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Schnelle Hilfe für schwerhörige oder ertaubte Babys

Hörtracking-Zentrale des Landes Baden-Württemberg nimmt ihren Dienst am Universitätsklinikum Heidelberg auf

Zum 1.1.2019 bekommt Baden-Württemberg eine Trackingzentrale für Babys, die beim Neugeborenen-Screening Hinweise auf eine Hörstörung zeigen / Bei vielen Kindern mit Schwerhörigkeit oder Taubheit beginnt die Therapie zu spät / Ziel ist, dass möglichst alle Kinder mit Hörstörung bis zum Ende des 6. Lebensmonats mit einer Behandlung beginnen

Die Hörtrackingzentrale des Landes Baden-Württemberg, angesiedelt am Dietmar-Hopp-Stoffwechselzentrum des Universitätsklinikums Heidelberg, nimmt zum 1. Januar 2019 ihren Dienst auf. Ziel des Hörtracking-Teams unter Leitung von Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Plinkert, dem Geschäftsführenden Direktor der HNO-Klinik und Prof. Dr. med., Prof. h.c. mult. (RCH) Georg F. Hoffmann, dem Geschäftsführenden Direktor des Zentrums für Kinder und Jugendmedizin: Alle in Baden-Württemberg geborenen Kinder mit nach der Geburt auffälligem Hörtest sollen noch einmal gründlich untersucht und bei bestätigter Schwerhörigkeit oder Ertaubung innerhalb eines halben Jahres die notwendigen Hilfsmittel und Therapien bekommen. „Nur wer richtig hört, kann auch richtig sprechen lernen“, fasst Prof. Peter Plinkert zusammen. „Leider bekommen bis zu 40 Prozent der betroffenen Kinder zu spät die richtige Förderung und Behandlung, was große Auswirkungen auf ihren Lebensweg haben kann.“

Hilfe für Babys und ihre Eltern: schnell, kostenlos, unbürokratisch und auf freiwilliger Basis

Bereits seit dem Jahr 2009 wird wenige Tage nach der Geburt im Rahmen der sogenannten U2-Untersuchung als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen ein einfacher und für das Baby schmerzfreier Hörtest durchgeführt. Eine Evaluierung dieses sogenannten Universellen Neugeborenen Hörscreenings zeigte jedoch, dass Baden-Württemberg – das bislang keine Trackingzentrale besaß – in den abgefragten Qualitätswerten nicht im optimalen Bereich liegt. Um die Qualität des Screenings zu sichern und die Eltern entsprechend zu informieren und zu beraten, wurde die Hörtrackingzentrale nun vom Ministerium für Soziales und Integration gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg, den gesetzlichen Krankenversicherungen, der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft, der Landesärztekammer, dem Landespflegerat und Patientenvertretern eingerichtet.

In der Praxis werden die Baden-Württembergischen Krankenhäuser verpflichtet, alle Untersuchungsdaten an die Geschäftsstelle zur Qualitätssicherung im Krankenhaus weiterzuleiten. Mit dem Einverständnis der Eltern werden diese Daten zeitnah an das Universitätsklinikum Heidelberg übermittelt. Von dort aus wird das Hörtracking-Team die Eltern betroffener Kinder zweimal anrufen und – falls es zu keinem Gespräch kommt – auch anschreiben. Gezwungen wird jedoch niemand – es gilt weiterhin das Selbstbestimmungsrecht der Eltern. „Falls noch nichts unternommen wurde, organisieren wir für die Familien einen Termin in einer nahe dem Wohnort gelegenen Beratungsstelle, um den Befund aus dem Screening noch einmal überprüfen zu lassen“, fasst Prof. Peter Plinkert zusammen. „Da es bei diesem sehr frühen Hörtest eine Reihe von Fehlerquellen gibt, bestätigt sich zum Glück bei den meisten Kindern die Diagnose nicht.“ Die Zahlen: Unter rund 100.000 Geburten in Baden-Württemberg pro Jahr sind ca. 8000 auffällige Befunde, aber davon sind nur rund 150 Kinder beidseitig ertaubt und eine größere Zahl ist therapiebedürftig schwerhörig.

Doch wie kommt es überhaupt dazu, dass die Eltern auf einen auffälligen Befund nicht rechtzeitig reagieren? „Ist ein Baby da, liegen die Prioritäten für die Eltern erst einmal woanders“, sagt Prof. Dr. Georg Hoffmann, der sich seit Jahren für eine Erweiterung des Neugeborenenscreenings auch in Bezug auf Stoffwechsel- und Hormonstörungen einsetzt. „Hörschäden tun nicht weh. Im Gegensatz zu manchen angeborenen Erkrankungen leiden die Babys nicht, sondern wirken glücklich und zufrieden, auch wenn ihre Welt sehr still ist.“

Eine frühe Hilfe für diese Kinder ist dennoch unerlässlich, weil der eigentliche Hörprozess – und damit die spätere Spracherkennung – nicht im Ohr, sondern im Gehirn ablaufen: Das Gehirn muss das Hören erst lernen. Kommen keine elektrischen Signale im Gehirn an, weil das Kind nicht oder nur unvollständig hört, bilden sich entscheidende neuronale Verbindungen gar nicht erst aus und die Kinder haben später große Schwierigkeiten damit, das Sprechen zu erlernen.

Neugeborenen-Hörtest: Auf kleine Klicks antwortet das Ohr mit eigenen Geräuschen

Doch wie misst man überhaupt die Hörfähigkeit bei einem kleinen Menschen, der noch nicht selbst reagieren kann? Möglich wird ein Hörtest bei Neugeborenen durch ein Phänomen namens TEOAE, den sogenannten „Transitorisch evozierten otoakustischen Emissionen“. „Kurze Schallreize, sogenannte Klicks, führen zu einer mechanischen Reaktion des Innenohrs. Diese Reaktion wird als Schall wieder nach außen übertragen – ein intaktes, funktionierendes Ohr reagiert auf die Klicks mit einem eigenen, messbaren Geräusch“, erklärt Prof. Peter Plinkert, der vor rund 30 Jahren als einer der ersten in Deutschland das Verfahren der Messung otoakustischer Emissionen (TEOAE) zum Hörscreening von Neugeborenen beschrieb. Bei der Messung werden mit einer kleinen Sonde im äußeren Gehörgang Klick-Geräusche ins Ohr abgegeben. Das vom Ohr abgegebene Geräusch wird durch ein Mikrofon in der Sonde gemessen und anschließend optisch dargestellt. Da dieses Signal bei einer Schädigung des Innenohres schwächer wird oder sogar verschwindet, kann die Messung der TEOAE zur Diagnose von Erkrankungen des Innenohres verwendet werden.

Weitere Informationen zur Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie des Universitätsklinikums Heidelberg:

https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Phoniatrie-und-Paedaudiologie.104037.0.html