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Zur Qualitätsdiskussion in der Neuro-Intensivmedizin – Bestimmt die Gesundheitspolitik das Behandlungsergebnis?

Berlin. Die Neurointensiv- und Notfallmedizin hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr zu einem zentralen Bestandteil der allgemeinen medizinischen Akutversorgung und intensivmedizinischen Behandlung entwickelt. Sie ist schon am Anfang der Behandlungskette im Rettungsdienst sowie in den Notaufnahmen nicht mehr wegzudenken. Damit hat die Bedeutung der Neurofächer ganz wesentlichen Auftrieb bekommen und sich entscheidend von einer betrachtenden hin zu einer (be-) handelnden Arbeitweise entwickelt. Die grundsätzlich zum Wohl der Patienten erstrebenswerte hohe Behandlungsqualität wird in der Praxis durch unterschiedlichste Instrumente und Operationalisierungen implementiert wie beispielsweise Qualitätsindikatoren, Mindestmengen, Risikomanagement oder Personalvorgaben und Strukturvoraussetzungen zur Abrechenbarkeit intensivmedizinischer Leistungen. Mit diesen Instrumenten mit einem populären „Qualitätslabel“ sind jedoch im Sinne eines trojanischen Pferdes auch gesundheitspolitische und ökonomische Ziele wie Zentralisierung in größeren Einheiten, Schließungen von kleineren Behandlungseinheiten und Mindervergütung von Leistungen verbunden.

Mit diesem kontroversen Thema beschäftigt sich ein Symposium auf der Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin (ANIM), die vom 17. bis 19. Januar 2019 in Berlin stattfindet. Die vier Vorträge dieses Symposiums beleuchten aus unterschiedlichen Perspektiven die potentiellen „Kollateralschäden“ der Qualitätsdiskussion. So geht es etwa um die Eignung von Risikoparametern. Prof. Dr. Frank Joachim Erbguth aus Nürnberg sieht im Qualitätsindikator „Krankenhaussterblichkeit beim Schlaganfall“ einen Irrweg, weil er völlig falsche „Leistungsanreize“ setzt, um „gut“ abzuschneiden. „Die Daten zur intravenösen Thrombolyse (Gerinnselauflösung) beim Hirninfarkt zeigen, dass die Durchführung dieser anerkannten Therapie kurzfristig zwar die Sterblichkeit im Krankenhaus durch Komplikationen leicht erhöht, mittel- und langfristig jedoch die Sterblichkeit und das Ausmaß der Behinderung reduziert. Handeln zum Wohle der Patientengruppe führt in diesem Fall also zum schlechten Abschneiden im Qualitätsindikator“, erklärt Professor Erbguth. Ähnlich sei die Situation bei einer unter ethischen Gesichtspunkten angemessenen Palliativtherapie bei schwerst erkrankten hochbetagten Schlaganfallpatienten: „Durch palliatives Handeln entsteht eine qualitätsmindernde höhere Krankenhaussterblichkeit im Vergleich zu einer ethisch unangemessenen Lebensverlängerung mit möglichst schneller Verlegung ins Pflegeheim.“
Prof. Dr. Thomas Westermaier aus Würzburg beschäftigt sich in seinem Vortrag mit den Schwierigkeiten, in der intensivmedizinischen Behandlung neurochirurgischer Patienten geeignete Risikoparameter zu definieren, die es erlauben, in angemessener Weise Indikatoren für die Ergebnisqualität zu implementieren.

Die Probleme, die durch die im Alltag schwer zu realisierenden Anforderungen an die Qualifikation und Präsenz der Intensivärzte entstehen, ohne die die Abrechnung der Intensivkomplexbehandlung nicht möglich ist, thematisiert das Referat von Prof. Dr. Julian Bösel aus Kassel. Die Abläufe der Intensivbehandlungen würden zunehmend nicht mehr nach medizinischem Sinn, sondern nach dem dienstplantauglichen Einsatz begrenzter Personalressourcen organisiert und gewachsene sinnvolle Stationsstrukturen dadurch verändert.
Als letzter Referent wird der DGNI-Präsident Prof. Dr. Georg Gahn aus Karlsruhe die Vor- und Nachteile der verschiedenen Qualitätsmanagementverfahren darstellen, mit denen die Intensivmedizin und insbesondere auch die NeuroIntensivmedizin aktuell schon konfrontiert sind und die in Zukunft auf sie zukommen werden. Qualitätsfördernde Prozess- und Strukturanforderungen für eine eigenständige NeuroIntensivmedizin erfordern schon jetzt ein Umdenken der NeuroIntensivmediziner, um nicht durch Schaffung größerer Einheiten die neurointensivmedizinische Kernkompetenz zu verlieren. Diskutiert werden Lösungswege, den Spagat zwischen Spezialisierung und Nivellierung zum Wohl der Patienten zu gestalten.

Termin
Symposium „Zur Qualitätsdiskussion in der Neuro-Intensivmedizin – Bestimmt die Gesundheitspolitik das Behandlungsergebnis?“
Vorsitz: Hans-Herbert Steiner, Frank Joachim Erbguth (Nürnberg)
Freitag, 18. Januar, 17:30–19:00 Uhr
Berlin Maritim Hotel, Raum Berlin A (Stauffenbergstraße 26, 10785 Berlin)

Die ANIM 2019 ist die 36. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und findet vom 17.-19. Januar 2019 in Berlin statt. In erstklassigen Vorträgen renommierter Experten, praxisorientierten Workshops und Fortbildungskursen sowie Symposien kooperierender Fachgesellschaften wird ein abwechslungsreiches Programm präsentiert. Seit jeher steht die ANIM für eine enge Verzahnung der neurologischen und neurochirurgischen Notfall- und Intensivmedizin und dem Pflegebereich. 2019 sind folgende Schwerpunktthemen geplant: Klinische Studien, Prähospitalphase Schlaganfall, Subarachnoidalblutung, Neuroinfektiologie sowie Ausbildung und Nachwuchsförderung.

Alle Informationen zur ANIM, weitere Pressemitteilungen sowie die Möglichkeit zur Akkreditierung finden Sie online über die Tagungshomepage www.anim.de.