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Individuelle Antikörpertherapie am UKJ bekämpft schwere akute lymphoblastische Leukämie bei Säugling

Jenaer Kinderonkologe setzt Kombination aus drei Antikörpern erfolgreich ein/ Therapie am UKJ erstmalig

Jena (ukj/boe). Die kleine Yuna und ihre Eltern können sich wieder freuen. Nach einer achtmonatigen Behandlung an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Jena (UKJ) lassen sich bei dem 15 Monate alten Mädchen dank einer einzigartig auf sie abgestimmten Antikörpertherapie keine Leukämiezellen mehr nachweisen. Bis dahin hatte sie einen langen Weg hinter sich.

Bereits im Alter von zehn Wochen diagnostizierten Ärzte bei Yuna eine seltene sehr unreife akute lymphoblastische Leukämie (ALL). Zusätzlich fanden die Mediziner Kennzeichen im Blut, die typisch für eine akute myeloische Leukämie (AML) sind. Weder spezielle ALL- und AML-Chemotherapien noch eine Antikörpertherapie an einer Klinik in Valenzia schlugen bei der hartnäckigen Leukämie an. Doch ihre Eltern gaben nicht auf. Da sie kurz vor Yunas Geburt von Deutschland nach Spanien ausgewandert waren, suchten sie in Deutschland nach einer Klinik, die ihrer Tochter mit der Transplantation von blutbildenden Stammzellen helfen kann – und erhielten neben zehn Absagen von anderen Kliniken in Deutschland nur vom Jenaer Universitätsklinikum eine positive Rückmeldung.

Individuell abgestimmte Antikörper zerstören Leukämiezellen effektiv

„Da es Yuna zu diesem Zeitpunkt trotz ihrer Erkrankung relativ gut ging, sahen wir eine Chance, ihr mit der Transplantation von Blutstammzellen helfen zu können“, so Prof. Dr. Bernd Gruhn, Oberarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am UKJ. Ein 50-jähriger Mann aus Bayern wurde als optimaler Stammzellspender gefunden. Um das Rückfallrisiko nach einer Transplantation zu senken, musste die Anzahl der Leukämiezellen vorab so weit wie möglich reduziert werden. Da Chemotherapien in Valenzia nicht anschlugen, entschied sich der Jenaer Kinderonkologe für eine individuell auf die Antigene von Yunas Leukämiezellen abgestimmte Antikörpertherapie. In wöchentlichem Abstand erhielt die kleine Patientin die Medikamente während einer Infusion. „Diese verabreichten wir ihr in fünf Zyklen. Insgesamt haben wir dazu gezielt die drei verschiedenen Antikörper Gemtuzumab, Daratumumab und Inotuzumab abwechselnd eingesetzt. Zwei davon enthielten das Toxin Calicheamicin, ein spezifisches Gift, um die Leukämiezellen effektiv zu zerstören“, so Prof. Gruhn. „Nicht nur die Kombination dieser Antikörper, sondern vor allem der Einsatz der Medikamente Daratumumab und Inotuzumab war dabei etwas Besonderes, da kein Kind bisher am UKJ und nur wenige in Deutschland damit behandelt wurden.“ Die individualisierte Antikörpertherapie war erfolgreich: Nach der letzten Infusion konnten keine Leukämiezellen mehr im Knochenmark nachgewiesen werden.

Medikamentenkombination bereitet optimal auf Transplantation vor

Vor der eigentlichen Transplantation der blutbildenden Stammzellen mussten neben den Leukämiezellen auch das Knochenmark zerstört und das Immunsystem unterdrückt werden, damit die neuen Blutstammzellen nicht abgestoßen werden. „Für diese sogenannte Konditionierung haben wir erstmals vier verschiedene Medikamente miteinander kombiniert“, so Prof. Gruhn. „Die Kombination aus Thymoglobulin, Busulfan, Clofarabin und Fludarabin ist deutschlandweit bisher einmalig.“ Anschließend transplantierten die Jenaer Experten Yuna das Knochenmark mit den blutbildenden Stammzellen des Spenders.

Doch direkt nach der Transplantation kam der Rückschlag: Yuna erkrankte an einer lebensbedrohlichen Lebervenenverschlusskrankheit, bei der der Blutfluss von Darm zu Leber gestört ist. „Diese Komplikation ist vor allem bei Säuglingen häufig, die eine derart aggressive Therapie mit toxischen Antikörpern erhalten“, sagt Prof. Gruhn. Zusätzlich versagten Yunas Nieren, die Lunge und der Darm, sie musste dialysiert, künstlich beatmet und ernährt werden. „Doch nach und nach konnten wir diese Nebenwirkungen entsprechend behandeln“, blickt der Jenaer Kinderonkologe erleichtert zurück.

Weder 30, 60, 100 noch 150 Tage nach der Transplantation konnten Leukämiezellen in Yunas Knochenmark nachgewiesen werden, auch nicht mit sehr sensitiven molekulargenetischen Methoden. „Gerade Säuglinge mit der Diagnose ALL haben eine sehr schlechte Prognose. Doch dank der individuellen Abstimmung der Antikörper auf die vorhandenen Leukämiezellen konnten wir unsere Chance nutzen und Yuna optimal behandeln“, fasst Prof. Gruhn zusammen. „Trotz der schwierigen Voraussetzungen und Komplikationen geht es ihr nun sehr gut.“ Das freut nicht nur Yuna und ihre Eltern, sondern auch Prof. Gruhn und sein Team von der kinderonkologischen Station E130 sowie der Stammzelltransplantationseinheit A110 am UKJ.

Hintergrund akute Leukämien

Akute Leukämien sind bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems, die sich schnell entwickeln und in akut einsetzenden, starken Symptomen äußern. Dabei unterdrücken die Leukämiezellen die normale Blutbildung im Knochenmark. Die AML ist die häufigste Form akuter Leukämien bei Erwachsenen, die ALL hingegen im Kindesalter.

 

Kontakt
Prof. Dr. Bernd Gruhn
Oberarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Jena
Am Klinikum 1
07747 Jena
E-Mail: bernd.gruhn@med.uni-jena.de