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Cholesterinsenker: Forscherinnen kommen Ursache von Muskelschmerzen durch Statine auf die Spur

Patienten, die Statine einnehmen, um ihren Cholesterinspiegel im Blut zu senken, klagen häufig über Muskelbeschwerden. Warum diese auftreten, ist bislang ungeklärt. In einer Studie haben die Pharmazeutinnen Professor Alexandra K. Kiemer und Jessica Hoppstädter von der Universität des Saarlandes einen möglichen ursächlichen Zusammenhang gefunden: Statine führen ihren Ergebnissen zufolge dazu, dass der Körper vermehrt ein Protein namens „Gilz“ produziert, das die Muskelzellen beeinträchtigt.

Ihre Studie veröffentlichen die Forscherinnen in der Fachzeitschrift „The FASEB Journal“: „The Glucocorticoid-Induced Leucine Zipper Mediates Statin-Induced Muscle Damage“, DOI: 10.1096/fj.201902557RRR

Cholesterinsenker zählen weltweit zu den meistverordneten Arzneimitteln. Ärzte greifen dabei vor allem nach Statinen, die im Allgemeinen gut verträglich sind. Relativ häufig klagen die Patientinnen und Patienten jedoch über Muskelsymptome, die in Form von Schmerzen oder einer Muskelschwäche auftreten können. „Zahlen aus klinischen Anwendungsstudien zufolge treten diese in fünf bis zu 29 Prozent der Fälle auf. Sowohl ältere und weibliche Patienten, aber auch Personen, die körperlich aktiv sind, scheinen ein höheres Risiko zu tragen“, erklärt Alexandra K. Kiemer, Professorin für Pharmazeutische Biologie an der Universität des Saarlandes. Im Jahr 2018 wurden in Deutschland über sechs Millionen Patientinnen und Patienten mit Statinen behandelt. Daher ist von mehreren Hunderttausend bis zu 1,8 Millionen Betroffenen auszugehen, bei denen Muskelbeschwerden auftreten. Welche Vorgänge dabei im Körper genau ablaufen und die Symptome auslösen, ist bis heute ungeklärt.

Alexandra K. Kiemer und ihre Forschergruppe könnten nun die tatsächliche Ursache der Muskelschmerzen gefunden haben: Sie machen ein Protein namens „Gilz“ für die entsprechenden Vorgänge im Körper verantwortlich. „Gilz ist eine Kurzform für Glucocorticoid-induzierter Leuzin Zipper“, erklärt Kiemer. Ihre Arbeitsgruppe befasst sich seit Jahren und in vielen Studien mit diesem Protein. „Eigentlich ist die Hauptfunktion von Gilz im Körper, Entzündungsprozesse zu unterdrücken. Statine schützen vor Herzinfarkten einerseits, indem sie den Cholesterinspiegel senken, andererseits aber auch, indem sie Gefäßentzündungen verringern. Daher vermuteten wir einen Zusammenhang zwischen Statinen und Gilz. Unsere Daten weisen darauf hin, dass Gilz im Körper Gutes, aber auch Schlechtes bewirken kann“, erläutert die Pharmazeutin. Sie bringt das Protein erstmals mit den Statinen und ihren Nebenwirkungen in Verbindung.

Auf diesen Anfangsverdacht hin analysierten die Pharmazeutinnen für ihre Studie zunächst zahlreiche Datensätze aus weltweit verfügbaren Forschungsdatenbanken: Sie werteten diese daraufhin aus, ob Statine Gilz beeinflussen. Nachdem ihr Verdacht sich erhärtet hatte, konnten die Forscherinnen ihre Vermutung in Versuchsreihen an lebenden Zellen bestätigen. „Statine bewirken, dass das Protein Gilz in den Zellen vermehrt gebildet wird. Dadurch beeinträchtigen sie die Muskelzellen. Denn die vermehrte Gilz-Produktion führt dazu, dass die Muskelzellen eher absterben. Zusätzlich wird die Bildung neuer Muskelfasern gehemmt“, erklärt Kiemer. Die Forscherinnen schalteten daher Gilz in lebenden Zellen aus und beobachteten dann die Wirkung der Statine. „Wenn wir die Behandlung mit Statinen an Muskelzellen oder ganzen Muskelfasern durchführen, bei denen Gilz genetisch ausgeschaltet wurde, bleibt die eben beschriebene Schädigung praktisch komplett aus“, stellt die Wissenschaftlerin fest.

Es gibt Hinweise darauf, dass besonders körperlich aktive Menschen nach der Einnahme von Statinen unter den Muskelsymptomen leiden. Zudem scheinen Statine den Trainingserfolg zu beeinträchtigen. Die Pharmazeutinnen um Alexandra K. Kiemer planen daher eine neue Studie gemeinsam mit der Sportmedizinerin Anne Hecksteden aus der Arbeitsgruppe von Professor Tim Meyer an der Universität des Saarlandes: „Wir haben Hinweise darauf, dass es einen Zusammenhang zwischen Statinen, körperlichem Training und dem Protein Gilz gibt und diesen wollen wir näher beleuchten“, erklärt Alexandra K. Kiemer.