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Antikörper-Spiegel prognostizieren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Autoimmunerkrankungen zeichnen sich durch die Bildung von Autoantikörpern aus, die sich gegen körpereigene Strukturen richten und zu teils schweren Organschäden führen. Ein Forschungsteam um Professorin Dr. Gabriela Riemekasten, Lehrstuhlinhaberin für Rheumatologie an der Universität zu Lübeck und Direktorin der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, hat gemeinsam mit Forschenden der Universitätsmedizin Mainz und dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) entdeckt, dass Autoantikörper gegen ein Protein auf bestimmten Zelloberflächen auch bei gesunden Menschen ohne Autoimmunerkrankung vorkommen.

Die Forschenden fanden heraus, dass gegen dieses Protein gerichtete Antikörper mit dem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang stehen. Damit eröffnet sich möglicherweise für viele Betroffene ein ganz neuer Therapieansatz. Die Studie, an der auch das Institut für Kardiogenetik der Universität zu Lübeck und des UKSH wesentlich beteiligt war, wurde in der Fachzeitschrift „European Heart Journal“ veröffentlicht.

Bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die weltweit zu den häufigsten Todesursachen zählen, spielen chronische Entzündungen eine bedeutende Rolle. Aber auch Antikörper, die sich gegen Proteine im Herz-Kreislauf-System richten, werden mit der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie z.B. Herzversagen, in Verbindung gebracht. Der genaue Mechanismus dahinter ist bislang jedoch nicht vollständig geklärt, da die Funktion von Autoantikörpern bislang eher im Rahmen von Autoimmun- und Infektionskrankheiten betrachtet wurde. Interessanterweise wurden jedoch Antikörper gegen ein bestimmtes Protein auf Zelloberflächen, den sogenannten Chemokin-Rezeptor 3 (CXCR3), identifiziert, der an Entzündungsvorgängen bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen beteiligt ist. Das interdisziplinäre Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Gabriela Riemekasten, Lehrstuhlinhaberin für Rheumatologie an der Universität zu Lübeck und Direktorin der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, und ihre Kollegen der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Philipp Wild und Dr. Felix Müller, untersuchten in einer großangelegten Bevölkerungsstudie das Auftreten dieser Antikörper in der Allgemeinbevölkerung, um den Zusammenhang mit möglichen Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen herauszufinden.
Dafür wurden rund 5000 Teilnehmende im Rahmen der Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS), einer repräsentativen Bevölkerungsstudie in der Rhein-Main-Region, untersucht. Im Fokus der Analyse stand das Vorhandensein spezifischer Autoantikörper gegen CXCR3 bei den Studienteilnehmenden, die an keiner Autoimmunerkrankung, Krebs oder Infektionskrankheit litten. Zur Bestimmung der Antikörper wurde ein Diagnostikum angewendet, das die Firma CellTrend GmbH erstmalig zum Nachweis von Antikörpern gegen CXCR3 entwickelt hat. Die Untersuchung ergab, dass Antikörper gegen CXCR3 mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, strukturellen und funktionellen Veränderungen des Herz-Kreislauf-Systems und weiteren Erkrankungen von Herz, Lunge, Nieren und Entzündungen in Zusammenhang stehen. Insbesondere war ein vermehrtes Auftreten dieser Antikörper über mehrere Jahre mit einem erhöhten Sterberisiko, einem Risiko für Herzmuskelschwäche und weiteren schwerwiegenden Herz-Kreislauf-Ereignissen verbunden und dient daher als neuer Biomarker für diese Krankheiten.

Einen möglichen Mechanismus, wie diese Antikörper wirken, konnten die Forschenden in einem experimentellen Modell zur Arterienverkalkung, der sogenannten Atherosklerose, aufdecken. In Zusammenarbeit mit Dr. Zouhair Aherrahrou vom Institut für Kardiogenetik konnten sie zeigen, dass Antikörper gegen CXCR3 die Entstehung von atherosklerotischen Plaques fördern.

„In unserer Studie fanden wir deutliche Hinweise darauf, dass Antikörper gegen CXCR3 eine große Rolle bei der Bildung von atherosklerotischen Plaques, also entzündlich bedingte Gefäßveränderungen, in den Arterien spielen. Je mehr Autoantikörper nachweisbar waren, umso höher war das Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. Das konnten wir auch in einem Mausmodell für Atherosklerose, also einer Gefäßverkalkung, nachweisen. Diese Entdeckung ist bemerkenswert, denn sie zeigt, wie Autoimmunreaktionen die Herzgesundheit beeinflussen können“, erläutert Prof. Riemekasten, die auch zum geschäftsführenden Vorstand des Exzellenzclusters Precision Medicine in Chronic Inflammation (PMI) gehört.

Zusammengefasst liefert die Studie neue Einblicke in die komplexen Zusammenhänge zwischen Autoimmunreaktionen, Entzündungen und Herzgesundheit, die den Weg für Präventionsstrategien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und möglicherweise auch anderen Erkrankungen ebnen. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift European Heart Journal veröffentlicht.

Originalpublikation:

Felix S Müller et. al. Autoantibodies against the chemokine receptor 3 predict cardiovascular risk, European Heart Journal, 2023; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad666