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Tumormutationslast als Biomarker bei Krebs: Wissenschaftler überprüfen die Leistung von sechs Gentests

Die Menge an erworbenen Veränderungen im Erbgut im Tumorgewebe, die sogenannte Mutationslast, wird von Medizinern als Biomarker genutzt, um vorhersagen zu können, welche Patienten von einer Immuntherapie profitieren könnten. Auf dem Markt gibt es inzwischen verschiedene Tests, die durch Analyse mehrerer Hundert Gene Rückschlüsse auf diese Mutationslast zulassen. Wissenschaftler haben nun sechs Gentests auf ihre Zuverlässigkeit untersucht und konnten nachweisen, dass diese Multi-Gen-Panels sich für den Einsatz in der klinischen Routinediagnostik eignen.

Die Menge an erworbenen Veränderungen im Erbgut im Tumorgewebe, die sogenannte Mutationslast, wird von Medizinern als Biomarker genutzt, um vorhersagen zu können, welche Patienten von einer Immuntherapie profitieren könnten. Auf dem Markt gibt es inzwischen verschiedene Tests, die durch Analyse mehrerer Hundert Gene Rückschlüsse auf diese Mutationslast zulassen. Wissenschaftler haben nun sechs Gentests auf ihre Zuverlässigkeit untersucht und konnten nachweisen, dass diese Multi-Gen-Panels sich für den Einsatz in der klinischen Routinediagnostik eignen.
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Deutschen Krebshilfe (DKH).

Immuncheckpoint-Inhibitoren sind bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen eine wichtige Therapieoption. Trotz gleicher Diagnose sprechen allerdings einzelne Patientengruppen unterschiedlich auf die Immuntherapie an. Biomarker können hierbei helfen, eine bessere Vorhersage für den Therapieverlauf treffen zu können. Ein solcher Biomarker ist die Anzahl der erworbenen Mutationen im Erbgut der Tumorzelle, die sogenannte Tumormutationslast (TMB). Je mehr erworbene Genveränderungen sich im Tumor finden, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die körpereigene Immunabwehr aktiviert wird und neue Wirkstoffe, wie beispielsweise die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren, wirken.

Um die Mutationslast im Tumorgewebe zu bestimmen, werden aktuell vor allem zwei Verfahren eingesetzt: Bei der Exom-Sequenzierung – auch Whole-Exome Sequencing (WES) genannt – werden alle circa 20.000 Gene entschlüsselt, die für die Eiweißmoleküle in einer Zelle kodieren. „Die WES-Analyse liefert uns sehr genaue und verlässliche Daten, deren Auswertung und Interpretation Grundlage für weitere Therapieempfehlungen sein kann. Allerdings ist das Verfahren mit einer Analysezeit von drei bis vier Wochen relativ langsam und daher für die breite klinische Routinediagnostik bislang noch nicht geeignet. Auch sehr kleine Gewebeproben sind mitunter schwierig mittels WES zu analysieren“, erklärt Stefan Fröhling, Geschäftsführender Direktor am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und Leiter der Abteilung für Translationale Medizinische Onkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

Bei einer Gen-Panel-Untersuchung wird eine kleinere Anzahl von mehreren Hundert Genen in kürzerer Zeit analysiert. Die Methode lässt auf Basis der untersuchten Genabschnitte eine Schätzung der Mutationslast im Tumorgewebe zu. Auch methodisch ist das Verfahren weniger aufwändig, da im Gegensatz zur WES-Analyse kein frisches Tumormaterial benötigt wird, sondern die Untersuchung an paraffineingebetteten Gewebeschnitten erfolgen kann, wie sie üblicherweise für die Diagnose genutzt werden und in der Pathologie vorliegen. Seit Kurzem kann sogar Tumor-DNA aus dem Blut des Patienten für die Multi-Gen-Analyse verwendet werden.

Mittlerweile sind mehrere Gentests für die Bestimmung der Tumormutationslast erhältlich, die in einem Labor eingesetzt werden können. „Allerdings fehlte bisher eine detaillierte Bewertung der Gesamtleistung dieser TMB-Tests. Wir haben uns daher gefragt, inwieweit die Ergebnisse der unterschiedlichen Tests, auch über verschiedene Einrichtungen hinweg, vergleichbar sind. Zudem hat uns interessiert, ob die Methode ähnlich zuverlässige Aussagen liefert wie die Exom-Sequenzierung und welche Faktoren die Messungen beeinflussen“, berichtet Albrecht Stenzinger, Leiter des Molekularpathologischen Zentrums am Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) und Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL).

