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Ebola, Nipah und ???: ‚Plug and Play‘ für schnelle Gewinnung schützender Antikörper

Epidemien mit gefährlichen Viren wie dem Ebolavirus können jederzeit auftreten. Ein Ansatz, um Menschen zu retten und die Zahl der Opfer so gering wie möglich zu halten, ist die Gabe schützender Antikörper gegen den Erreger. Wie können sie schnell in großer Menge produziert werden? Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts haben mit Wissenschaftlern im DZIF (Deutsches Zentrum für Infektionsforschung) gezeigt, dass adjuvantierte virusartige Partikel (VLPs) als Plug-and-Play-System genutzt werden könnten, um schnell funktionale Antikörper im Tier zu erzeugen, die für eine Behandlung infizierter Personen nutzbar wären. Darüber berichtet npj Vaccines in seiner Online-Ausgabe vom 05.10.2018.

Immer wieder kommt es zu überraschenden Infektionsausbrüchen, einige erreichen epidemische Ausmaße, so wie der große Ausbruch des Ebolavirus (EBOV) in Westafrika im Jahr 2014, der zu mehr als 28.500 Erkrankten mit über 11.000 Todesfällen geführt hat. Derzeit wird ein neuer Ebola-Ausbruch im Kongo bekämpft. Nipah- und Hendraviren sind Beispiele für weitere gefährliche Erreger, die bisher nur für kleinere Ausbrüche sorgten. Aktuell gibt es auch wieder einen Nipah-Ausbruch in Indien.

Bis zur Entwicklung von wirksamen Impfstoffen vergehen bisher viele Jahre. Bei einem Ausbruch mit lebensbedrohlichen Erregern werden aber Therapeutika benötigt, die bei Bedarf sehr schnell für viele Menschen produziert werden und eine Therapieoption bieten sollen. Eine Möglichkeit zur Behandlung von Erkrankten besteht in der passiven Immunisierung – der Gabe von Rekonvaleszenten-Plasma, das spezifische funktionale Antikörper enthält. Hier macht man sich zunutze, dass es bei einer Erkrankung zur Ausbildung von Antikörpern durch das Immunsystem kommt, die im Blutplasma zirkulieren und bei den Rekonvaleszenten zur Heilung der Infektion führen.

Das Blutplasma der Rekonvaleszenten, das ausreichende Mengen neutralisierender Antikörper gegen den spezifischen Erreger enthält, kann neu Erkrankten verabreicht werden, um sie vor der Krankheit zu schützen oder vor einem schweren Krankheitsverlauf zu bewahren. Das Problem hierbei: Die Gewinnung von Rekonvaleszentenplasma ist quantitativ sehr begrenzt, denn nur Personen, die die Erkrankung überstanden haben, können als Spender dienen. Eine Alternative wäre die Gewinnung von Immunseren aus Tieren. Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts um Prof. Veronika von Messling, Leiterin der Abteilung Veterinärmedizin des Paul-Ehrlich-Instituts, haben gemeinsam mit Forschern der Universitäten Marburg und München innerhalb des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) am Beispiel des Ebola- und Nipahvirus untersucht, wie sich möglichst effektiv die Bildung funktioneller Antikörper bei Kaninchen induzieren lässt.

Die Forscher fanden heraus, dass adjuvantierte virusartige Partikel (virus-like particles, VLPs) sehr effizient die Bildung hoher Titer funktionaler Antikörper in den Tieren anregten. Auf VLP basierende Impfstoffe sind besonders deshalb interessant, weil das Immunsystem auf Viruspartikel im Rahmen der normalen Infektionsabwehr direkt anspringt, sich die VLPs aber nicht in den Zielzellen vermehren. Die hohen Antikörpertiter weisen daher darauf hin, dass für die Bildung funktionaler Antikörper weniger die De-novo-Antigenexpression als die Präsentation des Antigens in seiner natürlichen Form wichtig ist. Mit einem optimierten Aufreinigungsprozess ließen sich so konzentrierte und in vivo stabile funktionale polyklonale Antikörper gewinnen.

Die Herstellung solcher polyklonaler Antikörperkonzentrate ist insofern von Vorteil, als sie sich gegen unterschiedliche Stellen (Epitope) der Antigene des Erregers richten, wodurch das Risiko des Funktionsverlust durch Mutationen des Virus geringer ist als bei Verwendung von monoklonalen Antikörpern, die nur auf ein Epitop ausgerichtet ist. Auch gegen Nipah ließ sich so eine starke Antikörperbildung induzieren. VLPs lassen sich innerhalb von ein bis zwei Wochen in ausreichender Menge für die Immunisierung von Tieren herstellen und Antigene leicht austauschen, sodass sie möglicherweise als bequemes Plug-and-Play-System für die Antikörpergewinnung genutzt werden könnten. „Die Herstellung polyklonaler Antikörper mit Hilfe Erreger-angepasster adjuvantierter VLPs ist aus unserer Sicht ein erfolgversprechender Ansatz zur schnellen Bereitstellung schützender Immunseren bei Ausbrüchen mit neuen gefährlichen Viren“, erläutert Prof. Veronika von Messling die Forschungsergebnisse.

Originalpublikation

Schmidt R, Beltzig LC, Sawatsky B, Dolnik O, Dietzel E, Krähling V, Volz A, Sutter G, Becker S, von Messling V (2018): Generation of therapeutic antisera for emerging viral infections.
NPJ Vaccines 3, Article number: 42 (2018) https://doi.org/10.1038/s41541-018-0082-4

Das Paul-Ehrlich-Institut in Langen bei Frankfurt am Main ist als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel eine Bundesoberbehörde im Geschäfts­bereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Es erforscht, bewertet und lässt bio­medizinische Human-Arzneimittel und immunologische Tierarzneimittel zu und ist für die Genehmigung klinischer Prüfungen sowie die Pharmakovigilanz – Erfassung und Bewertung möglicher Nebenwirkungen – zuständig.

Die staatliche Chargenprüfung, wissenschaftliche Beratung/Scientific Advice und Inspektionen gehören zu den weiteren Aufgaben des Instituts. Unverzichtbare Basis für die vielseitigen Aufgaben ist die eigene experimentelle Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin und der Lebenswissenschaften.

Das Paul-Ehrlich-Institut mit seinen rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nimmt zudem Beratungsfunktionen im nationalen (Bundesregierung, Länder) und inter­nationalen Umfeld (Weltgesundheitsorganisation, Europäische Arzneimittel­behörde, Europäische Kommission, Europarat und andere) wahr.