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Schwerkranke Krebs-Patienten profitieren von erweiterter Molekular-Diagnostik

Erfolgreiche Arbeit des Molekularen Tumorboards am Tumorzentrum / Es profitieren Patienten, bei denen reguläre Therapien nicht mehr helfen / Klinikum beteiligt sich an landes- und bundesweiten Initiativen zur Vereinheitlichung der Diagnostik und Therapie

Das interdisziplinäre Molekulare Tumorboard am Tumorzentrum Freiburg – CCCF des Universitätsklinikums Freiburg ist rund drei Jahre nach seiner Gründung ein großer Erfolg. Das bestätigt eine kürzlich im Fachmagazin JCO Precision Oncology veröffentlichte Studie. Darin wurde die Arbeit der ersten beiden Jahre ausgewertet. Für etwa die Hälfte der 198 Patienten, bei denen die Leitlinien-basierte Diagnostik und Therapie nicht mehr wirkte, fanden die Ärzte und Wissenschaftler eine Therapieoption. Oft war die Krankheit schon so weit fortgeschritten, dass nur 33 Patienten behandelt werden konnten. Bei rund 60 Prozent dieser Patienten führte aber die neue Therapie zu einer Stabilisierung oder einem Rückgang der Erkrankung – obwohl zuvor bereits eine oder mehrere Therapien versagt hatten. In einem landesweit einzigartigen Projekt wird jetzt die Arbeit der Molekularen Tumorboards aller baden-württembergischen Universitätskliniken vereinheitlicht und deren Zusammenarbeit gestärkt. Auch auf Bundesebene wirkt das Tumorzentrum – CCCF an einer Harmonisierung der molekularen Tumorboards zwischen den Tumorzentren mit.

Mittlerweile mehr als 500 Patienten untersucht

Das Molekulare Tumorboard am Tumorzentrum – CCCF des Universitätsklinikums Freiburg wurde 2015 als eines der ersten seiner Art in Deutschland gegründet. „Wir hätten zu Beginn nicht zu hoffen gewagt, dass wir so vielen Betroffenen so gut helfen können“, sagt Prof. Dr. Nikolas von Bubnoff, Oberarzt an der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Freiburg. Gemeinsam mit Prof. Dr. Silke Laßmann, Molekularpathologische Diagnostik am Institut für Klinische Pathologie, leitet er das Molekulare Tumorboard, das auf Betreiben der CCCF-Direktoren Prof. Dr. Justus Duyster, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin I, und Prof. Dr. Christoph Peters, Leiter des Instituts für Molekulare Medizin und Zellforschung der Universität Freiburg, initiiert wurde.

Basis ist die erweiterte molekulare Untersuchung der Krebszellen. Zunächst wird an Tumorproben eines Patienten immunhistologisch und molekularpathologisch geprüft, ob die Zellen Eigenschaften haben, die sich als Angriffspunkt für eine Therapie eignen. Diese zertifizierte Diagnostik erfolgt am Institut für Klinische Pathologie, Universitätsklinikum Freiburg. In ausgewählten Fällen wird dafür das gesamte relevante Tumor-Erbgut mit ausgeklügelten systemmedizinischen Methoden ausgewertet. Dies übernimmt die Arbeitsgruppe von Dr. Dr. Melanie Börries, Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung der Universität Freiburg und des Deutschen Konsortiums Translationale Krebsforschung (DKTK). Anhand der Untersuchungsergebnisse sucht das interdisziplinäre Team des Molekularen Tumorboards dann gezielt nach einer passenden Krebstherapie. Während im Studienzeitraum knapp 200 Patienten untersucht wurden, sind es mittlerweile mehr als 500.

„Patienten konnten aufgrund der molekularen Analyse des Tumors in eine laufende klinische Studie aufgenommen oder mit einer Off-Label-Therapie behandelt werden“, sagt der Erstautor der Studie Dr. Rouven Höfflin, Arzt an der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Freiburg. Bei Off-Label-Therapien wird auf Medikamente zurückgegriffen, die für diesen Krankheitstyp eigentlich nicht zugelassen sind, aber trotzdem wirken könnten.

Forschung und Therapie verschmelzen

Außerdem etablieren die Freiburger Forscher derzeit einen gänzlich neuen Weg, der Diagnostik und Therapie miteinander verbindet. Zunächst werden die spezifisch im Tumor aufgetretenen genetischen Veränderungen identifiziert. Finden die Forscher dabei eine noch unbekannte Auffälligkeit, wird im Labor von Prof. Dr. Tilman Brummer, Forschungsgruppenleiter am Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung der Universität Freiburg, untersucht, ob das veränderte Protein am Tumorgeschehen beteiligt sein und auf einen geeigneten verfügbaren Wirkstoff reagieren könnte. Ist das der Fall, erhält der Patient das Medikament. „Dieser gesamte Test ist in zwei bis vier Wochen möglich und kann somit vor Therapiebeginn ablaufen“, sagt Prof. Brummer. Damit fließen Forschungsergebnisse unmittelbar in die klinische Anwendung beim einzelnen Patienten.

Einheitlicher Ablauf soll Kosten sparen und Therapien verbessern

Um diese erweiterte molekulare Tumordiagnostik mehr Menschen mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen zur Verfügung stellen zu können, erarbeiten die Universitätsklinika in Baden-Württemberg derzeit in einem landesweiten Pilotprojekt ein einheitliches Vorgehen in Diagnostik und Therapie. Dies wird den Aufbau einer gemeinsamen Datenbank beinhalten, damit sich wirksame Therapieansätze leichter finden lassen. Auch national arbeiten die von der Deutschen Krebshilfe geförderten onkologischen Spitzenzentren an einer Harmonisierung der Molekularen Tumorboards.

Original-Titel der Studie: Personalized Clinical Decision Making Through Implementation of a Molecular Tumor Board: A German Single-Center Experience
DOI: 10.1200/PO.18.00105

Link zur Studie: ascopubs.org/doi/full/10.1200/PO.18.00105