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Alternativer Zuckerabbau sichert das Überleben von Krebszellen

Ein wichtiges Schlüsselenzym des Zuckerstoffwechsels wird besonders leicht und effizient durch oxidativen Stress inaktiviert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum zeigten nun: Mit dieser Oxidation schalten die Zellen auf einen alternativen Zuckerabbauweg um und können dadurch dem oxidativen Stress entgehen. Insbesondere Krebszellen profitieren von diesem Mechanismus, der sie auch vor therapiebedingten Schäden schützen kann.

Eines der zentralen Enzyme beim Zuckerabbau, die GAPDH (Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase), hat eine besondere Eigenschaft: Es wird ungewöhnlich schnell und effizient durch Wasserstoffperoxid oxidiert und dabei inaktiviert. Dadurch kommt der energieliefernde Glukoseabbau in den Zellen zum Erliegen.

„An Hefezellen haben wir bereits gezeigt, dass die oxidative Inaktivierung der GAPDH den Zuckerabbau auf einen anderen Stoffwechselweg umlenkt, der dafür sorgt, dass die Hefen oxidative Stress besser tolerieren können. Ob das auch für Säugetierzellen gilt, konnten wir nun untersuchen“, sagt Tobias Dick vom Deutschen Krebsforschungszentrum.

Als Voraussetzung für die Funktionsanalyse nutzten die Forscher um Dick eine GAPDH-Mutante, die oxidations-resistent ist, aber ansonsten ihrer Funktion im Zuckerabbau ganz normal nachkommt. Mithilfe der Genschere CRISPR-Cas tauschten sie die normale GAPDH gegen die oxidations-resistente Mutante aus, sowohl in Zelllinien als auch in Mäusen.

Mithilfe dieses Ansatzes zeigte das Team, dass die Oxidation der GAPDH auch Säugetierzellen erlaubt, vom energieliefernden Zuckerabbau auf den so genannten Pentosephosphat-Weg umzuschalten. Dieser Abbauweg liefert der Zelle zwar keine Energie, dafür aber das reduzierende Molekül NADPH, mit dem schädliche Oxidantien neutralisiert werden können.

Gerade Tumorzellen sind in vielen Phasen ihrer Entwicklung erhöhtem oxidativen Stress ausgesetzt. Das gilt beispielsweise dann, wenn die Nährstoffversorgung im Tumor schwankt, oder wenn sich einzelne Zellen von der Tumormasse ablösen und in die Blutbahn eindringen. Wie kommen Krebszellen mit einer oxidations-resistenten GAPDH zurecht? Auf Mäuse transplantierte GAPDH-mutierte Krebszellen wuchsen deutlich langsamer zu Tumoren heran als Krebszellen mit normaler GAPDH. Die mutierten Krebszellen zeigten erhöhten oxidativen Stress und starben häufiger. Dies lag tatsächlich an ihrer Unfähigkeit, den Pentosephosphat-Weg zu aktivieren, wie eine Messung der Stoffwechselprodukte im Tumor zeigte.

Als das Team die tumortragenden Mäuse mit Chemo- und Strahlentherapie behandelte, was die oxidative Belastung der Tumorzellen noch zusätzlich erhöht, ergab sich wie erwartet ein synergistischer Effekt, d.h. die Therapie wirkte deutlich stärker auf GAPDH-mutierte Krebszellen.

„Oxidativer Stress ist eines der wichtigsten Hindernisse, die der Vermehrung und Ausbreitung von Tumorzellen im Körper entgegenstehen. Krebszellen sind daher ganz besonders auf Strategien angewiesen, um diese Situation bewältigen zu können“, erklärt Tobias Dick. “Eine dieser Strategien ist offenbar die Oxidation der GAPDH, die den Pentosephosphat-Weg ankurbelt und so die Zellen mit NADPH vor oxidativen Schäden schützt. Mit diesem schnell wirkenden Oxidationsschutz erkaufen sich Krebszellen möglicherweise wertvolle Zeit, bis andere, langsamere Anpassungsmechanismen greifen.“

Deepti Talwar, Colin G. Miller, Justus Grossman, Lukasz Szyrwiel, Torsten Schwecke, Vadim Demichev, Ana-Matea Mikecin-Drazic, Anand Mayakonda, Pavlo Lutsik, Carmen Veith, Michael D. Milsom, Karin Müller-Decker, Michael Mülleder, Markus Ralser & Tobias P. Dick: The GAPDH redox switch safeguards reductive capacity and enables survival of stressed tumour cells.
Nature Metabolism 2023, DOI: 10.1038/s42255-023-00781-3

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Originalpublikation:

Deepti Talwar, Colin G. Miller, Justus Grossman, Lukasz Szyrwiel, Torsten Schwecke, Vadim Demichev, Ana-Matea Mikecin-Drazic, Anand Mayakonda, Pavlo Lutsik, Carmen Veith, Michael D. Milsom, Karin Müller-Decker, Michael Mülleder, Markus Ralser & Tobias P. Dick: The GAPDH redox switch safeguards reductive capacity and enables survival of stressed tumour cells.
Nature Metabolism 2023, DOI: 10.1038/s42255-023-00781-3