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Corona

Langlebige Immunantwort – gegen Vielzahl von Coronaviren?

Original Titel:
Longitudinal analysis shows durable and broad immune memory after SARS-CoV-2 infection with persisting antibody responses and memory B and T cells

Kurz & fundiert

  • Analyse der Antikörper und Immunzellen gegen unterschiedliche Coronaviren vor und in der Pandemie
  • SARS-CoV-2-Infekt fördert Abwehr gegen SARS-CoV-1 und andere Betacoronaviren
  • Langlebige B- und T-Gedächtniszellen erkennen auch ähnliche Coronaviren wie SARS-CoV-1
  • Weitere Proteine von SARS-CoV-2 als eventuell günstige Impfstoff-Kandidaten identifiziert

 

DGP – Bei COVID-19-Patienten fand sich eine dauerhafte, breite Immunantwort gegen das neue Coronavirus, die durch langlebige T- und B-Gedächtniszellen getragen wurde. Diese ermöglicht eine rasche Reaktion gegen eine Infektion und könnte so vermutlich langfristig schwere Verläufe von COVID-19 verhindern. Die Daten legen nahe, dass zusätzlich zum Fokus auf das Spike-Protein auch Impfstoffe gegen das Nukleokapsid hilfreich sein könnten, eine robuste, langlebige Immunantwort zu generieren, die auch gegen weitere Varianten und Verwandte des neuen Coronavirus helfen kann.


Um die Coronavirus-Pandemie zu beenden, benötigen wir eine langlebige Immunität gegenüber dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 in der großen Mehrheit der Bevölkerung. Bislang lag der Fokus vieler Untersuchungen zur Immunabwehr auf den Antikörpern, die gegen das Virus gebildet wurden und eine erste wichtige Hürde gegenüber einer Infektion darstellen. Die Zahl der Antikörper im Blut gegen die Coronaviren nimmt jedoch relativ rasch ab, dies zeigte sich in den vergangenen zwei Jahren anhand der Blutproben von Genesenen und Geimpften. Die Immunabwehr verfügt allerdings über weitere, weniger kurzlebige Waffen und ein sogenanntes Immungedächtnis.

Forscher untersuchten nun 254 COVID-19-Patienten über bis zu 8 Monate und ermittelten dabei Antikörper-Typen IgG, IgM und IgA, die Rückschlüsse auf spezielle B- und T-Gedächtniszellen zulassen. Diese Pandemie-Daten verglichen sie mit Kontroll-Proben aus den Jahren vor der Pandemie und analysierten dabei die Antikörper-Mengen gegen andere bekannte Coronaviren: zwei Betacoronaviren (OC43 und HKU1), zu deren Gattung auch SARS-CoV-2, SARS-CoV-1 und MERS gehören, sowie zwei Alphacoronaviren.

Analyse der Antikörper gegen unterschiedliche Coronaviren im Zeitverlauf vor und in der Pandemie

Von 165 Patienten konnten Proben zu 2 – 3 Zeitpunkten entnommen werden, von 80 weiteren Patienten zu 4 – 7 Zeitpunkten. Proben gesunder Personen zwischen 18 und 42 Jahren wurden zur Kontrolle analysiert. Diese 51 Proben wurden vor der Pandemie von Personen entnommen, die entweder gegen das Influenza-Virus (n = 27; 2014 – 2018) oder gegen Gelbfieber (n = 24; 2005 – 2007) geimpft wurden.

Antikörper-Level (IgG und IgA) gegen das Spike-Protein zweier typischer Alphacoronaviren und zweier Betacoronaviren in den Vor-Pandemie-Proben blieben über mehrere Messzeitpunkte stabil. Die Forscher vermuten, dass hinter dieser stabilen Immunantwort über mehrere Monate hinweg langlebige Plasmazellen stehen, die im Knochenmark auch über Jahre nach einer Infektion verbleiben.

IgG- und IgA-Antikörper gegen zwei Betacoronaviren waren bei COVID-19-Patienten im Vergleich zu den Vor-Pandemie-Kontrollen deutlich erhöht, Antikörper gegen Alphacoronaviren dagegen nicht. Interessanterweise konnten die Forscher Antikörper gegen SARS-CoV-1 bei COVID-19-Patienten bzw. Genesenen feststellen – nicht aber bei den Kontrollen vor der Pandemie. Der Kontakt mit SARS-CoV-2 ermöglichte somit offenbar, auch eine Immunabwehr gegen das frühere SARS-CoV-1 zu bilden, ohne mit diesem Virus selbst in Kontakt gekommen zu sein.

