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Amyloidose: Neue DFG-Forschungsgruppe nimmt Arbeit auf

Wissenschaftler aus ganz Deutschland bündeln Expertise, um Mechanismen krankhafter Eiweißablagerungen in Herz und Nieren auf die Spur zu kommen / Kick-off-Meeting fand am 19. und 20. Juli in Heidelberg statt / Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert Projekte mit 2,1 Millionen Euro

Bei der seltenen Erkrankung systemische Leichtketten (AL-) Amyloidose lagern sich fehlerhaft geformte Eiweiße in den Organen ab und verursachen dort schwere Schäden. Wie es dazu kommt und warum die Eiweiße – je nach Ausprägung der Erkrankung – überwiegend Herz oder Nieren befallen, wollen Wissenschaftler aus Ulm, Heidelberg, Erlangen-Nürnberg, München und Kiel in den kommenden drei Jahren gemeinsam untersuchen und werden dabei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit 2,1 Millionen Euro gefördert. Mit einem Kick-off-Meeting am 19. und 20. Juli 2019 am Universitätsklinikum Heidelberg hat die DFG-Forschungsgruppe nun offiziell die Arbeit aufgenommen. Sprecher ist Professor Dr. Professor Marcus Fändrich, Leiter des Instituts für Proteinbiochemie an der Universität Ulm. Das Amyloidose-Zentrum am Universitätsklinikum Heidelberg unter Leitung von Professor Dr. Ute Hegenbart und Professor Dr. Stefan Schönland (Leiter der Amyloidose-Ambulanz) steuert als einziger klinischer Kooperationspartner unter anderem Material aus seiner umfassenden Bio- und Datenbank bei. Mehr als 800 Patienten werden derzeit dort behandelt, jährlich stellen sich rund 250 Patienten neu vor. Die Ergebnisse der Forschungsgruppe sollen langfristig die Frühdiagnose und somit die Versorgung betroffener Patienten verbessern.

Die AL-Amyloidose hat viele Gesichter: Jeder Patient zeigt ein individuelles Krankheitsbild – das Ausmaß der Eiweißablagerungen variiert ebenso wie das jeweils am stärksten betroffene Organ. Sind Herz oder Nieren befallen, kann das unbehandelt nach wenigen Monaten bis Jahren zum Tod durch Organversagen führen. Selbst wenn es Ärzten gelingt, die Ursache der Erkrankung – bei AL-Amyloidose eine Knochenmarkerkrankung – auszuschalten, fehlt es derzeit noch an Möglichkeiten, das bereits abgelagerte Eiweiß, das sogenannte Amyloid, wieder aus den Organen zu lösen. Da der Körper selbst das Eiweiß nur in geringen Mengen abbaut, bedürfen Herz und andere Organe dann zusätzlicher unterstützender Therapien. Die häufigste Form der Amyloidose, die in der Forschungsgruppe untersuchte AL-Amyloidose, verläuft oft sehr aggressiv: Schon nach kurzer Krankheitsdauer kann es zum Organversagen kommen.

Alles beginnt mit einer krankhaften Veränderung bestimmter Knochenmarkzellen, welche die namensgebenden Leichtketten, Bestandteile von Antikörpern, ins Blut abgeben. Allerdings nicht bei jedem Betroffenen: So entwickeln nur rund fünf Prozent der Patienten mit dieser Knochenmarkerkrankung, dem Multiplen Myelom, eine Amyloidose. Auf der anderen Seite kann bereits die nicht als bösartig geltende Vorstufe des Myeloms, die sogenannte monoklonale Gammopathie, die gefährlichen Eiweißablagerungen in Gang setzen. Dabei sind viele Fragen noch offen: Was entscheidet darüber, welcher Patient erkrankt? Warum sind die Amyloidablagerungen von Patient zu Patient so unterschiedlich stark ausgeprägt, und betrifft die Erkrankung in einem Fall primär das Herz, im anderen Fall die Niere oder ein anderes Organ? Warum nimmt das Gewebe die fehlgefalteten Leichtketten überhaupt auf? Gibt es Gemeinsamkeiten in der Eiweißstruktur von Patienten mit ähnlichem Krankheitsverlauf? Diesen ungeklärten Fragen wird die Forschungsgruppe 2969 „Mechanismen der Fehlfaltung von Antikörper-Leichtketten bei der systemischen AL-Amyloidose“ mit einem breiten biochemischen Methodenspektrum und innovativen bildgebenden Verfahren in den kommenden drei Jahren auf den Grund gehen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nehmen an, dass die unterschiedlichen Krankheitsbilder durch die von Natur aus hohe Variabilität der Leichtketten bestimmt werden. Um diese Hypothese zu prüfen, analysieren die Teams unter anderem die Leichtketten in Blut, Urin, Nieren- und Herzgewebe sowie Knochenmark und Fett von Patienten. Die Forscher werden Aufbau und Struktur der Eiweiße mit Krankheitsverlauf, -ausprägung und Organbefall vergleichen und nach Gemeinsamkeiten suchen, die eine Frühdiagnose und das Abschätzen des weiteren Krankheitsverlaufs ermöglichen.

„Wir hoffen, durch den gemeinsamen Ansatz aufklären zu können, welche Mechanismen zur Ablagerung von Amyloid führen und zu welchem Zeitpunkt die Eiweiße toxisch werden“, sagt Professor Dr. Stefan Schönland, Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Eine Hypothese lautet, dass die Leichtketten im Blut von einem Enzym gespalten und so in ihre gefährliche Form überführt werden. „Wenn wir diesen Schritt verstehen, können wir zukünftig die Ablagerungen vielleicht verhindern oder immerhin deutlich verlangsamen“, so der Amyloidose-Experte. Die Hoffnung ist nicht unbegründet: Bei einer anderen erblich auftretenden Amyloidose-Form ist genau das bereits gelungen – mit dem seit 2011 zugelassenen maßgeschneiderten Wirkstoff Tafamidis werden die Vorläufer-Eiweiße im Blut stabilisiert und die Ablagerungen kommen zum Stillstand.

Informationen im Internet
Hompage des Amyloidose-Zentrum Heidelberg