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Zentrale Stellschraube im Immunsystem von Forschern des LMU-Klinikums identifiziert

Durch Medikamente, die das Immunsystem in seiner Aktivität beeinflussen, konnten in den letzten Jahren bahnbrechende Erfolge in der Krebstherapie erreicht werden. Forscher der Abteilung für Klinische Pharmakologie und der Medizinischen Klinik II haben nun einen neuen Mechanismus identifiziert, durch den Immunzellen an zentraler Stelle im Lymphknoten in ihrer Aktivität reguliert werden. Ein Schlüssel hierfür ist ein kleiner Botenstoff mit der Bezeichnung CCL22.

Das Immunsystem dient der Abwehr von feindlichen Angreifern wie Viren oder Bakterien. Zu unserem Schutz werden dabei mit Viren infizierte Zellen des Körpers gezielt und sehr effizient von Immunzellen abgetötet, was die Vermehrung und Verbreitung des Virus unterbindet. Die abgetöteten Zellen werden durch nachwachsende gesunde Zellen ersetzt, und es kommt zur Ausheilung der Infektion. Die Aktivität unserer Immunzellen muss allerdings streng kontrolliert werden, damit nicht auch gesunde Zellen Ziel eines Immunangriffs werden. Wenn diese Kontrolle fehlt, kann das Autoimmunerkrankungen wie Typ I Diabetes, rheumatoide Arthritis oder Morbus Crohn zur Folge haben, bei denen Immunzellen körpereigene Gewebe zerstören. Allerdings kann bei Krebserkrankungen eine zu starke Immunkontrolle verhindern, dass Tumorzellen durch Immunzellen erkannt und abgetötet werden. Der Tumor wächst dann unkontrolliert weiter. Es ist also entscheidend, dass die Aktivität unseres Immunsystems stets im Gleichgewicht gehalten wird.

Einen Baustein bei der Steuerung der Immunaktivität hat nun ein Forscher-Team um David Anz und Stefan Endres aus der Abteilung für Klinische Pharmakologie und der Medizinischen Klinik II identifiziert. Zur Aufrechterhaltung des immunologischen Gleichgewichts und zur Verhinderung überschießender Immunantworten sind Immunzellen eines bestimmten Typs entscheidend: die regulatorischen T-Zellen. Damit diese richtig funktionieren, müssen sie im Lymphknoten in Kontakt zu einem weiteren wichtigen Zelltyp kommen, den sogenannten dendritischen Zellen. Erst wenn die regulatorische T-Zelle direkten Kontakt mit der dendritischen Zelle hat, kann sie im Lymphknoten andere Immunzellen gut genug kontrollieren.

Das Team mit dem Erstautor Moritz Rapp hat nun entdeckt, dass die Kontaktbildung der beiden Immunzelltypen durch einen Botenstoff, das sogenannte Chemokin CCL22, vermittelt wird. CCL22 wird von dendritischen Zellen im Lymphknoten produziert und trägt entscheidend zur Unterdrückung unkontrollierter Immunreaktionen bei. Fehlt CCL22 im Organismus und insbesondere in dendritischen Zellen kommt es zu überschießenden Immunantworten. Der Botenstoff CCL22 stellt also eine zentrale Stellschraube im Immunsystem dar. Diese Erkenntnis könnte therapeutisch genutzt werden. Dem Forscher-Team ist der Nachweis gelungen, dass beim Fehlen von CCL22 Impfungen therapeutisch effektiver sind und sogar Immunantworten gegen Tumorzellen deutlich verstärkt wurden.

Bei Krebserkrankungen gab es in den letzten Jahren durch neue Immuntherapien bahnbrechende Erfolge. Dadurch können beispielsweise Patienten mit schwarzem Hautkrebs (Melanom) selbst in stark fortgeschrittenen Tumorstadien mit Metastasen noch geheilt werden. Hierfür werden bereits bekannte Stellschrauben im Immunsystem (z.B. CTLA-4 oder PD-1) durch Medikamente so verändert, dass Immunzellen gegen den Tumor aktiv werden. Leider können lange nicht alle Tumor-Arten derzeit so effizient mittels Immuntherapie behandelt werden. Die neuen Erkenntnisse der LMU-Forscher bilden möglicherweise die Grundlage dafür, mit Wirkstoffen, die gegen CCL22 gerichtet sind, die Aktivität des Immunsystems zu erhöhen. Dies könnte als neue Strategie zur Immuntherapie von Tumorerkrankungen eingesetzt werden.

Publikation: Rapp et al., The Journal of Experimental Medicine, online ahead of print March 2019