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Weg mit dem X: Kleiner Eingriff mit großem Effekt

Seit über zehn Jahren erfolgreich am UKL in Anwendung

Leipzig. X-Beine kommen bei kleinen Kindern häufig vor, Statistiken sprechen von 20 Prozent. Sie sind in der Regel nichts Besorgniserregendes. Meist verwachsen sie sich im Lauf der ersten Lebensjahre. Geschieht dies jedoch nicht und führen konservative Therapien zu keiner Verbesserung, hilft oft nur noch ein operativer Eingriff.
Am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) wird von Kinderchirurgen und Kinderorthopäden seit mehr als zehn Jahren eine minimal-invasive Methode sehr erfolgreich angewendet. Dabei werden kleine Platten mit jeweils zwei Schrauben an der Wachstumsfuge in die Knochen implantiert. Sie bremsen das Wachstum auf der einen Seite, die andere Seite wächst normal weiter. Dadurch verändert sich der Gelenkwinkel, die X-Beine verschwinden.

Schon im Herbst 2007 begannen die Ärzte des UKL als eine der ersten, die Methode einzusetzen. Fachleute bezeichnen sie als „wachstumslenkende Operation mit Implantaten“. Aktuell ist sie die am häufigsten angewandte kinderorthopädische Operation. Eine häufige Ursache von X-Beinen ist Übergewicht. Weil es immer mehr übergewichtige Kinder gibt, nimmt die Anzahl von Kindern mit X-Beinen und Knick-Senkfüßen zu.

Prof. Ulf Bühligen, Leiter der Poliklinik an der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie, nutzt die Implantate von Beginn an und ist nach über zehn Jahren von ihrem Erfolg überzeugt: „Es ist eine minimal-invasive Methode mit starkem Effekt und Korrekturpotential. Durch ihren Einsatz werden große und belastende Korrekturoperationen vermieden“, sagt er. Das kann Kinderorthopäde Dr. Eckehard Schumann von der Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie nur bestätigen: „X-Beine verursachen eine Fehlbelastung des Knies. Die Kniescheibe kann sogar ausgerenkt werden. Mit einer solchen Operation kann das reduziert oder sogar vermieden werden“, erläutert er. Dies wiederum würde helfen, vorzeitigem Gelenkverschleiß – Arthrose – vorzubeugen und auf den späteren Einsatz künstlicher Ersatzgelenke verzichten zu können, sind sich die beiden UKL-Experten einig. Interdisziplinär behandeln sie mit dieser Methode in beiden Kliniken zusammen jährlich etwa 40 bis 50 Kinder, mehrheitlich operieren dabei die Kinderorthopäden.

Nach rund einem Jahr werden Effekte sichtbar

Geschehen muss der Eingriff in der Wachstumsphase des Kindes. „Allerdings sollte nicht zu früh damit begonnen werden. Manchmal ist es besser, noch ein Jahr zu warten“, weiß Dr. Schumann. Ideal sei ein Alter von elf, zwölf oder 13 Jahren. Befürchtungen, die eingesetzten Schrauben würden durch den Druck des wachsenden Knochens brechen, können die Fachärzte zerstreuen: „Die Schrauben biegen sich im Wachstum auf, brechen aber nicht“, betont Dr. Schumann, „in all den Jahren gab es keine einzige Lockerung oder Bruch bei uns.“
Alle drei Monate kommen die Kinder zur Kontrolle. Sind die Erfolge bereits sichtbar, müssen die Platten auch zügig entfernt werden, um so genannte Überkorrekturen zu vermeiden. Im Durchschnitt wird ziemlich genau ein Jahr benötigt, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
Wer nun fürchtet, diese Zeit arg eingeschränkt verbringen zu müssen, den kann Prof. Bühligen beruhigen: „Die Kinder können alles machen, es gibt keine Einschränkungen. Beine und Knie sind voll belastbar, auch Sport ist möglich“, erklärt er. Und selbst die Narbe sei später so klein, dass sie nicht gleich als solche erkannt werde.

Weitere Anwendungsgebiete sind hinzugekommen

Nach dem gleichen Prinzip können auch die viel seltener auftretenden O-Beine behandelt werden. Hier muss das Wachstum auf der im Vergleich zu den X-Beinen gegenüberliegenden Knochenseite gebremst werden.
Seit einigen Jahren und gestützt von den großen Erfahrungen beim „X“ sind weitere Anwendungsgebiete für die Schraubsystem-Implantate hinzugekommen. Dazu gehören Korrekturen am Ellenbogen und am Knöchel „Gerade in jüngster Zeit haben wir die Implantate häufiger an Innenknöcheln eingesetzt. Das hat einen großen Effekt auf die Behebung der Plattfüßigkeit“, erläutert Dr. Schumann. Und Kinder mit angeborenen körperlichen Einschränkungen, die ihre Knie nicht voll durchdrücken können, erhielten eine Platte vorn auf den Oberschenkel. „Das zeigt beeindruckende Ergebnisse“, meint er.
Ihre Erfahrungen bei der Anwendung der Methode veröffentlichten Prof. Bühligen und Dr. Schumann zusammen mit weiteren UKL-Kollegen im November 2017 auch in einem Artikel in der Fachzeitschrift „BMC Musculoskelet Disorders“.