. Vier Patienten mit D-Dimer-Konzentrationen unter 3 μg/ml erhielten niedrigdosierte Thromboprophylaxe mit niedermolekularem Heparin oder subkutanem Heparin. Sechs Patienten mit D-Dimer-Konzentrationen von 3 μg/ml oder höher, aber ohne bekannte Thrombose, erhielten eine mittlere Dosis (subtherapeutisch) von niedermolekularem oder intravenösem Heparin.

Die 15 Patienten hatten eine Plasmaviskosität über 95 % des Normalwerts (Kapillar-Viskosimetrie), mit Werten zwischen 1,9–4,2 Centipoise (cP; Normbereich 1,4–1,8). Die vier Patienten mit Plasmaviskosität über 3,5 cP hatten auch dokumentierte, verschiedene thrombotische Komplikationen. Plasmaviskosität und das Risiko für Organversagen (SOFA-Score) korrelierten stark (Pearson’s r=0,841, R2=0,7072, p<0,001).

Erhöhte Plasmaviskosität korrelierte mit Thrombosen und Risiko für Organversagen

Hyperviskosität, schreiben die Autoren, schädigt das Endothel und ist ein bekannter Risikofaktor für Thrombosen. Es kann durch den Anstieg zellulärer Bestandteile oder von Plasmaproteinen entstehen, wie beispielsweise Fibrinogen oder Immunoglobulin. Konsistent mit Berichten zu Hyperfibrinogenaemie bei Patienten mit COVID-19 zeigten auch die hier beschriebenen Patienten substanziell erhöhte Fibrinogenkonzentrationen (Median 708 mg/dl, von 459–1188; Normbereich 200–393).

Hyperviskosität ein bekannter Risikofaktor für Thrombosen

Wie schon in einem früheren Review (Jeong et al., 2010 im medizin-wissenschaftlichen Fachjournal Cardiovascular Drugs and Therapy veröffentlicht) ausgeführt wurde, ist die Viskosität des Blutes ein Schlüssel für die Herzleistung. Erhöhte Blut-Viskosität scheint ein starker Prädiktor für Herzkreislauf-Erkrankungen zu sein und ein wichtiger pathophysiologischer Faktor bei der Entwicklung von Atherothrombose.

Blutspenden kann die Viskosität des Bluts reduzieren. Studien mit männlichen Blutspendern und Frauen vor der Menopause mit regulären Menstruationszyklen haben ein geringeres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse Herzinfarkt, Angina und Schlaganfall und für Behandlungen wie koronare Angioplastie und Bypass-Operationen als Männer, die nicht Blut spenden und Frauen nach der Menopause (Jeong et al., 2010). Die Autoren des älteren Review empfahlen, bei Bedarf die Blutviskosität zu überprüfen, um das kardiovaskuläre Risiko besser einzuschätzen – und führen eine Reihe von Risikofaktoren für erhöhte Blutviskosität in Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Problemen auf, die an die Liste von Risikofaktoren bei COVID-19 erinnern: unter anderem männliches Geschlecht, Alter, Rauchen, erhöhter Blutdruck, Übergewicht oder erhöhte Blutfettwerte.

Erhöhte Blut-Viskosität als Prädiktor für Herzkreislauf-Erkrankungenund COVID-19-Komplikationen?

Die Plasmapherese, bei der das Blutplasma abgetrennt und ersetzt wird, ist eine mögliche kurzfristige Behandlung für erhöhte Blutviskosität. Die Kliniker, die jetzt Viskosität bei COVID-19 thematisierten, schreiben, dass sie nun aktiv mögliche Vorteile dieses therapeutischen Plasmaaustausches bei der Behandlung von COVID-19-Patienten untersuchen und Kollegen weltweit zu einem achtsamen Blick auf den Faktor Viskosität raten. Weitere Studien werden benötigt, um Plasmakomponenten wie Fibrinogen und ihren Einfluss auf die COVID-19-assoziierte Hyperviskosität zu untersuchen.

[DOI: 10.1016/S0140-6736(20)31209-5 ]

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