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Fluorouracil, Capecitabin, Tegafur und Flucytosin: Empfehlung zur Testung und Behandlung

05.05.2020 – Gutachten des CHMP

Empfehlungen der EMA zur Prüfung der Enzymaktivität von DPD vor Behandlungsbeginn

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA hat die Empfehlung des PRAC bestätigt, dass Patienten auf das Fehlen beziehungsweise den partiellen Mangel des Enzyms Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD) getestet werden sollten, bevor sie eine Krebsbehandlung mit fluorouracilhaltigen Arzneimitteln, die durch Injektion oder Infusion (Tropf) verabreicht werden, oder mit den verwandten Wirkstoffen Capecitabin und Tegafur beginnen.

Da die Behandlung schwerer Pilzinfektionen mit Flucytosin (einem anderen mit Fluorouracil verwandten Wirkstoff) nicht verzögert werden sollte, ist es nicht erforderlich, Patienten vor Beginn der Behandlung auf DPD-Mangel zu testen.

Patienten, die einen vollständigen Mangel an DPD haben, dürfen keine fluorouracilhaltigen Arzneimittel erhalten. Bei Patienten mit einem partiellen Mangel kann der Arzt erwägen, die onkologische Behandlung mit niedrigeren Dosen als normal zu beginnen oder die antimykotische Behandlung abzubrechen, wenn schwere Nebenwirkungen auftreten.

Diese Empfehlungen gelten nicht für fluorouracilhaltige Arzneimittel, die auf der Haut bei Erkrankungen wie aktinischer Keratose und Warzen eingesetzt werden, da nur sehr geringe Mengen des Arzneimittels durch die Haut aufgenommen werden.

Ein erheblicher Anteil der Bevölkerung (bis zu 9 % der kaukasischen Bevölkerung haben niedrige Spiegel eines aktiven DPD-Enzyms und bei bis zu 0,5 % fehlt das Enzym ganz) hat einen Mangel an DPD, das zum Abbau von Fluorouracil und den verwandten Wirkstoffen Capecitabin, Tegafur und Flucytosin erforderlich ist. Das Fehlen eines funktionierenden DPD-Enzyms, das für den Abbau von Fluorouracil erforderlich ist, führt zur Anreicherung von Fluorouracil im Blut. Dies kann zu schweren und lebensbedrohlichen Nebenwirkungen wie Neutropenie (geringe Mengen bestimmter weißer Blutkörperchen, die zur Bekämpfung von Infektionen benötigt werden), Neurotoxizität (Schädigung des Nervensystems des Körpers), schwerer Durchfall und Stomatitis (Entzündung der Mundschleimhaut) führen.

Patienten können auf DPD-Mangel getestet werden, indem der Uracilspiegel (Uracil ist eine Substanz, die durch DPD abgebaut wird) im Blut gemessen wird oder indem das Vorhandensein bestimmter Mutationen (Veränderungen) im DPD-Gen überprüft wird. Entsprechende klinische Leitlinien sollten berücksichtigt werden.

Patienten, die wissen, dass bei ihnen ein teilweiser DPD-Mangel vorliegt oder dass ein Familienmitglied einen teilweisen oder vollständigen DPD-Mangel hat, sollten vor der Anwendung dieser Arzneimittel mit Ihrem Arzt oder Apotheker sprechen.

Informationen für medizinisches Fachpersonal

Fluorouracil, Capecitabin und Tegafur

  • Patienten mit teilweisem oder vollständigem DPD-Mangel haben ein erhöhtes Risiko für schwere Toxizität während der Behandlung mit Fluoropyrimidinen (Fluorouracil, Capecitabin, Tegafur). Es wird daher empfohlen, vor Beginn der Behandlung mit Fluoropyrimidinen einen Phänotyp- und/oder Genotyp-Test durchzuführen.
  • Die Behandlung mit fluorouracil-, capecitabin- oder tegafurhaltigen Arzneimitteln ist bei Patienten mit bekanntem vollständigem DPD-Mangel kontraindiziert.
  • Eine reduzierte Anfangsdosis sollte bei Patienten mit identifiziertem partiellem DPD-Mangel in Betracht gezogen werden.
  • Das therapeutische Drug Monitoring (TDM) von Fluorouracil kann die klinischen Ergebnisse bei Patienten, die kontinuierliche Fluorouracilinfusionen erhalten, verbessern.

Flucytosin

  • Tests vor Behandlungsbeginn auf DPD-Mangel sind nicht erforderlich, um Verzögerungen beim Beginn der Behandlung mit Flucytosin zu vermeiden.
  • Die Behandlung mit Flucytosin ist bei Patienten mit bekanntem vollständigem DPD-Mangel kontraindiziert, da das Risiko einer lebensbedrohlichen Toxizität besteht.
  • Im Falle einer medikamentösen Toxizität sollte ein Abbruch der Behandlung mit Flucytosin in Erwägung gezogen werden. Die Bestimmung der DPD-Aktivität kann in Betracht gezogen werden, wenn die Arzneimitteltoxizität bestätigt oder vermutet wird.

Zwei Rote-Hand-Briefe (einer für Fluorouracil, Capecitabin und Tegafur und ein separater für Flucytosin) werden zu gegebener Zeit an das medizinische Fachpersonal versendet, das die Medikamente verschreibt, abgibt oder verabreicht. Sie werden anschließend auch auf der BfArM-Homepage (deutsche Fassung) und auf der EMA-Website (englische Fassung) veröffentlicht werden.

Mehr über das Verfahren

Die PRAC-Empfehlungen wurden an den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) gesendet, der für Fragen im Zusammenhang mit Humanarzneimitteln zuständig ist, und dieser nahm die Stellungnahme der Europäischen Arzneimittelagentur an. Die Stellungnahme des CHMP wird nun an die Europäische Kommission weitergeleitet, die zu gegebener Zeit eine endgültige rechtsverbindliche Entscheidung erlassen wird, die in allen EU-Mitgliedstaaten gilt.

Bei der Umsetzung der aus diesem Verfahren folgenden Änderungen in den Produktinformationen sollte bei den dem BfArM eingereichten Variations die folgende Funktionsstruktur-Nummer mit angegeben werden: SKNR 6518 (5 FU und DPD-Defizienz)

16.03.2020 – Empfehlung des PRAC

19.03.2019 – Start des Verfahrens

Details zu dem Verfahren können unter folgendem Link bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) abgerufen werden:

Fluorouracil and fluorouracil related substances (capecitabine, tegafur and flucytosine) containing medicinal products