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Psychologische Begleitung herzkranker Kinder: kaum Studien, aber positive Effekte für einzelne Aspekte

Trotz begrenzter Datenlage kann es sinnvoll sein, zumindest Kindern und Familien mit einer besonderen Belastung eine psychologische Begleitung anzubieten.

Im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Federführung der Uniklinik Köln die Frage untersucht, ob Kinder mit einer Herzerkrankung durch eine psychologische Begleitung bei der Bewältigung ihrer Erkrankung unterstützt werden können.

Zwar liefern die vorliegenden Studien keine klaren Erkenntnisse. Deshalb kann das beauftragte Wissenschaftsteam keine allgemeine Empfehlung für den Einsatz einer psychologischen Begleitung von herzkranken Kindern aussprechen. Für einzelne Aspekte deuten sich aber sehr wohl positive Effekte an: So waren die Kinder im Anschluss an ein Programm zur Familienunterstützung seltener krank und Programme zur Unterstützung vor einer Operation führten dazu, dass die Kinder sich emotional, in der Schule und bei sozialen Kontakten weniger von ihren Altersgenossen unterschieden.

Zusätzlich könnten in Anbetracht der hohen Krankheitslast im Einzelfall auch ethische Erwägungen für eine psychologische Begleitung sprechen, betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. So existiere insbesondere bei schweren Herzerkrankungen eine hohe psychische Belastung bei den Betroffenen und ihren Familien.

Die jetzt vorgelegte finale Fassung der Gesundheitstechnologie-Bewertung (Health Technology Assessment = HTA) „Herzerkrankung bei Kindern und Jugendlichen: Kann eine psychologische Begleitung bei der Bewältigung helfen?“ wurde im Rahmen des IQWiG-Verfahrens ThemenCheck Medizin durch externe Sachverständige erstellt.

Anfrage einer Bürgerin als Ausgangspunkt des HTA-Berichts

Rund ein Prozent aller Lebendgeborenen in Deutschland kommt mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Neben diesen Fehlbildungen am Herzen können Herzschäden bei Kindern beispielsweise auch durch bakterielle und virale Entzündungsprozesse im Bereich des Herzmuskels oder der herznahen Gefäße sowie durch Autoimmunerkrankungen ausgelöst werden. Eine Herzerkrankung ist für Kinder und Jugendliche nicht nur körperlich, sondern auch psychisch belastend: Meist sind sie nicht so leistungsfähig wie andere Kinder, müssen aufwändige Behandlungen durchlaufen, fehlen häufiger in der Schule und haben Angst vor weiteren gesundheitlichen Folgen. Das  Risiko für psychische Probleme und Verhaltensauffälligkeiten kann dadurch steigen.

Vor diesem Hintergrund fragte eine Bürgerin im Rahmen des ThemenCheck Medizin, ob psychische Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen mit einer Herzerkrankung durch eine frühe psychologische Begleitung verhindert werden könnten. Häufig hätten die jungen Betroffenen Probleme, ihre Erkrankung richtig zu verarbeiten, was in Folge zu Angststörungen, Depressivität oder Anpassungsstörungen führen könne.

Keine Gesamtaussage möglich, aber zu einzelnen Aspekten positive Ergebnisse

Das beauftragte Wissenschaftsteam konnte insgesamt sechs Studien zur Fragestellung identifizieren, in denen drei unterschiedliche Programmarten untersucht wurden:

  • Programme zur Familienunterstützung: Diese bestanden aus einem Gruppen-Tagesworkshop und einer einstündigen Folgesitzung für die Eltern.
  • Programme zur Stressreduktion: Hier nahmen Jugendliche mit Herzerkrankungen an sechs Sitzungen eines Achtsamkeitstrainings teil.
  • Programme zur unmittelbaren Vorbereitung auf eine Herzoperation: Hier erlernten Kinder und ihre Eltern Bewältigungsstrategien, um sich beispielsweise besser auf eine geplante Herzkatheter-Untersuchung oder eine offene Operation des Herzens einzustellen.

Die gefundenen Studien zeigten keine klaren Ergebnisse. Einige Studien untersuchten zwar, ob die Programme dabei helfen, psychische Probleme zu vermeiden oder die Lebensqualität zu verbessern, sie konnten aber im Vergleich mit einer üblichen Behandlung bzw. Betreuung keine ausgeprägten Vorteile nachweisen. Vor diesem Hintergrund war es für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht möglich, eine allgemeine Empfehlung für den Einsatz einer psychologischen Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit Herzerkrankungen auszusprechen.

Dennoch deuteten sich in den Studien vereinzelt positive Effekte bei zwei der drei untersuchten Programmarten an: So führte die Familienunterstützung dazu, dass die Kinder anschließend nach Auskunft der Mütter seltener krank waren. Und die psychologische Begleitung im Vorfeld einer Herzoperation bewirkte, dass die Kinder sich weniger von ihren Altersgenossen unterschieden und weniger Schulunterricht versäumten.

Weitere aussagekräftige Studien wünschenswert

Die eigentliche Frage der Themenvorschlagenden – nach dem Nutzen einer (frühzeitigen) psychologischen Begleitung im Sinne regelmäßiger und langfristig angelegter Sitzungen oder Unterstützungsangebote, um dem Auftreten von psychischen Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Anpassungsstörungen vorzubeugen oder entgegenzuwirken – wird mit den vom beauftragten Wissenschaftsteam gefundenen Studien nicht wirklich beantwortet.

Dennoch kann es sinnvoll sein, zumindest Kindern und Familien mit einer besonderen psychischen Belastung eine auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte psychologische Begleitung anzubieten. Diese erfolgt im besten Fall durch ein interdisziplinäres, multiprofessionelles Team, das neben Fachärztinnen und Fachärzten sowie Pflegenden auch aus psychosozialen und psychotherapeutischen Fachkräften bestehen sollte. Die Vor- und Nachteile eines solchen Angebots sollten aber im Rahmen verlässlicher Studien künftig näher untersucht werden.

Der ThemenCheck Medizin

Interessierte Einzelpersonen können im Rahmen des ThemenCheck Medizin Vorschläge für die Bewertung von medizinischen Verfahren und Technologien einreichen. In einem zweistufigen Auswahlverfahren, an dem auch Bürgerinnen und Bürger beteiligt sind, werden aus allen eingereichten Vorschlägen jedes Jahr bis zu fünf neue Themen ausgewählt. Laut gesetzlichem Auftrag sollen dies Themen sein, die für die Versorgung von Patientinnen und Patienten von besonderer Bedeutung sind.

Die HTA-Berichte im Rahmen des ThemenCheck Medizin werden nicht vom IQWiG selbst verfasst, sondern von externen Sachverständigen. Deren Bewertung wird gemeinsam mit einer allgemein verständlichen Kurzfassung (HTA kompakt) und einem IQWiG-Herausgeberkommentar veröffentlicht.

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