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Lebenserwartung präziser vorhersagen mit Blutmarkern plus Lebensstil

Eine kombinierte Analyse von Lebensstil-Faktoren und fünf alterungsbezogenen Serum-Biomarkern hat hohe Vorhersagekraft für die Lebenserwartung. Dies ermittelten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im Deutschen Krebsforschungszentrum. So müssen Männer mit den ungesündesten Lebensgewohnheiten und einem ungünstigen Biomarker-Profil* mit einem voraussichtlichen Verlust von über 22 Lebensjahren rechnen.

Dass ein ungesunder Lebensstil Lebensjahre rauben kann, ist durch zahlreiche Studien belegt. Wie groß die schädlichen Effekte tatsächlich sein können, haben Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) bereits vor einigen Jahren präzise ermittelt: Menschen, die alle Empfehlungen zur Gesundheitsprävention beherzigen, leben bis zu 17 Jahre länger als Zeitgenossen mit sehr ungesunden Lebensgewohnheiten**.

Doch das biologische Altern hängt nicht nur von diesen beeinflussbaren Lebensstilfaktoren ab. Auch sozioökonomische Faktoren spielen eine Rolle, ebenso die individuelle genetische Ausstattung. Der funktionelle biologische Abbau spiegelt sich in einer Vielzahl an Blut-Biomarkern wider. „Wir wollten nun wissen, ob wir die Lebenserwartung noch präziser vorhersagen können, wenn wir zusätzlich geeignete Serum-Biomarker bestimmen“, sagt Rudolf Kaaks, Epidemiologe am DKFZ.

Experten aus verschiedenen Fachdisziplinen hatten kürzlich ein Panel an Blut-Biomarkern ausgewählt, die eng mit der Lebenserwartung korrelieren und zuverlässig und einfach messbar sind. Die fünf Marker, die das Heidelberger Team nun aus diesem Panel auswählte, sind relevante physiologische Indikatoren für verschiedene Aspekte des biologischen Alterns. Der Growth differentiation factor 15 (GDF-15) zeigt oxidativen Stress, Entzündungen und Mitochondrien-Fehlfunktion an, der Cystatin C-Spiegel gibt Hinweis auf die Nierenfunktion und NT-proBNP zeigt Herzschäden an. Erhöhte Werte des so genannten „Glykohämoglobin“ HbA1c signalisieren Diabetes und ungesunden Stoffwechsel, das C-reaktive Protein CRP ist ein Marker für systemische Entzündung.

Für die aktuelle Untersuchung konnten die DKFZ-Epidemiologen auf die Blutproben der Heidelberger EPIC-Teilnehmer zugreifen. Das DKFZ ist seit über 20 Jahren an dieser gesamteuropäischen Untersuchung zum Zusammenhang von Ernährung, Lebensstilfaktoren und Krebs beteiligt. Die Heidelberger EPIC-Kohorte umfasst über 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im mittleren bis höheren Lebensalter. 2571 Teilnehmer waren zum Ende der Nachbeobachtungsperiode (2014) verstorben.

Das DKFZ-Team ermittelte für alle Studienteilnehmer ein Profil von lebensstilbezogenen Risikofaktoren (Rauchen, Body Mass Index, Hüftumfang, Alkoholkonsum, körperliche Aktivität, Diabetes, Bluthochdruck). Berücksichtigten die Forscher allein dieses Profil, so lag die Lebenserwartung von Männern mit dem günstigsten Profil 16,8 Jahre höher als die von Studienteilnehmern mit den ungesündesten Lebensgewohnheiten*. Bei den Frauen betrug dieser Unterschied nur 9,87 Jahre.

Wurden zusätzlich zum Lebensstil die Serummarker einberechnet, so ergab sich eine Differenz von 22,7 Lebensjahren zwischen Männern mit den ungünstigsten Werten gegenüber der günstigsten Gruppe. Bei den Studienteilnehmerinnen betrug diese Differenz 14 Jahre.

„Der voraussichtliche Verlust an Lebenserwartung ist ein geeigneter und leicht verständlicher Messwert, den beispielsweise Ärzte nutzen können, um ihre Patientinnen und Patienten zu motivieren, ungesunde Gewohnheiten aufzugeben. Auch könnten damit Menschen mit besonders hohen gesundheitlichen Risiken identifiziert werden, die von direkten Interventionen profitieren könnten“, erklärt Erstautor Bernard Srour. „Durch die Kombination von Lebensstilfaktoren plus Serummarkern kann die Vorhersagekraft für die Lebenserwartung noch weiter verbessert werden.“

Aktuelle Publikation:

Bernard Srour, Lucas Cory Hynes, Theron Johnson, Tilman Kühn, Verena A. Katzke, Rudolf Kaaks: Serummarkers of biological ageing provide long-term prediction of life expectancy – a longitudinal analysis in middle-aged and older German adults. Age & Aging 2022, DOI: 10.1093/ageing/afab271

* Die Studienteilnehmer wurden anhand der Werte ihres Lebensstil-Risikoprofils bzw. ihrer Blutmarker-Werte gruppiert. Für die Auswertungen verglichen die Forscher die 20 Prozent der Teilnehmer mit den günstigsten Werten mit den 20 Prozent der Teilnehmer, die die ungünstigsten Werte aufwiesen.

** Kuanrong Li, Anika Hüsing und Rudolf Kaaks: Lifestyle risk factors and residual life expectancy at age 40: a German cohort study. BMC Medicine 2014, http://www.biomedcentral.com/1741-7015/12/59

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs. Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.