In einer aktuellen Untersuchung haben die Wissenschaftler und Ärzte mehrerer Universitätspathologien in Deutschland und der Schweiz unter der Schirmherrschaft der Qualitätssicherungs-Initiative Pathologie (QuiP) die Leistung und Qualität von sechs verschiedenen Gentests an 20 Tumorproben überprüft, untereinander verglichen und der Analysegenauigkeit des WES-Verfahrens gegenübergestellt. Die Gewebeproben stammten von Patienten mit Lungenkrebs, Kopf-Hals-Tumoren und Darmkrebserkrankungen. Jede Tumorprobe wurde mit den sechs Gen-Panels und an 15 Institutionen mehr als 20 Mal getestet, was zu über 450 Datensätzen führte. Mit einer Übereinstimmung von 87,7 Prozent waren die Ergebnisse zwischen den Panel-Tests und den Zentren sehr gut vergleichbar. In 74,9 Prozent stimmten die Untersuchungsdaten zur TMB Bestimmung aus den Gen-Panel-Tests mit den Analysen der WES überein.

Die Studie hat gezeigt, dass man mit den untersuchten Gen-Panels die Tumormutationslast näherungsweise bestimmen kann und ein verlässliches Ergebnis erhält, um Patienten gezielt auswählen zu können, die von einer Immuntherapie profitieren könnten. „Unsere Studienergebnisse sind ein wichtiger Beitrag zur Bewertung solcher Gentests in der klinischen Routinediagnostik“, sagt Matthias Schlesner, Leiter der Nachwuchsgruppe Bioinformatik und Omics Data am DKFZ und Wissenschaftler des DZL. „Wir konnten aber auch Faktoren identifizieren, die die Ergebnisse der Gentests in der täglichen Praxis beeinflussen. Hierzu gehören beispielsweise die Anzahl der Tumorzellen im Gewebeschnitt oder auch die Qualität der enthaltenen DNA. Weitere Untersuchungen werden sich daher auch damit beschäftigen, diese Störfaktoren zu reduzieren und einheitliche bioinformatische Analyseverfahren zu entwickeln“, ergänzt Stenzinger.

Originalpublikation
A. Stenzinger, V. Endris, J. Budczies, S. Merkelbach-Bruse, D. Kazdal, W. Dietmaier, N. Pfarr, U. Siebolts, M. Hummel, Sylvia Herold, J. Andreas, M. Zoche, L. Tögel, E. Rempel, Jörg Maas, D. Merino, M. Stewart, K. Zaoui, M. Schlesner, H. Glimm, S. Fröhling, J. Allen, D. Horst, G. Baretton, C. Wickenhauser, M. Tiemann, M. Evert, H. Moch, T. Kirchner, R. Büttner, P. Schirmacher, A. Jung, F. Haller, Wilko Weichert, M. Dietel (2020) Harmonization and Standardization of Panel-Based Tumor Mutational Burden (TMB) Measurement: Real-World Results and Recommendations of the QuIP StudyJournal of Thoracic Oncology (JTO) https://www.jto.org/article/S1556-0864(20)30135-0/pdf

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Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Ziel des NCT ist es, vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung möglichst schnell in die Klinik zu übertragen und damit den Patienten zugutekommen zu lassen. Dies gilt sowohl für die Diagnose als auch die Behandlung, in der Nachsorge oder der Prävention. Die Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik. Das NCT kooperiert mit Selbsthilfegruppen und unterstützt diese in ihrer Arbeit. Seit 2015 hat das NCT Heidelberg in Dresden einen Partnerstandort. In Heidelberg wurde 2017 das Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) gegründet. Die Kinderonkologen am KiTZ arbeiten in gemeinsamen Strukturen mit dem NCT Heidelberg zusammen.

Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD)
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich rund 80.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000-mal
Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe hat das Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.700 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Deutsches Zentrums für Lungenforschung (DZL)
Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL e.V.) ist ein Zusammenschluss aus 29 führenden universitären und außeruniversitären Einrichtungen, die sich der Erforschung von Atemwegserkrankungen widmen. Im DZL wird die grundlagen-, krankheits- und patientenorientierte Forschung auf dem Gebiet der Lungenerkrankungen koordiniert und auf internationalem Spitzenniveau durchgeführt, um so die Translation grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisse in neue klinische Konzepte zur Verbesserung der Patientenversorgung zu beschleunigen.