SARS-CoV-2-Infekt fördert Abwehr gegen SARS-CoV-1 und andere Betacoronaviren

Bei 183 Patienten wurde die Menge neutralisierender Antikörper gegen SARS-CoV-2 zu mehreren Zeitpunkten bestimmt. 140 Personen (77 %) hatten mindestens zu einem Zeitpunkt nachweisbare Mengen neutralisierender Antikörper. 43 von 57 Patienten wiesen solche Antikörper 30 – 50 Tage nach Symptombeginn auf, 48 von 67 Patienten sogar 180 – 263 Tage nach Symptombeginn. Die Zahl SARS-CoV-2-Spike-bindender und neutralisierender Antikörper halbierte sich insgesamt in mehr als 200 Tagen, blieb also sehr lange (8 – 9 Monate) bestehen. Dies, so die Experten, legt langlebige Plasmazellen nahe, die fortlaufend neue Antikörper bilden können.

Relevant sind hierbei zum einen die B-Gedächtniszellen. Diese Zellen sind langlebig und können rasch Antikörper gezielt gegen das Spike-Protein des neuen Coronavirus bilden und so den Antikörper-Titer kurzfristig bei erneutem Kontakt mit dem Virus oder einer Impfung erhöhen. Darüber hinaus spielen Virus-spezifische CD4+ und CD8+ T-Gedächtniszellen eine Rolle. Diese Zellen erfüllen eine Vielzahl von Funktionen: Effektor-Gedächtniszellen teilen sich bei Kontakt mit dem Virus vielfach in jeweils aktive Zellen, die Immunbotenstoffe (Interleukine) und antiviral wirksame Botenstoffe (Interferon) abgeben und so beispielsweise Makrophagen (Fresszellen) und T-Killerzellen aktivieren. Zentrale T-Gedächtniszellen bleiben hingegen besonders lange erhalten und können durch B-Zellen aktiviert werden, um neue Effektor-Gedächtniszellen auszubilden.

Die Forscher bestimmten die Häufigkeit von SARS-CoV-2-Spike- und Bindedomäne-spezifischen B-Gedächtniszellen im Zeitverlauf bei 111 COVID-19-Patienten und 29 Kontrollen vor der Pandemie. Im Vergleich zur Kontrolle vor der Pandemie waren spezifische IgG-bildende B-Zellen gegen dem neuen Coronavirus signifikant häufiger bei den COVID-19-Patienten und fanden sich vor der Pandemie quasi nicht. Nach einem steilen Anstieg über 2 – 3 Monate nach der Infektion blieben die Zahlen dieser Zellen bei COVID-19-Patienten ohne Abfall über 250 Tage nach Symptombeginn stabil. Auch T-Zell-Antworten blieben über einen langen Zeitraum stabil. IgM-bildende B-Zellen erschienen dagegen innerhalb von 2 Wochen und verschwanden rasch wieder.

Interessanterweise fanden sich neben Antikörpern gegen das Spike-Protein auch Antikörper gegen verschiedene weitere Proteine des neuen Coronavirus. Dazu gehörte das Nukleoprotein, auf das bestimmte T-Zellen besonders gezielt reagierten. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass bei einer SARS-CoV-2-Infektion infizierte Zellen auch eine größere Zahl von Proteinen aus der Nukleokapsid-Hülle des Virus präsentieren und sich so durch Immunzellen als erkrankt erkennbar machen. Entsprechend, so die Forscher, sollten solche Proteine eventuell auch stärker zur Impfstoff-Herstellung berücksichtigt werden.

Langlebige B- und T-Gedächtniszellen erkennen auch ähnliche Coronaviren

In der Untersuchung fand sich eine dauerhafte, breite Immunantwort gegen das neue Coronavirus, die durch langlebige T- und B-Gedächtniszellen getragen wurde. Diese ermöglicht eine rasche Reaktion gegen eine Infektion und könnte so vermutlich langfristig schwere Verläufe von COVID-19 verhindern. Die Infektion steigerte nicht nur die Zahl der Antikörper gegen das neue Coronavirus, sondern auch gegen das frühere SARS-CoV-1 und weitere Betacoronaviren. Die Daten legen nahe, dass zusätzlich zum Fokus auf das Spike-Protein auch Impfstoffe gegen das Nukleokapsid hilfreich sein könnten, eine robuste, langlebige Immunantwort zu generieren, die auch gegen weitere Varianten und Verwandte des neuen Coronavirus helfen kann.

[DOI: 10.1016/j.xcrm.2021.100354]

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