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Mit Biomarkern gegen altersbedingte Krankheiten vorgehen

Innsbrucker Forscher:innen tragen maßgeblich zu einem neuem internationalen Konzept für Alternsforschung bei. Durch eine neue Rahmenstruktur für sogenannte Biomarker lässt sich der biologische Vorgang des Alterns leichter definieren. Dadurch ermöglichen die Forscher:innen auch neue Wege zur Prävention von altersbedingten Krankheiten.

Durch die zunehmende Alterung der Weltbevölkerung steigt auch die Verbreitung altersbedingter Krankheiten wie Krebs, Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderer chronischer Leiden. Das belastet die Gesundheitssysteme und sozialen Unterstützungsnetzwerke erheblich und führt zu einer stetig steigenden Nachfrage nach spezialisierter Pflege und Ressourcen.

Seit den 1930ern deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass der Alterungsprozess auf verschiedene Arten verzögert oder gar umgekehrt werden kann. So kann zum Beispiel eine zeitliche Begrenzung der Nahrungsaufnahme die Lebenserwartung von Mäusen erhöhen und mehrere altersbedingte Erkrankungen verhindern. Um diese Erkenntnisse auf den Menschen anzuwenden und somit die Anzahl der gesunden Lebensjahre zu erhöhen, ist es notwendig, den biologischen Alternsvorgang zu definieren, zu verstehen und messen zu können.

Möglich wird das durch sogenannte „Biomarker“- das sind objektive biologische Messwerte, die Auskunft über einen biologischen Prozess geben und dadurch helfen könnten, den Alterungsprozess in individuellen Personen zu messen und das Risiko für altersbedingte Erkrankungen zu identifizieren. Da das Altern sich jedoch aus vielen verschiedenen Prozessen zusammensetzt, gab es bislang keine Übereinstimmung unter Expert:innen, wie Biomarker am besten zur Anwendung kommen könnten.

Zwei Wissenschaftler:innen der Universität Innsbruck, Chiara Herzog und Martin Widschwendter, haben nun, gemeinsam mit Forscher:innen des Brigham and Women’s Hospital (Harvard University, USA) und mehr als 20 weiteren Expert:innen für Alternsforschung, weltweit bestehende Rahmenstrukturen zu Biomarker-Erfassung systematisch angepasst und erweitert, um ‘Biomarker des Alterns’ und deren klinische Anwendungen zu definieren. Das Paper dazu ist heute in der renommierten Fachzeitschrift „Cell“ erschienen.

Länger und gesünder Leben durch Alternsforschung

Biomarker sind zuverlässige biologische Merkmale, die sich objektiv messen lassen und dadurch Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand zulassen. Dabei kann es sich beispielsweise um individuelle Moleküle, klinische oder funktionelle Messungen (z.B. Gehgeschwindigkeit oder Body Mass Index), oder gar digital erfasste Messungen – zum Beispiel von Fitnesstrackern – handeln. In den letzten Jahren wurden zwar bereits einige molekulare oder klinische Biomarker des Alterns vorgeschlagen, bisher hat sich jedoch keiner davon klinisch durchgesetzt.

„Die Alternsforschung hat das Potenzial, uns länger und gesünder leben zu lassen“, sagt Chiara Herzog, die am European Translational Oncology Prevention and Screening Institute (EUTOPS) und am Forschungsinstitut für Biomedizinische Alternsforschung an der Universität Innsbruck forscht. „Unser Konsortium hat in dieser Arbeit erstmals eine Übereinstimmung zwischen internationalen Expert:innen herbeigeführt, wie wir Biomarker des Alterns untersuchen können. Diese gemeinsame Arbeit hat gleichzeitig wichtige Forschungsrichtungen für die Zukunft identifiziert.“ Herzog ist eine der Erstautorinnen der Studie und Teil des internationalen Konsortiums. „Unser neues Konzept bildet die Grundlage für robuste Biomarker für die Alternsforschung, die der Bevölkerung zugutekommen und klinische Anwendung finden sollen.“ Mithilfe solcher Biomarker könnte zum Beispiel die individuelle Wirksamkeit von vorbeugenden Maßnahmen erfasst werden, wie Ernährung, Rauchstopp und Bewegung. Auch kann das Risiko von Alterserkrankungen identifiziert werden.

„Epigenetische Markierungen an der DNA, die durch Altern und Umwelteinflüsse geprägt werden und die Aktivität unserer Gene regulieren, sind zum Beispiel vielversprechende Biomarker, die es erlauben könnten, unsere Gesundheitsvorsorge und vorbeugende Maßnahmen individuell zu gestalten“ betont auch Martin Widschwendter, Professor für Onkologie und Prävention an der Universität Innsbruck und Leiter des EUTOPS.

Durch die Klassifizierung der Vor- und Nachteile verschiedener existierender Biomarker konnte das Team auch eine Liste von Kriterien zusammenstellen, anhand der Forscher*innen bestimmen können, ob ein Biomarker-Kandidat in einem bestimmten Fall sinnvoll anwendbar sein könnte. Schlüsselkriterien sind beispielsweise die Verallgemeinerungsfähigkeit eines Biomarkers: oft werden Biomarker in Europa und den USA entwickelt, sie sollten jedoch unabhängig von Ethnizität in allen Bevölkerungsgruppen funktionieren. Die Forscher:innen schlagen auch standardisierte Protokolle vor, um einen Biomarker auf die klinische Verwendung vorzubereiten. Im Dezember 2023 findet in San Francisco das erste Symposium des neuen Konsortiums statt, an dessen Organisation Herzog beteiligt ist. „Wir freuen uns, gemeinsam mit internationalen Expert:innen neue Erkenntnisse für die Alterungsforschung zu ermöglichen und diese dann hier in Tirol zur Anwendung zu bringen.“

Originalpublikation:

Biomarkers of aging for the identification and evaluation of longevity interventions. Mahdi Moqri, Chiara Herzog, Jesse R. Poganik, Jamie Justice, Daniel Belsky, Albert Higgins-Chen, Alexey Moskalev, Georg Fuellen, Alan A. Cohen, Ivan Bautmans, Martin Widschwendter, Jingzhong Ding, Alexander Fleming, Joan Mannick, Jing-Dong Jackie Han, Alex Zhavoronkov, Nir Barzilai, Matt Kaeberlein, Steven Cummings, Brian Kennedy, Luigi Ferrucci, Steve Horvath, Eric Verdin, Andrea B. Maier, Michael P. Snyder, Vittorio Sebastiano, Vadim N. Gladyshev and Biomarkers of Aging Consortium. Cell. https://doi.org/10.1016/j.cell.2023.08.003