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Patienten mit ersten Zeichen einer möglichen Multiplen Sklerose profitieren von früher Behandlung

Original Titel:
The 11-year long-term follow-up study from the randomized BENEFIT CIS trial

DGP – Was ist bei einem klinisch isolierten Syndrom die bessere Vorgehensweise: Eine frühe Behandlung mit Interferon beta oder Abwarten?


Die ersten Anzeichen einer Multiplen Sklerose sind oft erste klinisch messbare Schäden an der Nervenisolierschicht, dem Myelin. Ein solches klinisch isoliertes Syndrom (englisch: clinically isolated syndrome, CIS) kann sich als plötzlich auftretende Sehstörungen, Schwindel oder Lähmungserscheinungen zeigen, die nach dem Schub wieder verschwinden. In klinischen Studien zeigte sich, dass zwischen 38 % und 45 % der Patienten mit einem solchen ersten Anzeichen unbehandelt innerhalb von 2 Jahren eine klar diagnostizierbare Multiple Sklerose entwickeln. Der Neurologe Prof. Kappos vom Universitätshospital Basel in der Schweiz hat dazu in Kollaboration mit einer internationalen Forschergruppe untersucht, ob Patienten mit einem ersten Anzeichen einer möglichen Multiple Sklerose-Erkrankung von einer frühen Behandlung noch vor der ersten klaren Diagnose profitieren.

Direkt Interferon oder zunächst ein Placebo – macht der Therapiebeginn einen Unterschied?

In der BENEFIT-Studie wurden dazu Patienten mit neudiagnostiziertem klinisch isoliertem Syndrom zufällig entweder einer frühen oder späten Behandlungsgruppe zugeteilt. Die früh Behandelten erhielten direkt Beta-Interferon (Interferon-beta-1b), die spät Behandelten dagegen erhielten ein Placebo. Bei Entwicklung einer klinisch eindeutigen Multiplen Sklerose oder spätestens nach 2 Jahren konnten die Patienten in der Placebogruppe zu einer Behandlung mit Interferon-beta-1b oder einer anderen Behandlung wechseln. Die Patienten wurden über 11 Jahre nach der ursprünglichen Behandlungseinteilung begleitet und ihre klinische Entwicklung dokumentiert. Die erkrankungsbedingten Beeinträchtigungen im Alltag der Patienten wurden mit der EDSS-Skala (expanded disability status scale) eingeschätzt. Zur Erfassung der Verarbeitungsgeschwindigkeit beim Hören und der Rechenfähigkeit führten die Teilnehmer regelmäßig den PASAT-Test (englisch: paced auditory serial addition test) durch.

Leichte Vorteile in der Gruppe, die früh behandelt wurde

Nach 11 Jahren hatten weniger früh behandelte Patienten eine klinisch eindeutige Multiple Sklerose entwickelt, als von den Patienten, die nur verzögert eine Behandlung erhalten hatten. In der frühen Behandlungsgruppe war auch die Dauer bis zu einem nächsten Krankheitsschub im Durchschnitt länger als Placebogruppe. Auch die Zahl der jährlichen Schübe war niedriger mit früher Behandlung. Allerdings entwickelten insgesamt nur wenige Patienten eine Multiple Sklerose (4,5 % in der frühen Behandlungsgruppe, 8,3 % in der Placebogruppe). Nach 11 Jahren waren die beiden Gruppen im Schnitt ähnlich wenig durch ihre Erkrankung beeinträchtigt, wie sich in vergleichbaren Werten im EDSS-Fragebogen zeigte. Auch die Beschäftigungsquote blieb in beiden Gruppen hoch. Lediglich die Werte des PASAT-Tests deuteten auf bessere Verarbeitungsgeschwindigkeit beim Hören und bessere Rechenfertigkeiten in der frühen Behandlungsgruppe.

Forscher sehen es als besser an, früh zu behandeln statt abzuwarten

Obwohl also der Behandlungszeitpunkt sich nur wenig unterschied, profitierten die Patienten nach 11 Jahren messbar von einer früheren Behandlung. Dies zeigte sich in geringeren Erkrankungs- und Krankheitsschubzahlen, aber auch in der durchschnittlichen Verarbeitungsgeschwindigkeit im spezialisierten Hörtest. Zwar waren beide Gruppen kaum beeinträchtigt durch ihre Erkrankung und hatten im Durchschnitt einen eher guten Krankheitsverlauf, aber trotzdem zeigte diese Studie, dass eine frühere Behandlung bei ersten Anzeichen einer möglichen Multiplen Sklerose besser ist als abzuwarten.

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