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Schweres COVID-19: Schaltet das Virus die Immunabwehr ab?

Original Titel:
Severe COVID-19 is marked by a dysregulated myeloid cell compartment

Kurz & fundiert

  • Welche Rolle spielt die Immunabwehr bei schweren Verläufen von COVID-19?
  • Analyse der Immunzellen bei mildem und schwerem COVID-19 im Zeitverlauf
  • Steht eine dysfunktionale Immunantwort hinter schwerem COVID-19?

 

DGP – In einer Kohortenstudie in zwei Studienzentren (Bonn und Berlin) untersuchten Forscher immunologische Veränderungen bei COVID-19-Patienten. Die Studie zeigt ein detailliertes Bild der Immunantwort auf eine SARS-CoV-2-Infektion auf, die sich grundlegend bei milden und schweren Verläufen unterscheidet. Bei schweren COVID-19-Erkrankungen wird demnach die Verteidigung gegen das Virus vermutlich durch die Mobilisierung unreifer myeloischer Zellen im Knochenmark mit antiinflammatorischen Effekten zunichte gemacht. 


Die durch das neue Coronavirus ausgelöste Krankheit COVID-19 verläuft bei einem Teil der Betroffenen schwer und kann zu Atemwegsversagen führen. Laborwerte zu Immunzellen wie etwa die Neutrophilenzahlen deuten auf eine Rolle der Immunabwehr bei milden und schweren Verläufen. Die genauen Zusammenhänge sind allerdings bislang noch unklar.

Welche Rolle spielt die Immunabwehr bei schweren Verläufen von COVID-19?

In einer Kohortenstudie in zwei Studienzentren (Bonn und Berlin) untersuchten Forscher nun immunologische Veränderungen bei COVID-19-Patienten. Dabei kombinierten sie Einzelzell-RNA-Sequenzierung und Einzelzell-Proteomics von Gesamtblut und mononukleären Zellen aus peripherem Blut, um Veränderungen in der Zusammensetzung der Immunzellen bei milden und schweren COVID-19-Verläufen im Zeitverlauf zu ermitteln.

Analyse der Immunzellen bei mildem und schwerem COVID-19 im Zeitverlauf

Die Experten analysierten 242 Proben von 109 Personen im Zeitverlauf. Bei mildem Verlauf der Erkrankung waren entzündliche Monozyten mit einer Interferon-stimulierenen Gensignatur erhöht (aktivierte CD14+-Monozyten). Bei schwerem COVID-19 fanden sich dagegen Vorläufer der Neutrophile, ein Hinweis auf eine sogenannte Notfall-Myelopoese im Knochenmark, sowie dysfunktionale reife Neutrophile und HLA-DRlo-Monozyten (dysfunktionale CD14+-Monozyten).

Akute pathologische Schäden, etwa bei Trauma oder schwerer Infektion, triggern eine gesteigerte Myelopoese, mit der die funktionelle Granulozyten und andere hämatopoietische Zellen wieder aufgefüllt werden. In Zusammenhang mit einer solchen Mobilisierung unreifer myeloischer Zellen wurden immunosuppressive Funktionen berichtet (Schultze et al., 2019 in der Fachzeitschrift Immunity erschienen).

Steht eine dysfunktionale Immunantwort hinter schwerem COVID-19?

Die Studie zeigt somit ein detailliertes Bild der Immunantwort auf eine SARS-CoV-2-Infektion auf, die sich grundlegend bei milden und schweren Verläufen unterscheidet. Ein wichtiger Unterschied liegt im Prozess der Blutbildung, speziell der Myelopoese. Dynamische Veränderungen der Monozyten stehen demnach in Zusammenhang mit einer Entwicklung zu schweren COVID-19-Verläufen.

Die Daten deuten auf eine mögliche Veränderung der Immunantwort zu einer dysfunktionalen Reaktion, die sich antiinflammatorisch oder gar immunsuppressiv bei schweren COVID-19-Erkrankungen auswirkt und dadurch die Verteidigung gegen das Virus, eventuell auch gegen Superinfektionen, zunichte macht. Die Entwicklung von Behandlungen und präventiven Strategien schwerer COVID-19-Verläufe könnte demnach von Erkenntnissen aus anderen Fachgebieten wie etwa der Onkologie profitieren, in denen erfolgreich mit Suppression von Myeloidzellen therapiert wird.

[DOI: 10.1016/j.cell.2020.08.001]

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